Beschlussfassung und Umgestaltung: Konflikte im WEG-Recht aufgedeckt
In rechtlichen Auseinandersetzungen innerhalb einer Wohnungseigentumsgemeinschaft steht oft das WEG-Recht im Fokus. Ein zentrales Thema dabei sind bauliche Veränderungen und die Frage, ob diese eine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage darstellen.
Hierbei spielen Aspekte wie die Beschlussfassung in der Eigentümerversammlung, die Einhaltung von Brandschutzvorschriften und die Regelungen in der Gemeinschaftsordnung eine entscheidende Rolle. Oft führen solche Situationen zu einem Rechtsstreit, in dem geklärt werden muss, ob die vorgenommenen Änderungen im Einklang mit dem geltenden Recht stehen und ob eine Beschlussersetzung erforderlich ist.
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✔ Das Wichtigste in Kürze
Das Gericht entschied, dass die vorgenommenen baulichen Veränderungen in der Wohnungseigentumsgemeinschaft keine grundlegende Umgestaltung darstellen und somit zulässig sind.
Die zentralen Punkte aus dem Urteil:
- Der Kläger, ehemaliger Alleineigentümer des Grundstücks, hatte eine Wohnanlage errichtet und blieb Eigentümer einer Teileigentumsfläche im Kellergeschoss.
- Die Eigentümerversammlung lehnte einen Antrag auf bauliche Veränderungen ab, was zu einem Rechtsstreit führte.
- Der Kläger argumentierte, dass die Ablehnung des Antrags ordnungsgemäßer Verwaltung widerspreche und Abstandsflächen nicht eingehalten würden.
- Das Gericht stellte fest, dass keine grundlegende Umgestaltung vorliegt, da nicht in die statische Grundsubstanz eingegriffen wurde.
- Baurechtliche Gründe standen den baulichen Veränderungen nicht entgegen und das Stadtbauamt hatte keine Abweichungen festgestellt.
- Der Rückbauantrag des Klägers wurde als zu unbestimmt und weit gefasst betrachtet.
- Das Gericht betonte, dass die Beschlussfassung ordnungsgemäßer Verwaltung entsprach und keine greifbaren Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen Brandschutz oder Abstandsflächen vorlagen.
- Es wurde festgestellt, dass die baulichen Veränderungen nicht zu einer faktischen Sondernutzung führten und die Beschlussfassung im Einklang mit der aktuellen Rechtslage stand.
Übersicht
Konflikt in der Wohnungseigentumsgemeinschaft
Im Zentrum des vorliegenden Falls steht eine rechtliche Auseinandersetzung im Kontext des WEG-Rechts, bei der es um bauliche Veränderungen in einer Wohnungseigentumsgemeinschaft geht. Der Kläger, ein vormaliger Alleineigentümer des Grundstücks, hatte eine Wohnanlage errichtet und die Wohnungs- und Teileigentumseinheiten veräußert, wobei er Eigentümer einer Teileigentumsfläche im Kellergeschoss blieb. Die Streitigkeit entzündete sich an Beschlüssen, die auf einer Eigentümerversammlung gefasst wurden, und betraf insbesondere die Ablehnung eines Antrags zu baulichen Veränderungen sowie die Frage, ob eine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage vorliegt.
Rechtliche Herausforderungen und Argumente
Die rechtliche Herausforderung in diesem Fall ergibt sich aus der Frage, ob die vorgenommenen baulichen Veränderungen, darunter eine Glasüberdachung, eine Trennwand und Bodenplatten, eine grundlegende Umgestaltung darstellen und ob sie im Einklang mit der ordnungsgemäßen Verwaltung stehen. Der Kläger argumentierte, dass die Ablehnung des Antrags zu den baulichen Veränderungen ordnungsgemäßer Verwaltung widerspreche und dass Abstandsflächen nicht eingehalten würden.
Entscheidungen des Gerichts
Das Gericht entschied, dass keine grundlegende Umgestaltung vorliege, da nicht in die statische Grundsubstanz eingegriffen werde. Baurechtliche Gründe stünden der baulichen Veränderung nicht entgegen und das Stadtbauamt habe keine Abweichungen vom Bebauungsplan festgestellt. Der Rückbauantrag sei zu unbestimmt und der Sachvortrag zum Brandschutz sowie zu den Abstandsflächen sei nicht ausreichend substantiiert. Zudem habe der Kläger keinen Anspruch auf Beschlussersetzung hinsichtlich einer Beseitigung der baulichen Veränderungen.
Fazit und Auswirkungen des Urteils
Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass die baulichen Veränderungen nicht die Nutzungsmöglichkeiten der Miteigentümer in relevanter Weise einschränkten und dass keine greifbaren Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen Brandschutz oder Abstandsflächen vorlagen. Zudem wurde betont, dass die Beschlussfassung ordnungsgemäßer Verwaltung entsprach und dass eine Ermessensreduzierung auf Null bezüglich eines Beseitigungsanspruchs nicht gegeben sei.
Weitere wichtige Informationen betreffen die Auslegung von abweichenden Altvereinbarungen gemäß § 47 WEG und die Frage des faktischen Sondernutzungsrechts. Das Gericht stellte fest, dass die baulichen Veränderungen nicht zu einer grundlegenden Umgestaltung der Wohnanlage führten und dass die Beschlussfassung im Einklang mit der aktuellen Rechtslage stand.
Das Fazit des Urteils ist, dass die vorgenommenen baulichen Veränderungen zulässig sind und dass der Kläger keinen Anspruch auf Beschlussersetzung hat. Das Urteil verdeutlicht die Komplexität von Entscheidungen im Rahmen des WEG-Rechts und betont die Bedeutung einer sorgfältigen Prüfung der Umstände und der geltenden Rechtsvorschriften bei baulichen Veränderungen in einer Wohnungseigentumsgemeinschaft.
