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Wirksamkeit einer Eigenbedarfskündigung

Die Wirksamkeit der Eigenbedarfskündigung: Ein richtungsweisendes Urteil des Amtsgerichts München

Im Oktober 2020 traf das Amtsgericht München eine wichtige Entscheidung bezüglich der Wirksamkeit einer Eigenbedarfskündigung (AG München – Az.: 473 C 2138/20). Diese Entscheidung bietet umfangreiche Einblicke in die rechtliche Beurteilung von Eigenbedarfskündigungen und beleuchtet die verschiedenen Facetten dieser komplexen Thematik.

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Eigenbedarf und Interessenabwägung

Das Gericht befasste sich in erster Linie mit der Frage, ob der Vermieter die Interessen der Mieterin angemessen berücksichtigt hatte, bevor er den Eigenbedarf geltend machte. Die Mieterin führte an, dass die Wohnung trotz ihrer Drei-Zimmer-Struktur tatsächlich nur aus zwei nutzbaren Räumen bestand. Darüber hinaus verwies sie auf ihre gesundheitlichen Probleme und erklärte, dass ein Umzug aufgrund ihrer medizinischen Zustände und einer 50%igen Schwerbehinderung unzumutbar wäre.

Das Recht des Vermieters auf Eigennutzung

Das Gericht stellte fest, dass der Vermieter, wenn er einen nachvollziehbaren Eigennutzungswunsch vorlegt, grundsätzlich das Recht hat, seine Wohnung selbst zu nutzen. Dabei wird das Interesse des Vermieters an der Nutzung seines Eigentums mit den Interessen und Rechten des Mieters abgewogen. Der Wunsch des Vermieters muss auf „vernünftigen und nachvollziehbaren Gründen“ beruhen.

Zumutbarkeit einer Alternativwohnung

Ein zentraler Punkt der Entscheidung betraf die Zumutbarkeit einer Alternativwohnung. Laut Gericht hat der Vermieter die Pflicht, dem Mieter bis zum Ablauf der Kündigungsfrist eine vergleichbare Wohnung anzubieten, die im selben Haus oder in derselben Wohnanlage liegen soll. Dabei beschränkt sich die Pflicht auf Wohnungen, die dem Vermieter zum Zeitpunkt der Kündigung zur Verfügung stehen.

Abwägung von Härtegründen

Im Fall der verhandelten Kündigung sah das Gericht keinen hinreichenden Härtegrund auf Seiten der Mieterin, der die Kündigung unwirksam machen würde. Das Gericht stellte fest, dass es rechtsmissbräuchlich wäre, dem Vermieter Härtegründe vorzuhalten, die der Mieter durch seine unbegründete Ablehnung einer zumutbaren Alternativwohnung selbst herbeigeführt hat.

Eigentumsrecht des Vermieters

Schließlich betonte das Gericht das Grundrecht des Vermieters auf Eigentum. Die Entscheidung legt nahe, dass die Rechte des Vermieters in bestimmten Fällen Vorrang haben können, vor allem wenn ein klarer und begründeter Eigenbedarf nachgewiesen wird und dem Mieter eine zumutbare Alternative angeboten wird.

Dieses Urteil des Amtsgerichts München unterstreicht die Balance, die Gerichte bei der Beurteilung von Eigenbedarfskündigungen finden müssen. Während die Interessen und Rechte der Mieter berücksichtigt werden müssen, ist auch das Eigentumsrecht des Vermieters ein wichtiges Kriterium. Das Urteil liefert wertvolle Orientierungspunkte für zukünftige Fälle und zeigt, wie komplexe und vielschichtige Fragestellungen in diesem Bereich sorgfältig geprüft und beurteilt werden müssen.


Das vorliegende Urteil

AG München – Az.: 473 C 2138/20 – Urteil vom 27.10.2020

1. Die Beklagte wird verurteilt, die Wohnung im 3. OG Mitte im Haus … München, bestehend aus 3 Zimmern, 1 Küche, 1 Korridor, 1 Bad mit Toilette sowie den rechts von der Kellertreppe, geradeaus neben dem Heizungsraum gelegenen Kellerraum zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,00 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Der Beklagten wird eine Räumungsfrist gewährt bis 31.03.2021.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung nach vorangegangener Kündigung wegen Eigenbedarfs.

Mit Mietvertrag vom 01.01.1998 mietete die Beklagte vom Rechtsvorgänger der Klägerin … die streitgegenständliche Dreizimmerwohnung im 3. OG Mitte im Haus … München mit einer Wohnfläche von ca. 75 qm, nebst Keller. Beginn des Mietverhältnisses war der 01.01.1989 (zu den weiteren Einzelheiten wird auf den Mietvertrag vom 01.01.1989, vorgelegt als Anlage K1, Bezug genommen).

Die monatliche Teilinklusive Miete betrug zunächst 550,00 DM zzgl. 20,00 DM Pauschale für Treppenreinigung, zuletzt betrug der Mietzins 370,91 € zzgl. 10,00 € Pauschale für Treppenreinigung.

Nach dem Tod des ursprünglichen Eigentümers und Ehemanns der Klägerin hat die Klägerin ihren Anteil am Grundstück … auf ihre beiden Kinder, … und … übertragen. Gleichzeitig wurde zugunsten der Klägerin am Grundstück … ein Nießbrauch bestellt und im Grundbuch eingetragen.

Mit Schreiben vom 27.02.2019, Zugang am 28.02.2019, kündigten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin das Mietverhältnis ordentlich mit Kündigungsfrist zum 29.02.2020 wegen Eigenbedarfs (zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Kündigung vom 27.02.2019, vorgelegt als Anlage K2, Bezug genommen). Weiter wurde in dieser Kündigung einer stillschweigenden Verlängerung des Mietverhältnisses widersprochen und auf das Widerspruchsrecht des Mieters hingewiesen.