✔ Wichtige Begriffe kurz erklärt
WEG-Recht & Umgestaltung: Wann ist sie grundlegend?
Das WEG-Recht (Wohnungseigentumsgesetz) in Deutschland regelt unter anderem die baulichen Veränderungen an einer Wohnanlage. Eine grundlegende Umgestaltung ist dabei ein zentraler Aspekt, der in § 20 Abs. 4 WEG definiert ist. Nach diesem Paragraphen dürfen bauliche Veränderungen nicht beschlossen und können nicht verlangt werden, wenn sie zu einer grundlegenden Umgestaltung der Wohnanlage führen oder einzelne Wohnungseigentümer gegenüber anderen unbillig benachteiligen.
Die Frage, ob eine bauliche Veränderung die Wohnanlage grundlegend umgestaltet, bedarf stets einer Einzelfallbetrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls. Eine Umgestaltung gilt als grundlegend, wenn sie der Wohnungseigentumsanlage als Ganzes unter Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls ein neues „Gepräge“ gibt. Dies kommt selten in Betracht, wenn sich die Umgestaltung nur auf einen Teil der Anlage erstreckt.
Beispielsweise kann der Anbau eines Außenaufzugs an ein Jugendstilgebäude als grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage angesehen werden, wenn dadurch die Fassade erheblich umgestaltet wird. Eine grundlegende Umgestaltung würde auch vorliegen, wenn das im Villenstil errichtete Gebäude zu einem Bauhausobjekt umgestaltet oder der parkähnlich angelegte Außenbereich Kfz-Stellplätzen weichen würde.
Andererseits ist von einer grundlegenden Umgestaltung nicht auszugehen, wenn der optische Gesamteindruck nachteilig verändert wird oder ein uneinheitlicher Gesamteindruck entsteht. Das ist der Fall, wenn beispielsweise nur einzelne Balkone an der Front eines Hauses, nicht aber alle verglast werden oder beim Bau von Dachgauben in einer vorhandenen Dachgeschosswohnung die Symmetrie des Hauses nicht eingehalten wird.
Jede Maßnahme zur baulichen Veränderung bedarf eines formellen Beschlusses im Rahmen der Eigentümerversammlung. Ein Mehrheitsbeschluss über bauliche Veränderungen, die einen Wohnungseigentümer in unbilliger Weise benachteiligen, kann nicht gefasst werden.
Die Rechtsprechung wird künftig die entsprechenden Voraussetzungen für das Kriterium einer grundlegenden Umgestaltung der Wohnanlage ausarbeiten müssen.
Das vorliegende Urteil
LG München I – Az.: 1 S 5647/22 – Urteil vom 21.12.2022
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des … vom 01.04.2022, Az. …, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts Günzburg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in die Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
I.
Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird zunächst gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die erstinstanzliche Entscheidung Bezug genommen. Ergänzend wird Folgendes festgestellt:
Der Kläger war vormaliger Alleineigentümer des Grundstücks der beklagten Wohnungseigentumsgemeinschaft. Er plante und errichtete die streitgegenständliche Wohnanlage und veräußerte die Wohnungs- und Teileigentumseinheiten im Anschluss, wobei er Eigentümer einer Teileigentumsfläche im Kellergeschoss geblieben ist. Sein Miteigentumsanteil beträgt 2/1000.
Auf der Eigentümerversammlung vom 29.07.2021 wurden folgende streitgegenständliche Beschlüsse gefasst:
„Tagesordnungspunkt 11
Antrag Eheleute …
Antrag: Die Wohnungseigentümergemeinschaft … genehmigt die von den Sondereigentümern der im zweiten OG des Objekts … Wohnung Nummer … (Einheit … laut Aufteilungsplan) vorgenommene bauliche Veränderung in Form der Überdachung/Einglasung, sowie Abtrennung zur Wohnung Nummer … (s. Beigefügte Lichtbilder). Diese bauliche Veränderung ist bereits durch sämtliche Sondereigentümer, bis auf einen Teileigentümer, genehmigt worden. Auch die Zustimmung gemäß Teilungserklärung § 9 des Verwalters wurde erklärt.
Abstimmung: 913,6 Ja-Stimmen, 14,4 Nein-Stimmen, 2 Enthaltungen
Beschlussantrag angenommen.
(…)
Tagesordnungspunkt 14
Antrag Herr …
Antrag: Antrag des Eigentümers Herrn … auf Geltendmachung der Beseitigungsansprüche der Wohnungseigentümergemeinschaft gegen Herrn … und Frau … wegen rechtswidriger baulicher Veränderung.
Abstimmung: 14,4 Ja-Stimmen, 913,6 Nein-Stimmen, 2 Enthaltungen Beschluss Antrag abgelehnt.“
Hierzu wird ergänzend auf das Protokoll der Eigentümerversammlung, Anlag K 1 Bezug genommen.
Die Eheleute …, denen die Einheit A 12 gehört, hatten zuvor ohne Genehmigung eine Glasüberdachung samt Trennwand zur benachbarten Wohnung Nr. 7 auf Gemeinschaftseigentum angebracht. Zu den örtlichen Verhältnissen wird auf die vorgelegten Lichtbilder (Anlage K 2 und K 4) sowie den Plan (Anlage K 3) Bezug genommen. Die in diesem Plan als „Balkon“ gekennzeichnete Fläche gehört zum Sondereigentum, die davor liegende und als „Flachdach, Decke über 1. OG, Kiesschüttung“ bezeichnete Fläche steht im Gemeinschaftseigentum.