Vor Ablauf der Kündigungsfrist wurde eine Wohnung im 4. OG links, im selben Haus … frei. Mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 29.03.2019 bot die Klägerin diese freiwerdende Wohnung der Beklagten als Alternativwohnung zum Bezug an und bat um Rückäußerung bis 24.04.2019. In diesem Schreiben heißt es wörtlich:

„Namens unserer Mandantin teilen wir mit, dass vor Ablauf der Kündigungsfrist der erklärten Eigenbedarfskündigung die Wohnung im 4. OG links im Haus … in München, bestehend aus 2 Zimmern, einem Bad, eine Küche und eine Diele/Flur mit einer Fläche von etwa 55 qm frei wird. Unsere Mandantin bietet Ihnen diese Wohnung als Alternativwohnung zum Bezug an und zwar zu folgenden Konditionen: Vertragsbeginn: 01.07.2019; monatliche Teilinklusivmiete: € 640.00; zuzüglich Pauschale für Treppenreinigung: € 10,00.“ (Zu den weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 29.03.2019, vorgelegt als Anlage K5, Bezug genommen).

Eine Rückäußerung seitens der Beklagten erfolgte nicht. Nachdem die Beklagte auf das Angebot nicht reagierte, teilten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 09.05.2019 mit, dass die angebotene Alternativwohnung ab dem 20.05.2019 an andere Mietinteressenten vergeben werde. Auch auf dieses Schreiben reagierte die Beklagte nicht.

Mit Schreiben des Mietervereins München vom 06.12.2019 ließ die Beklagte die Kündigung zurückweisen (zu den weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 06.12.2019, vorgelegt als Anlage K8, Bezug genommen).

Die Klägerin trägt vor, sie benötige die Wohnung für ihren Enkel, den Zeugen … welcher gemeinsam mit dessen Sohn dort einziehen solle. Derzeit, so die Klägerin, bewohne … die ca. 50 m2 große Wohnung im 2. OG rechts im selben Haus, … Sein im April 2006 geborener Sohn … lebe seit März 2018 dauerhaft bei ihm in der … habe alters- und entwicklungsbedingt den Wunsch nach Rückzugsmöglichkeiten und Privatsphäre und brauche ein ausreichend großes eigenes Zimmer. Dieser Wohnbedarf könne in der jetzigen Wohnung nicht verwirklicht werden, weil diese Wohnung sowohl vom Zuschnitt als auch von der Fläche für Vater und Sohn zu klein sei. Geeigneter Alternativwohnraum stehe der Klägerin nicht zur Verfügung. Mittlerweile sei … 14 Jahre alt, und die derzeitige Wohnsituation werde dem Wohnbedarf eines Erwachsenen und eines Jugendlichen nicht gerecht. Die Wohnung verfüge nur über zwei Zimmer, Flur, Küche, Bad und WC, wobei das größere der beiden Zimmer ein sogenanntes Durchgangszimmer sei (Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Klageschrift und den Schriftsatz vom 17.07.2020 Bezug genommen).

Die Klagepartei trägt weiter vor, die der Beklagten im März 2019 angebotene Alternativwohnung im 4. OG sei auch unter Berücksichtigung des Vortrags der Beklagten für diese geeignet und ohne weiteres akzeptabel gewesen. Die Wohnung sei mit einer Fläche von 55 qm für eine Einzelperson ohne weiteres ausreichend. Sie verfüge über zwei Zimmer, einen Flur, ein Bad und eine Küche. Die Alternativwohnung hätte sich auch im selben Haus befunden und liege lediglich ein Stockwerk höher als die bisherige Wohnung (zu den weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 17.07.2020 Bezug genommen).

Die Klägerin beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, die Wohnung im 3. OG Mitte im Haus … München, bestehend aus 3 Zimmern, 1 Küche, 1 Korridor, 1 Bad mit Toilette sowie den rechts von der Kellertreppe, geradeaus neben dem Heizungsraum gelegenen Kellerraum zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Beklagte beantragt Klageabweisung.

Hilfsweise beantragt sie, das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit fortzusetzen.

Rein vorsorglich beantragt sie, eine angemessene Räumungsfrist nach § 721 ZPO zu gewähren.

Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass der Enkel der Klägerin die Wohnung gemeinsam mit seinem im April 2006 geborenen Sohn … bewohne, und dieser seit März 2018 dauerhaft bei seinem Vater lebe. Die Beklagte bestreitet weiter mit Nichtwissen, dass der mittlerweile knapp 14-jährige Urenkel der Klägerin alters- und entwicklungsbedingt den Wunsch nach Rückzugsmöglichkeiten und Privatsphäre habe und deswegen ein ausreichend großes eigenes Zimmer benötige. Die Beklagte bestreitet weiter mit Nichtwissen, dass dieser Wohnbedarf in der jetzigen Wohnung nicht verwirklicht werden könne (zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Klageerwiderung vom 31.03.2020 Bezug genommen). Die Beklagte trägt vor, es sei richtig dass ihr die Wohnung im 4. OG angeboten worden sei. Diese Wohnung habe sie, die Beklagte, nicht anmieten können. Zum einen sei die Wohnung schlichtweg zu teuer, zum anderen scheide die Anmietung der Wohnung auch deshalb aus, da sie extrem unter Geräuschen wie Verkehrslärm, der innerhalb der Wohnung auftrete, leide. Bereits in der jetzigen Wohnung sei der Straßenverkehrslärm wesentlich zu hören. Dies wäre bei der höher gelegenen Wohnung jedoch noch wesentlich mehr der Fall. In der gegenwärtigen Wohnung sei es ihr, der Beklagten, wenigstens noch möglich, das kleine Zimmer und die Wohnküche mit Richtung zum Hof zu nutzen. Die Beklagte trägt weiter vor, sie bestreite, dass der Urenkel der Klägerin zusammen mit dem Enkel der Klägerin in dem streitgegenständlichen Anwesen dauerhaft wohne, denn sie, die Beklagte, habe den Enkel und Urenkel nur einmal im Sommer 2019 im Haus gesehen und könne kaum glauben, dass der Urenkel tatsächlich dauerhaft bei seinem Vater wohne (zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Klageerwiderung vom 31.03.2020 Bezug genommen). Die Beklagte trägt weiter vor, es bestünden bis heute erhebliche Zweifel am Eigenbedarf im Hinblick auf den Enkel der Vermieterin. Die Beklagte trägt weiter vor, tatsächlich handele es sich bei der streitgegenständlichen Wohnung zwar um eine Dreizimmerwohnung, jedoch sei einer der drei Wohnräume so klein, dass nur ein Bett, nicht einmal ein Schrank untergestellt werden könne.