Der Eigentümer der Wohnung Nr. 7, über die die verfahrensgegenständliche Fläche grundsätzlich auch zugänglich ist, hatte der Genehmigung vorab zugestimmt.
Der Kläger beantragte erstinstanzlich:
I. Der Beschluss der ordentlichen Eigentümerversammlung 2021 der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer … in … vom 29.07.2021, Tagesordnungspunkt TOP 11 („Antrag Eheleute …“) wird für ungültig erklärt.
II. Der ablehnende Beschluss der ordentlichen Eigentümerversammlung 2021 der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer … in … vom 29.07.2021, Tagesordnungspunkt TOP 14 („Antrag Herr …“) wird dahingehend ersetzt, dass die Beseitigungsansprüche gegen Herrn … und Frau … hinsichtlich der rechtswidrigen baulichen Veränderung (Überdachung/Einglasung, Abtrennung zur Wohnung Nr. 7 sowie verlegte Bodenplatten) wie auf den der Ladung vom 01.07.2021 (Anlage K 2) beigefügten Lichtbildern ersichtlich, soweit sich diese auf Gemeinschaftseigentum befinden oder an diesem angebracht sind, durchgesetzt werden.
Hilfsweise:
Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer … in … wird verurteilt, die Beseitigungsansprüche gegen Herr … und Frau … hinsichtlich der rechtswidrigen baulichen Veränderung (Überdachung/Einglasung, Abtrennung zur Wohnung Nr. 7 sowie verlegte Bodenplatten, wie auf den der Ladung vom 01.07.2021 (Anlage K 2) beigefügten Lichtbildern ersichtlich), soweit sich diese auf Gemeinschafiseigentum befinden oder an diesem angebracht sind, durchzusetzen.
Der Kläger meint, die Beschlussfassung zu TOP 11 sei zu unbestimmt, da Lichtbilder nicht beigefügt worden seien.
Zudem fehle es an der Beschlusskompetenz. Durch den Beschluss werde den Miteigentümern der Wohnung Nr. 8 nämlich ein Sondernutzungsrecht am Gemeinschaftseigentum eingeräumt. Für die Begründung eines Sondernutzungsrechts sei es nicht notwendig, dass der Beschlusswortlaut dieses explizit einräumt; es sei vielmehr ausreichend, wenn einem Eigentümer durch Beschluss die Möglichkeit eingeräumt wird, auf Dauer im Gemeinschaftseigentum stehende Flächen unter Ausschluss der übrigen Eigentümer zu nutzen. Dies bedürfe einer Vereinbarung.
Der Beschluss zu TOP 11 widerspreche außerdem ordnungsgemäßer Verwaltung. Zu Unrecht sei das Amtsgericht insofern von der Anwendbarkeit des § 21 Abs. 1 WEG (n.F.) ausgegangen.
Es gelte insoweit vielmehr weiter § 9 Ziffer 1 der GO. Danach sind bauliche Veränderungen, die nur einem einzelnen Eigentümer zugute kommen, nur dann zulässig, wenn alle Eigentümer zustimmen, deren Rechte über das in § 14 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt sind. Diese Regelung gehe über § 22 WEG a.F. hinaus und sei daher gemäß § 47 WEG ausdrücklich zu berücksichtigen. Der Kläger habe nicht zugestimmt.
Außerdem widerspreche die Überlassung einer gemeinschaftlichen Fläche ohne Gegenleistung und unter teilweiser Beibehaltung der gemeinschaftlichen Kostentragungslasi ordnungsgemäßer Verwaltung. Die Möglichkeit eines Beitritts zur Nutzungsgemeinschaft nach § 21 Abs. 4 WEG sei in die Beschlussfassung nicht einbezogen worden. Auch sei es nicht Intention des WEMoG gewesen, eine Änderung der Zweckbestimmung durch Beschluss möglich zu machen.
Der Beschluss sei zudem für ungültig zu erklären, da er nicht die vollständige bauliche Veränderung erfasse und damit auch die Kostenlastfolge nicht vollständig auslöse. So erfasse er seinem Wortlaut nach nicht die auf dem Gemeinschaftseigentum verlegten Bodenplatten. Die Beschlussfassung sei daher ermessensfehlerhaft, da noch nicht mal eine Diskussion oder Ermessensausübung ersichtlich sei, wieso eine differenzierte oder auch nur eine Teil-Beschlussfassung erfolge. Allein die Gefahr einer Nutzungserhöhung begründe einen Nachteil im Sinn des § 14 Nr. 1 WEG a.F. indem die Bodenplatten bei der Beschlussgenehmigung ausgeklammert worden seien, liege die Kostenlast weiter bei der Gemeinschaft. Die gleichzeitige Ablehnung der Beseitigung entspreche nicht ordnungsgemäßer Verwaltung. Dies bevorzuge die Eheleute Renner unbillig nach § 20 Abs. 4 WEG.
Die baulichen Veränderungen stellten außerdem eine grundlegende Umgestaltung im Sinne von § 20 Abs. 4 2. Halbsatz WEG n.F. dar. Es werde der prägende Charakter der terrassenartigen Errichtung aufgegeben, wodurch sich das Gesicht der Wohnanlage als Ganzes verändert habe.
Die terrassenartig freigehaltenen Flächen seien zudem bauordnungsrechtliche Vorgaben der Baugenehmigung gewesen, um Abstandsflächen einzuhalten und feuerpolizeilichen bzw. brandschutzrechtlichen Anforderungen zu genügen. Die überbauten Flächen seien als Rettungswege ausgewiesen, die offengehalten werden müssten. Eine Anleiterung müsse uneingeschränkt möglich sein. Auch würden Abstandsflächen nicht mehr eingehalten.