Die Beklagte trägt weiter vor, in ihrer Person würden zudem Härtegründe vorliegen, welche unter Abwägung der Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses auf unbestimmte Zeit als erforderlich erscheinen lassen. Insbesondere aus medizinischer Sicht sei sie nicht in der Lage umzuziehen, sie beziehe eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung und sei zu 50 % schwerbehindert. Sie befinde sich seit mehreren Jahren schon in einer verhaltenstherapeutischen sowie einer nervenärztlichen Behandlung, sodass sie wegen dieser schwerwiegenden Erkrankung auf Dauer nicht umzugsfähig sei (zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Klageerwiderung vom 30.03.2020 den hiermit vorgelegten Attesten, Anlage B1 und B2, Bezug genommen). Außerdem, sei sie, die Beklagte, die seit mehr als 30 Jahren in dieser Wohnung wohne, mit dem dortigen Wohnfeld fest verwurzelt, weshalb ein Umzug nicht ohne ernsthaft zu befürchtende gesundheitliche Gefahren und ohne eine Verschlechterung ihres derzeitigen Zustands zu verkraften sei. Ein Umzug, welcher mit einem Wechsel der bisherigen Wohngegend verbunden wäre, hätte ganz fatale Folgen, sie, die Beklagte, würde ihren einzigen Kontakt zur Außenwelt verlieren würde, nämlich einen Freund, der in unmittelbarer Nähe wohne (Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Klageerwiderung vom 31.03.2020 Bezug genommen).

Das Gericht hat Beweis erhoben durch informatorische Anhörung der Tochter der Klägerin welche nach § 141 Abs. 3 ZPO bevollmächtigt war, sowie durch Einvernahme der Zeugen … und … (zu den Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschriften vom 25.08.2020 und vom 27.10.2020 Bezug genommen).

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestands Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften vom 25.08.2020 und vom 27.10.2020 und die übrigen Aktenbestandteile.

Entscheidungsgründe

Der Rechtsstreit ist zur Entscheidung reif. Eine Schriftsatzfrist zum Schriftsatz der Klagepartei vom 26.10.2020 war der Beklagten nicht zu gewähren: Gegenstand des Schriftsatzes vom 26.10.2020 war die klägerische Darstellung, warum der erstmals im Verhandlungstermin vom 25.08.2020 angedachte Wohnungstausch (d.h. Wohnung des Zeugen … im 2. OG gegen die Wohnung der Beklagten) letztlich gescheitert ist. Dies hat der Klägervertreter im Termin vom 27.10.2020 noch einmal ausführlich dargestellt. Die Beklagtenpartei hat hierauf im Termin ausführlich erwidert und dezidiert erläutert, warum aus ihrer Sicht die Verhandlungen dazu gescheitert waren. Eine weitere pauschal beantragte Schriftsatzfrist hierzu war daher nicht zu gewähren.

Die Klage ist zulässig und begründet.

A. Zulässigkeit der Klage

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Amtsgericht München sachlich und örtlich zuständig, weil die Streitigkeit einem Mietverhältnis über eine in München gelegene Wohnung entspringt, §§ 29a Abs. 1 ZPO, 23 Nr. 2a GVG.

B. Begründetheit der Klage

Die Klage ist begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Wohnung gemäß § 546 Abs. 1, Abs. 2 BGB, da die Kündigung vom 27.02.2019 wegen Eigenbedarfs das Mietverhältnis zum 29.02.2020 beendet hat (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Die Klagepartei kam in der maßgeblichen Zeit vom Ausspruch bis zum Ablauf der Kündigungsfrist ihrer Anbietpflicht nach, als im selben Haus eine vergleichbare Wohnung im 4. OG frei wurde und die Klagepartei diese der Beklagten auch angeboten hat. Die Beklagte hat ohne hinreichende Gründe diese Ersatzwohnung abgelehnt. Sie kann auch nicht die Fortsetzung des Mietverhältnisses wegen eines Härtegrundes verlangen, da jedenfalls alle konkret dargelegten Härtegründe bei Annahme der vor Ablauf der Kündigungsfrist angebotenen Alternativwohnung nicht relevant gewesen wären. Darauf, dass die Klagepartei auch nach Ablauf der Kündigungsfrist einen Wohnungstausch zwischen der Beklagten und dem Zeugen … angeboten hatte und dies letztlich gescheitert ist, kommt es nicht an, da zu diesem Zeitpunkt keine Pflicht der Vermieter mehr bestand, der Beklagten noch eine Alternativwohnung anzubieten.

I. Die Kündigung vom 27.02.2019 hat das Mietverhältnis zum 29.02.2020 beendet, weil sie formell und materiell wirksam ist.

1. Zwischen der Klägerin und der Beklagten bestand ein wirksamer Wohnraummietvertrag vom 01.01.1989 über die streitgegenständliche 3-Zimmer-Wohnung im 3. OG Mitte im Haus … München. Die Beklagte war aufgrund dieses Mietvertrags zuletzt zur Zahlung einer Teilinklusivmiete von 370,91 € zzgl. Treppenreinigungspauschale von 10,00 € pro Monat verpflichtet.