Die Ablehnung des Antrags zu TOP 14 widerspräche ordnungsgemäßer Verwaltung. Von einer Vorbefassung der Wohnungseigentümer sei auszugehen, auch wenn in Bezug auf die Ergänzung der Tagesordnungspunkte die Ladungsfrist nicht eingehalten worden sei. Die Beklagte sei zum Einschreiten gegen die bauliche Veränderung verpflichtet. Die Bodenplatten seien noch nicht einmal Gegenstand einer Beschlussfassung gewesen. Nach der Baubeschreibung sei im Bereich der verlegten Bodenplatten eine Kies- und Schotterfläche vorgesehen.
Die Beklagten beantragten erstinstanzlich Klageabweisung.
Die streitgegenständliche Gemeinschaftsfläche sei für alle übrigen Miteigentümer nicht zugänglich oder nutzbar. Sie dürften aber die Wohnung der Eheleute Renner jederzeit betreten, um dorthin zu gelangen. Eine grundlegende Umgestaltung bestehe insbesondere deswegen nicht, da in die statische Grundsubstanz nicht eingegriffen werde. Baurechtliche Gründe stünden der baulichen Veränderung nicht entgegen, insbesondere habe das Stadtbauamt … im Genehmigungsfreistellungsverfahren keine Abweichungen vom Bebauungsplan festgestellt und keine Einwendungen gegen das Vorhaben erhoben.
Der Rückbauantrag zu TOP 14 sei zu unbestimmt und zu weit gefasst. Es sei nicht klar, was alles zurückgebaut werden solle. Der Plattenbelag der Wohnung sei exakt so vom Kläger verkauft worden. Der Kläger selbst habe den Plattenbelag bei seinen Subunternehmern so in Auftrag gegeben.
Das Amtsgericht hat hinsichtlich der brandschutzrechtlichen Vorgaben eine Auskunft der zuständigen Baubehörde eingeholt. Demzufolge bestehen aus brandschutztechnischer Sicht keine Bedenken gegen die Glaskonstruktion vor der Wohnung
Das Amtsgericht Günzburg hat die Klage abgewiesen.
Der Beschluss sei hinreichend bestimmt, zumal andere bauliche Konstruktionen an den bezeichneten Örtlichkeiten nicht vorhanden und Lichtbilder dem Einladungsschreiben beigefügt worden seien. Ein Sondernutzungsrecht werde durch den Beschluss nicht begründet, da die Freifläche auch ohne die bauliche Veränderung nur von zwei Wohnungen aus zugänglich gewesen sei. An der Zugangs- und Nutzungsmöglichkeit verändere sich durch die genehmigte bauliche Veränderung rechtlich und tatsächlich nichts. Eine Gegenleistung müsse sich die Gemeinschaft nicht versprechen lassen.
Eine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage nach § 20 Abs. 4 WEG liege nicht vor. Das gelte umso mehr, als unstreitig ausweislich der Gemeinschaftsordnung kleine bauliche Veränderungen wie zum Beispiel Werbeschilder, aber auch Markisen an Balkonen und Überdachungen von Terrassen ausdrücklich zulässig seien. Anhaltspunkte für ein unzumutbares Sonderopfer des Klägers seien nicht ersichtlich. Der Kläger als Teileigentümer des Kellerabteils sei von der genehmigten Maßnahme nicht mehr betroffen als die anderen Wohnungseigentümer.
Dass nur ein klar abgegrenzter Teil der möglicherweise vorgenommenen baulichen Veränderungen von der Beschlussfassung betroffen sei, mache den Beschluss nicht insgesamt ermessensfehlerhaft. Auch liege insoweit keine Teilbeschlussfassung, sondern eine Beschlussfassung über Überdachung und Trennwand vor.
Der Sachvortrag zum Brandschutz und zu den angeblich nicht eingehaltenen Abstandsflächen sei nicht ausreichend substantiiert. Der Kläger zitiere keine einzige bauordnungsrechtliche Vorschrift, der die Konstruktion zuwiderlaufen solle. Nach Auskunft des Stadtbauamts bestünden keine brandschutzrechtlichen Bedenken, auch widerspreche die Baumaßnahme nicht den Vorgaben des gültigen Bebauungsplans.
Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Beschlussersetzung hinsichtlich einer Beseitigung der baulichen Veränderungen, weil die Glasüberdachung und die Trennwand zulässigerweise genehmigt worden seinen und hinsichtlich der Bodenplatten noch keine Vorbefassung stattgefunden habe. Es sei auch nicht davon auszugehen, dass eine Ermessensreduzierung auf Null hinsichtlich eines Beseitigungsanspruches bestehe.
Gegen dieses nicht vor dem 21.04.2021 zugestellte Urteil hat der Kläger mit am 15.05.2021 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Mit der Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlich gestellten Anträge weiter.