2. Die Kündigung vom 27.02.2019 wahrt die gemäß § 568 Abs. 1 BGB erforderliche Schriftform und lässt den Kündigungsgrund, insbesondere die im Bereich der Eigenbedarfskündigung als sog. Kerntatsachen zu bezeichnenden Umstände hinreichend erkennen, § 573 Abs. 3 S. 1 BGB (BGH NJW 2014, 2102). Die Klägerin war auch zur Kündigung als Vermieterin aktivlegitimiert.

3. Die Kündigung vom 27.02.2019 ging direkt der Beklagten zu, § 130 Abs. 1 S. 1 BGB.

4. Den Klägern stand auch materiell ein erforderlicher Kündigungsgrund in Form des sog. Eigenbedarfs zur Seite.

a) Nach § 573 Abs. 1 S. 1 BGB kann der Vermieter nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt nach § 573 Abs. 2 S. 2 BGB insbesondere dann vor, wenn der Vermieter die Räume für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt (BGH, NJW 2010, 3775).

Dabei genügt es, wenn der Vermieter die ernsthafte Absicht, die Räume selbst als Wohnung zu nutzen oder dem Angehörigen zu überlassen darlegt und wenn diese Absicht auf vernünftigen Erwägungen beruht (Blank/Schmidt-Futterer, Mietrecht, 14. Auflage, 2019, § 573 Rn. 42).

b) Der von der Klägerin für ihren Enkel, den Zeugen … und dessen Sohn … ihren Urenkel geltend gemachte Wohnbedarf stellt einen grundsätzlich angemessenen Eigenbedarfsgrund dar.

Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Enkel der Klägerin gemeinsam mit seinem Sohn … die streitgegenständliche Wohnung bei Ausspruch und Zugang der Kündigung beziehen wollte und auch gegenwärtig noch beziehen will und zwar vor allem deshalb, damit der Sohn … ein eigenes Zimmer erhält, das nicht über das Durchgangszimmer, in welchem der Vater lebt, erreicht werden kann. Auch ist das Gericht davon überzeugt, dass der Sohn … aufgrund seines Alters und seiner Entwicklung ein eigenes Zimmer benötigt, das vom übrigen Wohnbereich abgegrenzt ist. Diese Notwendigkeit haben die Zeugen … und … im Beweistermin vom 27.10.2020 nachvollziehbar dargelegt.

Für die Überzeugungsbildung des Gerichts gelten gemäß § 286 ZPO die folgenden Grundsätze: Eine Tatsache ist erst dann zur Überzeugung des Gerichts bewiesen, wenn das Gericht von der Wahrheit der jeweiligen bestrittenen Tatsache überzeugt ist. Ein bloßes Glauben, Wähnen, Fürwahrscheinlichhalten berechtigen den Richter hingegen nicht zur Bejahung eines streitigen Tatsachenvortrags, wobei objektive Wahrscheinlichkeitserwägungen allenfalls Grundlage und Hilfsmittel für die Überzeugungsbildung des Richters sein können. Zwingend hinzukommen muss die subjektive persönliche Entscheidung des Richters, ob er die strittige Tatsachenbehauptung als wahr erachtet hat (BGH NJW 2014, 71; Zöller, ZPO, 32. Auflage 2018, § 286 Rn. 18). Andererseits ist mehr als eine subjektive Überzeugung des Richters zum Beweis einer strittigen Tatsachenbehauptung auch nicht erforderlich. Absolute Gewissheit zu verlangen, hieße die Grenze menschlicher Erkenntnisfähigkeit zu ignorieren. Dass die Sachverhaltsfeststellung durch das Abstellen auf ein persönliches Überzeugtseins mit subjektiven Einflüssen belastet wird, ist im Bereich menschlichen Richtens zwangsläufig und unvermeidbar. Der Richter muss sich mit einer persönlichen Gewissheit begnügen, das ist eine Gewissheit, welche den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGHZ 53, 256 = NJW 1970, 946; BGH NJW 2014, 71; Zöller, ZPO, 32. Auflage 2018, § 286 Rn. 19).

Nach diesen Grundsätzen ist das Gericht überzeugt, dass die Klägerin möchte, dass ihr Enkel und Urenkel die streitgegenständliche Wohnung wie oben ausgeführt tatsächlich selbst bewohnen wollten und wollen.

aa) Die nach § 141 Abs. 3 ZPO bevollmächtigte Tochter der betagten (93-Jährigen) Klägerin gab im Rahmen ihrer informatorischen Anhörung im Termin vom 25.08.2020 glaubhaft an, ihr Neffe, der Zeuge … habe sich 2011 von seiner damaligen Lebensgefährtin, der Zeugin … getrennt. Er und seine damalige Lebensgefährtin, hätten zusammen in einer 4-Zimmer-Wohnung in Ramersdorf gewohnt. Diese hätte sich ihr Neffe aber nicht mehr leisten können. Da 2012 eine Nachbarin im Haus … gekündigt hätte, da diese zurück an den Bodensee gegangen sei, sei dann ihr Neffe in diese Wohnung eingezogen. Damals sei die Sorgerechtsregelung so gewesen, dass … bei seiner Mutter gewesen sei und der Vater, ihr Neffe, jeweils jedes zweite Wochenende ein Umgangsrecht gehabt hätte. Mitte 2013 habe die Mutter von … dann geheiratet und mit diesem Mann zwei Kinder bekommen. Diese hätten dann alle zusammen in Neuperlach gelebt. Da sei aber der Platz zu klein geworden, auch für … der dann im Jahr 2013 dauerhaft zum Vater gegangen sei. Auf Vorhalt korrigierte die Tochter der Klägerin dieses Datum auf 2018, mit dem Hinweis, dies sei zutreffend, 2013 hätte die Mutter von … neu geheiratet, und danach erst seien deren weitere beiden Kinder gekommen. Die Tochter der Klägerin gab weiter glaubhaft an, seit dieser Zeit wohne … durchgehend mit … in der Wohnung in der …. Es sei so, nach und nach sei … immer älter geworden. Für einen jetzt 14-Jährigen sei es nicht möglich, in diesem kleinen Zimmer zu wohnen.