Er meint, den Eigentümern der Wohnung Nr. 8 werde ein Sondernutzungsrecht an der im Gemeinschaftseigentum stehenden Kiesaufschüttung vor ihrem Balkon gewährt, da die Fläche nunmehr ausschließlich von ihrer Wohnung aus zugänglich sei. Der Beschluss führe daher für die übrigen Wohnungseigentümer zu einem dauerhaften Entzug eines Mitgebrauchsrechts. Selbst wenn eine Fläche ausschließlich über eine einzelne Wohnung zugänglich sei, rechtfertige dies noch kein Recht zur alleinigen Nutzung; dies gelte selbst dann, wenn die Fläche mit Ausnahme von Kontrollen und Reparatur normalerweise anderweitig nicht begangen wird. Insofern bestehe sogar ein Mitgebrauchsrecht der übrigen Wohnungseigentümer, selbst durch das Sondereigentum hindurch, wobei lediglich die übermäßige Nutzung als erheblicher Nachteil abgewendet werden könne, ein Betreten, selbst durch das Sondereigentum hindurch, allerdings nicht. Auch die gesetzlich nunmehr vorgesehene Möglichkeit der Wiedereinräumung des Mitgebrauchs im Rahmen des § 21 Abs. 4 WEG helfe hier nicht weiter. Eine durch Beschluss getroffene Gebrauchsregelung dürfe keine dauerhafte Entziehung des Mitgebrauchsrecht zur Folge haben. Würde der Beschluss bestandskräftig, könne die vorliegende bauliche Veränderung nicht mehr beseitigt werden, sodass die Mitgebrauchsrecht am Gemeinschaftseigentum endgültig entzogen werden würden. Mit der aus der Anlage K 3 ersichtlichen Bezeichnung der verfahrensgegenständlichen Fläche als Flachdach-Kiesschüttung gehe ferner eine Zweckbestimmung einher, wodurch eine Nutzbarkeit durch eine Bebauung ausscheide.
Der Antrag zum abgelehnten Beschluss zu TOP 14 sei ausreichend dahingehend konkretisiert, dass die Beseitigung der baulichen Veränderungen der Eheleute …. abgelehnt wurde. Davon seien sämtliche nicht legitimierten baulichen Veränderungen umfasst, also auch der Plattenbelag. Das Vorbefassungsgebot sei daher erfüllt. Für den Plattenbelag liege keinen Genehmigungsbeschluss vor, weswegen diese zu beseitigen sei.
Hinsichtlich der Frage der Einräumung eines Sondernutzungsrechts oder einer sondernutzungsrechtsgleichen ausschließlichen Gebrauchsmöglichkeit mittels Beschlusses wird die Zulassung der Revision beantragt.
Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.
Sie meint, die Neuregelung des § 20 Abs. 3 WEG sehe ein Mehrheitsprinzip vor, dass dem in § 9 Abs. 1 der Teilungserklärung vorgegebenen Einstimmigkeitsprinzip vorgeht. Die Regelung in § 9 Abs. 1 sei daher gemäß § 47 WEG nicht mehr anwendbar. Ein Entzug des Mitgebrauchs könne nur dann vorliegen, wenn eine derartige Mitgebrauchsmöglichkeit überhaupt jemals gegeben gewesen sei. Auch trage der Kläger nichts dazu vor, wieso er im Verhältnis zu allen übrigen Mitgliedern unbillig benachteiligt sein soll.
Weder die Anbringung der streitgegenständlichen Terrassenüberdachung noch die Verlegung der Platten innerhalb der verjährten Zeit habe dazu gedient, ein exklusives Nutzungsrecht zugunsten der Eheleute … zu manifestieren. Es gebe dementsprechend auch keinerlei Beschluss mit dem Inhalt, dass Teile des gemeinschaftlichen Eigentums der Miteigentümer … zur alleinigen ausschließlichen Nutzung zugewiesen werden. Dies sei nicht die Intention des Beschlusses und auch nicht im Interesse der Miteigentümer der Wohnung Nr. 8, die weder dem Kläger noch den übrigen Miteigentümern das Betreten dieses Teils der Dachfläche untersagen wollten.
Ein faktischer Entzug des Mitgebrauchs könne nur dann vorliegen, wenn eine derartige Mitgebrauchsmöglichkeit überhaupt jemals bestanden habe. Dies sei jedoch nie der Fall gewesen. Auch habe kein einziger Miteigentümer in all den Jahren jemals den Dachstreifen betreten wollen. An dem nicht gegebenen Zugang ändert auch der Plattenbelag nichts. Der Miteigentümer der Nachbarwohnung habe die Plattenverlegung, die innerhalb verjährter Zeit durchgeführt worden sei, ausdrücklich gebilligt und auch im streitgegenständlichen Beschluss für die bauliche Veränderung gestimmt. Dieser Sondereigentumsnachbar habe kein Interesse an der Nutzung dieses Teilbereichs, wie auch umgekehrt der Sondereigentümer … kein Interesse daran habe, den in gleicher Weise vor der Nachbarwohnung vorhandenen gemeinschaftlichen Dachflächenstreifen seinerseits zu nutzen.
Durch die Anbringung des Plattenbelags werde auch nicht eine vereinbarungswidrige Nutzungsänderung bewirkt. Die Plattenbelegung sei auf Wunsch des Sondereigentümer … bereits im Jahr 2015 und damit noch vor der Wohnungsübergabe als Sonderwunsch gegenüber dem Kläger (der zugleich Bauträger war) erfolgt. Diese Platten entsprächen in Größe, Form und Zuschnitt auch denjenigen, die vom Kläger auf der Sondernutzungsfläche verlegt worden seien. Durch die Änderung des Belags von einer Kiesschüttung zu Platten werde die Zugänglichkeit zu diesem Bereich nicht tangiert. Es handle sich um eine bauliche Veränderung innerhalb bereits verjährter Zeit. Die klägerischen Argumente seien daher nur vorgeschoben und verstießen gegen das Schikaneverbot.
Ein Beseitigungsanspruch gegen die Miteigentümer der Wohnung Nr. 8 sei jedenfalls verjährt. Die Beklagte könne daher auch nicht als verpflichtet anzusehen sein, einen bereits verjährten Beseitigungsanspruch ohne Aussicht auf Erfolg gerichtlich geltend zu machen. Weder aus Anlass der Wohnungsübergabe an den Miteigentümer …. noch in den Jahren danach habe der Kläger jemals an den Plattenbelag Anstoß genommen. Diese Maßnahme sei dem Kläger bereits seit dem Jahr 2015 bekannt.
Die Behauptungen des Klägers zum Brandschutz und zu den Abstandsflächen seien unsubstantiiert und von Anfang an bestritten worden. Die optische Veränderung durch die Glasüberdachung sei nunmehr gesetzlich erlaubt. Auf den Willen und das ästhetische Empfinden eines einzelnen Mitglieds der WEG komme es nicht mehr an, sofern von diesen kein Sonderopfer verlangt werde. Im Übrigen gestatte die maßgebliche Gemeinschaftsordnung vergleichbare bauliche Veränderungen für einzelne Bereiche. Im Übrigen habe der Kläger auch bei der Beschlussfassung nie klargestellt, dass es bei den Beseitigungsantrag nicht nur um die Terrassenüberdachung sondern auch um die Platten gehe. Diese Konkretisierung sei erstmals erstinstanzlich erfolgt. Auch treffe es nicht zu, dass zwingend gegen jede Art von baulicher Veränderungen unabhängig davon, ob verjährt oder nicht, gerichtlich vorgegangen werden müsse.
Die Kammer hat die Akten des Verfahrens 3 C 1/20 (…) beigezogen und am 23.11.2022 mündlich zur Sache verhandelt, wobei auch der Streitwert festgesetzt wurde. Auf das Sitzungsprotokoll sowie sämtliche Schriftsätze der Parteien inklusive Anlagen wird ergänzend Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 511 Abs. 2 Nummer 1 ZPO statthafte, nach §§ 517, 519, 520 Abs. 2, Abs. 3 ZPO form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung ist zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
1. Maßstab der Gültigkeit des Beschlusses ist § 20 Abs. 1, Abs. 3 WEG. § 9 Ziffer 1 der Teilungserklärung (vgl. Beiakten Anlage B4) steht dem nicht entgegen. Soweit dort geregelt ist, dass baulichen Veränderungen, die nur einem einzelnen oder einem beschränkten Kreis von Eigentümern zugute kommen, nur mit Zustimmung aller über das gemäß § 14 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigten Eigentümer möglich sind, handelt es sich um keinen über § 22 Abs. 1 WEG a.F. hinausgehenden Regelungsgehalt. Sie entspricht vielmehr in allen entscheidungserheblichen Punkten dem Wortlaut des § 22 Abs. 1 WEG. Eine von der Rechtslage abweichende Altvereinbarung liegt daher gar nicht vor. Im Übrigen gilt zur Auslegung von abweichenden Altvereinbarungen § 47 WEG. Steht eine Altvereinbarung aufgrund einer späteren Gesetzesänderung formal in Widerspruch zur aktuellen Gesetzeslage, ist auszulegen, ob die Wohnungseigentümer tatsächlich von den Vorschriften des aktuellen WEG abweichen wollten oder die Vereinbarung – auch ohne dynamischen Verweis – auf die Vorschriften des WEG in ihrer jeweils aktuellen Fassung Bezug nehmen. Bei dieser Auslegung setzt § 47 WEG an und nimmt eine typisierende Auslegung zugunsten des neuen Rechts vor. Ein etwaiger abweichender Wille („Versteinerungswille“) muss sich aus der fraglichen Altvereinbarung selbst ergeben. § 47 S. 2 WEG flankiert die typisierende Auslegung gemäß S. 1, wonach ein solcher abweichender Wille in der Regel nicht anzunehmen ist. Der Gesetzgeber unterstellt also den Wohnungseigentümern einer Bestandsgemeinschaft, dass sie das WEG in der Fassung des WEMoG anwenden wollen, obwohl sie Wohnungseigentum erworben haben, als die Rechtslage eine substanziell andere war. Ein solcher „Versteinerungswille“ wäre hier allenfalls dann anzunehmen, wenn die Vereinbarung nach § 9 Ziffer 1 einer Beschlussfassung noch engere Grenzen setzten würde als nach damaliger Rechtslage. Woraus sich ein solcher Versteinerungswille ergeben soll, ist nicht ersichtlich. Die Teilungserklärung sah, wie die Beklagte darlegt, im Gegenteil z.B. in § 9 Ziffer 4 sogar Erleichterungen für Wintergärten udgl. vor, wenn auch womöglich nur in anderen Bereichen (Terrassen/Dachterrassen). Diese konnten allein vom Verwalter genehmigt werden. Es ist daher nicht ersichtlich, dass die fragliche Vereinbarung bauliche Veränderungen im Vergleich zur damals geltenden Rechtslage weiter erschweren wollte. Die Gesetzesreform geht über diese Erleichterungen jetzt weit hinaus, sodass nach § 47 WEG auf die neue Rechtslage abzustellen ist.
2. Der Beschluss zu TOP 11 ist auch hinreichend bestimmt. Zwar nimmt das Protokoll auf Lichtbilder Bezug, die lediglich der Einladung, nicht aber dem Protokoll selbst beigefügt waren. Allerdings sind die fraglichen Maßnahmen im Beschlusstext selbst schon ausreichend präzise beschrieben, sodass eine Beifügung von Lichtbildern zur Identifizierung der Maßnahme gar nicht notwendig gewesen wäre. Eine Auslegung des Beschlusses ergibt zudem, dass nur die der Einladung beigefügten Lichtbilder gemeint sein konnten. Beschlüsse sind „aus sich heraus“ objektiv und normativ auszulegen, ohne dass es auf die subjektiven Vorstellungen der beteiligten Wohnungseigentümer ankäme. Dabei ist von dem protokollierten Wortlaut der Beschlüsse auszugehen. Maßgebend sind Wortlaut und Sinn, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegend ergibt. Umstände außerhalb des protokollierten Beschlusses dürfen nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne weiteres erkennbar sind, weil sie sich etwa aus dem – übrigen – Versammlungsprotokoll ergeben (BGH NJW 2016, 2177; NJW 2012, 3719; ständige Rechtsprechung seit BGH NJW 1998, 3713). Zu berücksichtigen sind auch Urkunden und Schriftstücke, auf die in dem Beschluss Bezug genommen wird; darunter fallen grundsätzlich auch die der Einladung beigefügten Unterlagen (Emmerich in Bärmann, WEG 14. Auflage § 23 Rn. 65).