Unter Inaugenscheinnahme der Anlage K9, welche den Grundriss der vom Zeugen … aktuell bewohnten Wohnung im 2. OG darstelle, erläuterte die Tochter der Klägerin, es sei so, dass sich das Kinderzimmer neben der Küche befinde, allerdings ohne eigenen Durchgang. D.h., das Kinderzimmer sei nur über das Wohnzimmer erreichbar, und im Wohnzimmer wohne der Vater …. Im Zuge von Corona mit Homeschooling hätte sich die ganze Situation auch nochmals verschärft. Unter Inaugenscheinnahme von Anlage K10, dem Grundriss der Wohnung der Beklagten, erläuterte die Tochter der Klägerin, dass es hier möglich wäre, dass der … Freunde empfangen könne, ohne dass man ständig durch das Wohnzimmer des Vaters gehen müsse.

bb) Der Zeuge … bekundete glaubhaft, er und die Zeugin …, die Mutter von …, hätten sich Anfang 2011 getrennt. Sie sei nach N. gezogen. Er habe noch ein Jahr in der Wohnung … gewohnt, die Wohnung sei aber zu groß und zu teuer für ihn allein gewesen. Ende 2011 sei dann in der … eine Wohnung im Haus frei geworden mit zwei Zimmern. Damals hätte es eine Umgangsregelung gegeben, wonach … zwei Wochen bei seiner Mutter und zwei Wochen bei ihm, dem Vater, gewesen sei. … sei auch bei ihm, dem Zeugen, gemeldet gewesen, da die Schule in der Nähe gewesen sei. Die Kindsmutter, die Zeugin … habe 2013/2014 geheiratet und zwei Kinder bekommen. … hätte, so der Zeuge, im März 2018 gefragt, ob er dauerhaft bei ihm, dem Zeugen, wohnen könne. Er, …, besuche seither seine Mutter sporadisch, er würde sie unregelmäßig sehen, beide würden selbstständig ausmachen, wann sie sich sehen, so der Zeuge. Auf Frage des Gerichts bekundete der Zeuge, bei der Kindsmutter hätte … sein Zimmer mit dem Baby teilen müssen. Er habe gesagt, dass er wegen des Kindes weniger gern zur Mama gehe. Die Mutter hätte das schade gefunden, sei aber damit einverstanden gewesen, dass … zum Vater ziehe. Der Zeuge legte dem Gericht das Original der Anlage K4 vor, die Vereinbarung vom 28.02.2018 und gab an, dass dies damals so fixiert worden sei. Der Zeuge gab weiter glaubhaft an, die jetzige Wohnsituation sei so, dass das Wohnzimmer ein Durchgangszimmer sei, über welches … zum Schlafzimmer komme, das sein Zimmer sei. Wegen der Pubertät gäbe es oft Reibereien. Eine Rückzugsmöglichkeit gebe es nicht. Das hätte sich in Home-office-Zeiten noch verstärkt. Es sei so, … müsse vom Badezimmer durch das Zimmer des Vaters gehen, um in sein eigenes Zimmer zu gelangen. Auch wenn Freunde von … da seien, müssten die beim Verlassen der Wohnung erst durch das Zimmer des Vaters, auch wenn dieser schlafe. Sie würden also an seinem Bett vorbei gehen. Auch wenn er, der Zeuge, seine Freundin zu Gast habe und man allein sein wolle, auch intimer, dann hätte man immer Sorge, erwischt zu werden.

Der Zeuge … ist nicht nur der Enkel der Klägerin, sondern zugleich die Bedarfsperson. Er hat daher ein erhebliches Eigeninteresse am Ausgang des Verfahrens, so dass seine Aussage besonders kritisch zu prüfen ist. Diesen gesteigerten Anforderungen wird die Aussage des Zeugen gerecht. Der Zeuge schilderte ruhig und sachlich seine Beweggründe und erläuterte die Wohnsituation sehr plastisch und teilweise auch mit sehr persönlicher und intimer Konnotation. Auch an seiner Glaubwürdigkeit bestehen keinerlei Zweifel.

cc) Die Zeugin …, die Kindsmutter von … und ehemalige Lebensgefährtin des Zeugen … gab glaubhaft an, … hätte den Wunsch geäußert, bei seinem Papa wohnen zu wollen. Im Jahr 2017 sei ihre Tochter zur Welt gekommen. … und das Neugeborene hätten sich ein Zimmer teilen müssen. Dies sei … zu doof gewesen, so die Zeugin, und er habe gesagt, dass er beim Papa wohnen wolle. Seit März 2018 würde, so die Zeugin, … bei seinem Vater wohnen. Der Umgang mit ihr, der Mutter, sei nicht geregelt, das sei nur in der Anfangszeit so gewesen. Jetzt würde man sich treffen, wie es gerade passe. Unter Vorlage von Anlage K4 im Original, der Vereinbarung vom 28.02.2018, bestätigt die Zeugin, diese Vereinbarung getroffen zu haben. Sie gab an, man habe das damals dokumentieren wollen.