3. Der Beschluss ist auch nicht deswegen nichtig, weil – wie der Kläger meint – durch die Errichtung der Abgrenzung ohne Beschlusskompetenz ein faktisches Sondernutzungsrecht begründet wird.
3.1. Selbst unter Zugrundelegung der vor Inkrafttreten des WEMoG am 01.12.2020 geltenden Rechtslage wäre es verfehlt, hier von einer Nichtigkeit infolge fehlender Beschlusskompetenz auszugehen. Zwar konnten Sondernutzungsrechte bisher nur durch eine Vereinbarung i.S.v. § 10 Abs. 1 S. 2 WEG begründet werden, die in die Wohnungs- und Teileigentumsgrundbücher eingetragen werden musste, um Bindungswirkung gegenüber Sondernachfolgern zu erreichen (§ 10 Abs. 3 S. 1). Ein Beschluss über die Begründung eines Sondernutzungsrechts war mangels Beschlusskompetenz nichtig. Um eine Umgehung zu vermeiden, galt dies auch für die Begründung eines faktischen Sondernutzungsrechts infolge baulicher Veränderungen (vgl. Rüscher, Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2021, § 21 Rn. 28; BGH V ZB 58/99; V ZR 96/16; OLG München I 32 Wx 031/07; Hanseatisches OLG Hamburg 2 Wx 38/03; LG Berlin 85 S 15/18). Voraussetzung für die Übertragbarkeit der genannten Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall wäre allerdings, dass zuvor überhaupt eine Nutzungsmöglichkeit bestand, die nun infolge der baulichen Veränderung eingeschränkt wird. Denn gemeinsam ist allen von der Rechtsprechung zum faktischen Sondernutzungsrecht entschiedenen Fällen, dass die Nutzungsmöglichkeiten der Miteigentümer gerade durch die bauliche Veränderung in relevanter Weise eingeschränkt werden. Besteht die vorher gegebene Nutzungsmöglichkeit hingegen weiterhin (Beispiel: Markierungen für Stellplätze im Hof, s. Häublein in ZWE 2021, 27 f.) oder bestand sie auch vorher nie (Beispiel: neu an die Fassade angebauter Balkon, Häublein a.a.O.), so stellt sich diese Problematik nicht. Im vorliegenden Fall führt weder die Überdachung noch die Abgrenzung zu einer rechtlich relevanten Änderung der Nutzungsmöglichkeit der übrigen Miteigentümer. Denn betroffen ist lediglich ein uneinsehbarer, schmaler Streifen zwischen der Brüstungsmauer der Dachfläche und der eigentlichen Terrassenfläche, die den Eigentümern der Wohnung Nr. 8 als Sondernutzungsfläche zugewiesen ist. Der Streifen befindet sich in ca. 16 m Höhe und war nur über die unmittelbar angrenzenden Sondereigentumsflächen der Wohnung Nr. 7 und Nr. 8 zugänglich. Zu berücksichtigen ist dementsprechend, dass bereits nach der Teilungserklärung die infrage kommende Fläche lediglich über Sondereigentum erreicht werden kann. Eine Zuweisung solcher Zugangsräume zum Gemeinschaftseigentum als Sondereigentum ist grundsätzlich möglich, wenn die im Gemeinschaftseigentum stehende Fläche ihrer Beschaffenheit nach nicht dem ständigen Mitgebrauch aller Wohnungseigentümer dient (Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 08.05.1991 Breg 2 Z 33/91). Soweit diese Räume etwa zum Zweck der Instandhaltung und Instandsetzung der Gemeinschaftsfläche betreten werden müssen, ist der jeweilige Sondereigentümer verpflichtet, die Passage durch sein Sondereigentum zu gestatten. Inwieweit darüber hinaus überhaupt eine Pflicht zur Durchgangsduldung besteht, richtet sich nach dem Zweck und der tatsächlichen Beschaffenheit der Gemeinschaftsfläche, wobei das gemeinschaftliche Treueverhältnis zu berücksichtigen ist. Denn es ist in einem solchen Fall dem Sondereigentümer nicht zuzumuten, die Passage durch sein Sondereigentum allein deswegen zu gestatten, weil sich dahinter Flächen bzw. Objekte im Gemeinschaftseigentum befinden. Im vorliegenden Fall handelt es sich nach der Teilungserklärung um eine Kiesschüttung, die dem im Sondereigentum zugewiesenen überdachten Balkon der Eheleute Renner bzw. der Eigentümer der Wohnung Nummer 7 unmittelbar vorgelagert ist und nur durch diese beiden Wohnungen erreichbar ist. Eine Nutzungsmöglichkeit der übrigen Eigentümer ist insofern schon rein tatsächlich nicht gegeben. Sie wird deswegen auch niemanden durch die nunmehr vorgenommene bauliche Maßnahme entzogen. Miteigentümer, die diese Fläche hätten nutzen wollen, hätten hierzu nicht nur die Wohnungen eines ihrer Nachbarn durchqueren müssen; es erscheint auch sehr fraglich, welche sinnvolle Nutzungsmöglichkeit dieser unmittelbar dem Balkon der Wohnung Nr. 8 liegende schmale Streifen überhaupt eröffnet. Deswegen verwundert es auch nicht, wenn die Beklagte – soweit ersichtlich unbestritten – vorträgt, dass in der Vergangenheit seitens der übrigen Miteigentümer auch niemals ein Anspruch auf eine – wie immer geartete – Nutzung dieser Fläche erhoben wurde. Die Installation einer Abgrenzung zur Sondernutzungsfläche der Nachbarwohnung beeinträchtigt daher nicht die bereits vorher praktisch nicht vorhandene Nutzungsmöglichkeit der übrigen Miteigentümer, mit Ausnahme allenfalls des unmittelbaren Nachbarn, der nun erstmalig die Wohnung Nr. 8 durchqueren muss, um zu dem Streifen zu gelangen, während dies vorher von der eigenen Wohnung aus möglich war. Dieser hat jedoch unbestritten – und auch aus den Beiakten, Anlage B5, ersichtlich – der fraglichen Abgrenzung explizit schon vor der Beschlussfassung zugestimmt, womöglich sogar vor dem Hintergrund, dass eine Abgrenzung der Bereiche auch seiner eigenen Privatsphäre zugute kommt. Insoweit besteht also bereits eine Vereinbarung mit diesem Miteigentümer dahingehend, die Abgrenzung zu dulden.