Die Angaben der Zeugin sind glaubhaft und die Zeugin ist für das Gericht glaubwürdig. Auch ihre Angaben, warum die Vereinbarung zum gewöhnlichen Aufenthalt von … Anfang 2018 geschlossen wurde, sind überzeugend. Es ist durchaus üblich, dass Paare, die sich trennen, dies auch ohne Familiengericht so fixieren.

dd) Nach der durchgeführten Beweisaufnahme hat das Gericht nicht den geringsten Zweifel, dass vorliegend die Klägerin die streitgegenständliche Wohnung infolge des geeigneten Zuschnitts für ihren Enkel und dessen Sohn benötigt. Die Tochter der Klägerin sowie die beiden Zeugen haben sehr eindrücklich dargelegt, dass zwingend eine Änderung der Wohnsituation erforderlich ist, damit sich vor allem der Urenkel … altersgerecht entwickeln kann. Wie man ernsthaft bestreiten kann, dass ein 12- oder 14-Jähriger alters- und entwicklungsbedingt den Wunsch nach Rückzugsmöglichkeiten und Privatsphäre habe, bleibt für das Gericht allerdings ein Rätsel.

Der Wunsch der Klagepartei jedenfalls beruht bei Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls auf „vernünftigen und nachvollziehbaren Gründen“. Diesen nachvollziehbaren Eigennutzungswunsch hat das Gericht von Verfassungs wegen zu akzeptieren.

II. Ein Anspruch der Beklagten auf Fortsetzung des Mietverhältnisses besteht nicht. Die Klagepartei hatte der Beklagten zwischen Ausspruch der Kündigung und Ablauf der Kündigungsfrist eine Alternativwohnung im selben Haus angeboten, welche der Beklagten zumutbar gewesen wäre. Die Beklagte hatte sich zu diesem Angebot überhaupt nicht geäußert und es somit grundlos abgelehnt. Sie kann sich daher nicht auf Härtegründe berufen, welche bei Annahme der Alternativwohnung obsolet geworden wären (§ 242 BGB). Rechtsfolge einer unbegründeten Ablehnung einer Alternativwohnung ist damit, dass die Mietpartei die Berufung auf jene Härteeinwände verliert, die mit der Annahme der zumutbaren Alternativwohnung gar nicht eingetreten wären. Denn es wäre rechtsmissbräuchlich, dem Vermieter Härtegründe vorhalten zu können, die der Mieter durch seine unbegründete Ablehnung einer zumutbaren Alternativwohnung selbst herbeigeführt hat. Daran ändert auch nichts, dass der BGH seine Rechtsprechung auf Seiten des Vermieters dahingehend konkretisiert hat, dass ein Verstoß gegen die Anbietpflicht auf Seiten des Vermieters nicht zur Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung führen kann, sondern nur zu einem Schadensersatzanspruch auf Geldersatz nach §§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB (BGH NZM 2017, 111; ausführlich dazu Bub/Treier/Fleindl, 5. Aufl. 2019, Kap IV Rn. 149).

a) Alternativwohnung im Zeitraum zwischen Ausspruch der Kündigung und Ablauf der Kündigungsfrist:

Die Pflicht des wegen Eigenbedarfs kündigenden Vermieters, dem Mieter bis zum Ablauf der Kündigungsfrist eine vergleichbare, im selben Haus oder in derselben Wohnanlage liegende Wohnung, die vermietet werden soll, anzubieten, beschränkt sich auf Wohnungen, die dem Vermieter zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung stehen (BGH NZM 2008, 642). Dies lässt sich damit begründen, dass das Mietverhältnis dann beendet ist und bei einem beendeten Vertragsverhältnis keine nachvertragliche Treuepflicht des Vermieters gegenüber dem Mieter mehr besteht (BGH NZM 2008, 642, 643). Ein weiterer Grund für eine Begrenzung der Anbietpflicht bis zum Zeitpunkt des Wirksamwerden der Kündigung liegt darin, dass mit einer zeitlichen Ausdehnung der Anbietpflicht bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsprozesses oder gar bis zum Auszug ein falscher Anreiz für den Mieter gesetzt würde, den Rechtsweg in der Hoffnung, dass der Eigenbedarf zwischenzeitlich entfallen könnte, in jedem Fall auszuschöpfen, selbst wenn die Berechtigung des Eigennutzungswunsches des Vermieters erkannt wird (Milger, NZM 2014, 769, 776).

Die Anbietpflicht selbst folgt als vertragliche Nebenpflicht aus § 241 Abs. 2 BGB (Bub/Treier/Fleindl, 5. Aufl. 2019, Kap IV Rn. 148). Hierbei muss der Vermieter die Alternativwohnung zu marktgerechten Konditionen anbieten. Dies bedeutet, dass er nur eine ortsübliche Neuvertragsmiete fordern kann, die er auch von einem Dritten verlangen würde. Auch muss der Vermieter den Mieter über Größe, Ausstattung und Beschaffenheit der Ersatzwohnung informieren und ihm die wesentlichen Vertragsdaten mitzuteilen (Bub/Treier/Fleindl, 5. Aufl. 2019, Kap IV Rn. 148). Dieser Pflicht war die Klägerin nachgekommen. Bereits mit Scheiben vom 29.03.2019, zugegangen am 29.03.2019, hatte die Klägerin der Beklagten eine Alternativwohnung im 4. OG links im selben Anwesen angeboten, bestehend aus 2 Zimmern, 1 Bad, 1 Küche und einer Diele/Flur mit einer Fläche von ca. 55 Quadratmetern. Die Vermieterseite hatte bei diesem Vertragsangebot sogar die für den Mieter sehr günstige Mietstruktur des alten Mietvertrages beibehalten und einen Vertragsbeginn zum 01.07.2019 mit einer monatlichen Teilinklusivmiete von 640 € zzgl. 10,00 € Pauschale für die Treppenreinigung angeboten. Nach Mietspiegel München 2019 läge beim vorliegenden Altbau Baujahr 1901 allein eine Nettokaltmiete mit Lagenzuschlag ohne weitere Zu- und Abschläge bereits bei 711,15 € (12,93 € x 55 qm). Das Gericht hält die angebotene Wohnung auch für vergleichbar, auch wenn sie etwas kleiner ist. Grundsätzlich darf die Mietpartei ihren Wohnbedarf nach ihren eigenen Vorstellungen und im Rahmen ihren finanziellen Möglichkeiten selbst bestimmen. Da die Beklagte keine besonderen nachvollziehbaren und mit Tatsachen untermauerte Wünsche oder Umstände vorgetragen hat, die eine Wohnung derselben Größe und Ausstattung erforderlich machen, ist davon auszugehen, dass Vergleichbarkeit im konkreten Fall vorliegt, wenn der Grundstandard der bisherigen Wohnung mit dem Grundstandard der Alternativwohnung annähernd übereinstimmt. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn die Alternativwohnung bis zu 35 Prozent kleiner oder größer ist (vgl. BGH NJW 2010, 3775, wonach eine Vergleichbarkeit einer frei werdenden Zwei-Zimmer-Wohnung von circa 60 m2 mit der gekündigten Ein-Zimmer-Wohnung von circa 40 m2 Größe nicht von vornherein ausgeschlossen ist). So liegt der Fall hier, so dass seitens der Klägerin mit Schreiben vom 29.03.2019 eine angemessene Vergleichswohnung tatsächlich angeboten worden war.

Die Beklagte hat auf dieses Schreiben nicht reagiert. Auf Frage des Gerichts im Termin vom 25.08.2020, warum die Beklagte auf das Angebot der Klagepartei nicht reagiert habe, gab sie zu Protokoll, sie habe sich die Wohnung angeschaut, selber bei der Nachbarin geklingelt, und habe festgestellt, dass die Wohnung zu laut für sie sei, da sie nach vorne zur Straße hinaus gehe. Sie habe es der Klagepartei nicht mitgeteilt, da die Klagepartei aus ihrer Sicht gewusst habe, dass sie, die Beklagte, lärmempfindlich sei.

Diese Begründung ist unbehelflich. Abgesehen davon, dass es schlicht unhöflich ist, auf ein konkretes Alternativangebot des Vermieters überhaupt nicht zu reagieren – was das Gericht jedoch nicht zu bewerten hat – ist es auch rechtlich relevant, denn: Selbst wenn der Vermieter die Wohnung zu unangemessenen Bedingungen anbieten würde, aber zugleich zum Ausdruck brächte, dass er verhandlungsbereit sei, darf der Mieter solche Verhandlungen nicht ablehnen; er muss Gegenvorschläge machen (Schmidt-Futterer/Blank, 14. Aufl. 2019, BGB § 573 Rn. 131). Dies beruht auf der Erwägung, dass die Anbietpflicht letztlich auf dem Partnerschaftsgedanken beruht; deshalb muss der Mieter an einer möglichen Lösung partnerschaftlich mitwirken. Lehnt der Mieter die Aufnahme von Verhandlungen ab, so kann die Wohnung anderweitig vermietet werden. Gleiches gilt, wenn der Mieter die Verhandlungen ohne hinreichenden Grund abbricht (Schmidt-Futterer/Blank, 14. Aufl. 2019, BGB § 573 Rn. 131).

Der Einwand, dass die Alternativwohnung verglichen mit der bisherigen infolge des Straßenlärms zu laut sei, ist nicht ansatzweise nachvollziehbar: Unstreitig befinden sich beide Wohnungen im selben Haus, die Alternativwohnung sogar noch ein Stockwert höher. Unstreitig wurden im Anwesen im Jahr 2002 neue Fenster eingebaut. Dass man bei geöffnetem Fenstern in der Innenstadt in der Nähe des … Straßenlärm hören kann, liegt in der Natur der Sache; dies muss sowohl im 3. als auch im 4. Stock gleichermaßen der Fall sein, da die Schallwellen ihrer physikalischen Bestimmung folgend keinen Bogen um den dritten Stock machen, und explizit vor dem dritten Stock auch kein isoliertes Schallhindernis vorhanden ist. Das Gericht hat im Termin vom 25.08.2020 mit den Parteien erörtert, dass das Gericht ortskundig ist und dies offengelegt: Die verkehrsträchtige …, die seit einiger Zeit Zone 30 ist, wird zu großen Teilen abgeschirmt durch den Gebäudekomplex …. Die … ist auf dieser Höhe sogar eine Einbahnstraße. Besondere Umstände dafür, dass der Straßenlärm im 4. Stock signifikant höher ist als im 3. Stock, sind nicht erkennbar und auch nicht substantiiert vorgetragen. Ebenso ist nicht glaubhaft, dass sich die Beklagte in ihrer jetzigen Wohnung hauptsächlich in dem kleinen Zimmer aufhält, das zum Hof hinaus geht. Die Einwände der Beklagten entbehrten nach Auffassung des Gerichts jeglicher Substanz und waren erkennbar nur darauf gerichtet, irgendwie zu verhindern, in eine andere Wohnung im selben Haus umziehen und einen höheren Mietzins zahlen zu müssen.

Für das Gericht steht somit fest, dass die Beklagte ohne Grund und ohne sich und der Klagepartei die Möglichkeit einer Nachverhandlung zu ermöglichen, die Alternativwohnung im 4. OG abgelehnt hat. Damit fallen sämtliche Härtegründe weg, die mit einem nun erforderlichen Auszug virulent werden könnten: Weder kann sich die Beklagte auf § 574 Abs. 2 BGB berufen, denn sie hätte einen Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen im selben Anwesen erhalten. Auch die feste Verwurzelung im Wohnungsumfeld wäre nicht ansatzweise tangiert. Noch kann sich die Beklagte auf gesundheitliche Aspekte berufen: Ob ihr ein Umzug in ein anderes Anwesen im selben oder einem anderen Stadtteil zumutbar ist, muss nicht mehr geklärt werden, denn die Beklagte hatte keine erheblichen Gründe vorgetragen, dass ihr ein Umzug vom 3. in den 4. Stock im selben Anwesen unzumutbar gewesen wäre, allein hierauf kommt es aber an. Denkbar, warum ein Umzug im selben Haus in eine andere Wohnung nicht zumutbar sei, käme etwa bei einem Mieter in Betracht, der an Demenz leidet und sich ausschließlich nur noch in seiner Wohnung zurechtfindet. Diese oder eine vergleichbare Konstellation hat die Beklagte nicht vorgetragen. Das Gericht hatte auch nach zwei Verhandlungen an unterschiedlichen Tagen nicht ansatzweise den Eindruck, dass der Beklagten ein Umzug im Haus nicht zumutbar wäre. Die vorgelegten Atteste vom 05.11.2019 und vom 06.11.2019 sind trotz Ausstellung durch zwei verschiedene Ärzte nahezu inhaltsgleich und völlig ohne Aussagekraft. Der Satz, die Patientin sei dauerhaft nicht umzugsfähig, ohne Einbettung in eine Diagnose und ohne Differenzierung zwischen einem Umzug im selben Haus oder einem Umzug von mehreren hundert Metern oder Kilometern, deutet sehr auf ein Gefälligkeitsattest hin. Es genügt jedenfalls, sobald eine adäquate Alternativwohnung angeboten wurde, nicht mehr, lediglich kund zu tun, man sei krank und könne nicht umziehen. Der Mieter muss sich schon die Mühe machen darzulegen, warum ihm ein Umzug im selben Haus ein Stockwerk höher nicht möglich sei. Diese Atteste hätten, wenn es darauf angekommen wäre, auch keinerlei Anknüpfungstatsachen für ein Sachverständigengutachten gegeben. Ausforschungsbeweise führt das Gericht ohnehin nicht durch.

b) Tauschwohnung im Zeitraum nach Ablauf der Kündigungsfrist.

Zwar kann sich unter Umständen die Anbietpflicht auch gerade auf die durch den Umzug des Vermieters freiwerdende Wohnung erstrecken (Wohnungstausch; Bub/Treier/Fleindl, 5. Aufl. 2019, Kap IV Rn. 148). Dies gilt aber ebenfalls grundsätzlich nur bis zum Zeitpunkt des Wirksamwerden der Kündigung. Nur im Einzelfall sind Ausnahmen zu dieser zeitlichen Grenze denkbar, wenn dies unter dem Gesichtspunkt der Einzelfallgerechtigkeit erforderlich ist (Milger NZM 2014, 769, 776). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier jedoch eindeutig nicht vor: Der Beklagten war eine zumutbare Alternativwohnung sehr zeitig angeboten worden. Dies hätte ermöglicht, dass der Zeuge mit seinem Sohn bereits vor mehr als einem Jahr in eine für ihn entwicklungs- und altersgerechte Wohnsituation hätte wechseln können. Die Beklagte dagegen hat bis zuletzt den Eigenbedarf bestritten, selbst im Beweistermin hat sie den Zeugen … am Ende der Vernehmung über ihre Anwältin fragen lassen, warum man den … so selten im Treppenhaus sehe, was der Zeuge damit begründete, dass der … um 07:30 Uhr zur Schule gehe und nach 16:00 Uhr nach Hause komme und dann meistens in seinem Zimmer wäre. Es gibt keinen vernünftigen Grund, warum die Beklagte bei dieser Sachlage einen rechtlichen Anspruch auf die Tauschwohnung nach dem Zeitpunkt des Wirksamwerden der Kündigung haben sollte. Die Angebote und Bemühungen der Klagepartei hierzu waren rein freiwillig. Auf die Frage, warum die Verhandlungen über den Wohnungstausch (Wohnung Zeuge … 2. OG gegen Wohnung der Beklagten) letztlich scheiterten, und ob 400 € oder 600 € an Mietzins für die Tauschwohnung angemessen wären oder ob die Tauschwohnung 55 qm oder 65 qm misst, kommt es daher nicht an.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihrer Grundlage in §§ 708 Nr. 7, 711 ZPO.

V. Die Entscheidung hinsichtlich Ziffer 4 beruht auf § 721 ZPO. Unter Abwägung der gegenseitigen Interessen ist der Beklagten eine Räumungsfrist bis 31.03.2021 einzuräumen. Dabei ist zu Gunsten der Beklagten zu berücksichtigen, dass das Mietverhältnis sehr lange gedauert hat und sie nach ihren Angaben gesundheitlich angeschlagen ist (was gesondert bei § 721 ZPO zu berücksichtigen ist). Zu ihren Gunsten ist massiv einzustellen, die sich derzeit wieder stark zuspitzende Corona-Lage, die es schwieriger erscheinen lässt, Ersatzwohnraum zu finden. Zwar könnte man auch hier einwenden, hätte die Beklagte die Alternativwohnung angenommen, müsste sie jetzt in Corona-Zeiten keinen Ersatzwohnraum suchen. Allerdings greift dieser Einwand nicht durch, da die Corona-Pandemie Anfang des Jahres 2019 noch nicht absehbar war. Dennoch ist zu ihren Lasten weiter zu berücksichtigen, dass die Kündigungsfrist bereits seit mindestens 29.02.2020 abgelaufen ist, und die Obliegenheit, nach Ersatzwohnraum zu suchen spätestens mit Ablauf der Kündigungsfrist begann, also hier bereits mit dem 01.03.2020; nach ihrem eigenen Bekunden hat die Beklagte erst Ende September 2020 mit der Suche nach Ersatzwohnraum auf dem freien und geförderten Markt begonnen. Zugunsten der Klägerin ist vor allem deren Grundrecht auf Eigentum einzustellen. Insgesamt erscheint eine Räumungsfrist von rund fünf Monaten angemessen, insbesondere, da die Sozialbindung des Eigentums eben auch umfasst, in Pandemie-Zeiten etwas starker zurückstehen zu müssen. Es ist daher der Klagepartei zumutbar, dass die Bedarfspersonen noch einige Monate in der alten Wohnsituation verbringen.

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