Zusammengefasst ist der vorliegende Fall also den von der zitierten Rechtsprechung zum faktischen Sondernutzungsrecht entschiedenen Fällen keinesfalls vergleichbar, weil all diesen Fällen gemeinsam war, dass eine zuvor mögliche Nutzung wegfällt bzw. der jeweilige privilegierte Nutzer ein zuvor nicht bestehendes Recht erhält, andere von der bisherigen Nutzung auszuschließen. Das ist hier nicht gegeben. Weder wird eine bisher zulässige Nutzung unmöglich, noch wird die Fläche unerreichbar. Lediglich räumlich, nicht jedoch rechtlich eingeschränkt wird nur die Möglichkeit, die Fläche zu erreichen, weil das jetzt (vorbehaltlich der Behauptung der Beklagten, die Abgrenzung lasse sich öffnen) nur noch über die Wohnung der Eheleute Renner geht, während es zuvor auch über die Wohnung Nr. 7 möglich war. Soweit ein berechtigtes Interesse am Betreten dieser Flächen besteht, steht dies den Miteigentümern ungeachtet der baulichen Veränderung auch weiterhin zu. Eine rechtlich relevante Beeinträchtigung des zulässigen Mitgebrauchs lag daher auch nach der vor Inkrafttreten des WEMoG geltenden Rechtslage nicht vor.
3.2. Erst recht muss dies im Ergebnis nach aktueller Rechtslage gelten. Denn es widerspräche ganz erkennbar dem reformatorischen Ziel des Gesetzgebers, bauliche Veränderungen einer Mehrheitsentscheidung zugänglich zu machen, wenn dadurch nicht auch im Einzelfall ein Alleinnutzungsrecht zugunsten einzelner Wohnungseigentümer und somit ein faktisches Sondernutzungsrecht begründet werden könnte. Der Gesetzgeber hat sich hierzu in der Gesetzesbegründung zwar nicht geäußert; die Bund-Länder-Arbeitsgruppe hat in ihrem Abschlussbericht allerdings explizit erwähnt, dass ein nach den Regeln über die baulichen Veränderungen rechtmäßiger Beschluss nicht an der fehlenden Beschlusskompetenz für Sondernutzungsrechte scheitern soll, auch wenn durch die bauliche Veränderung ein „faktisches“ Sondernutzungsrecht zugunsten einzelner Wohnungseigentümer geschaffen wird (vgl. Abschlussbericht Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Reform des WEG, ZWE 2019, 429 (445); Rüscher in Münchner Kommentar zum BGB a.a.O.). Dies steht auch nicht im Widerspruch zur Neuregelung der Kostenfolgen. Von einem Mitgebrauchsrecht hinsichtlich der Neuinstallation, das die Kostenfolge des § 16 Abs. 1, § 21 Abs. 3 WEG auslösen könnte, lässt sich hier nämlich allenfalls im Zusammenhang mit dem Umstand sprechen, dass die Überdachung nun auch Gemeinschaftsflächen erfasst, also auch diejenigen Miteigentümer, die den gemeinschaftlichen Terrassenbereich im Rahmen der aktuell wie früher bestehenden Mitgebrauchsmöglichkeit des § 16 Abs. 1 S. 3, 14 WEG – etwa zu Instandsetzungszwecken – betreten, vor der Witterung geschützt sind. Hierbei handelt es sich jedoch um ein unvermeidbares Mitgebrauchsrecht aller anderen Wohnungseigentümer, das keine gesonderte Kostenbeteiligungspflicht eröffnet (vgl. hierzu Rüscher a.a.O. Rn. 29 unter Verweis auf BT-Drs. 19/18791, 67). Insoweit spielt auch die seitens des Klägers aufgeworfene Frage nach einem Wiederbeteiligungsrecht des Klägers gemäß § 21 Abs. 4 WEG im vorliegenden Fall keine Rolle.
4. Da mit der Abtrennung kein unzulässiges faktisches Sondernutzungsrecht begründet wird, bestand auch keine zwingende Notwendigkeit, die Maßnahme nur gegen Entgelt zu genehmigen. Mit der Abtrennung der Flächen auf der Terrasse geht nämlich kein bezifferbarer Vermögensverlust seitens der übrigen Eigentümer einher.
5. Der Beschluss ist auch nicht infolge einer unzulässigen Veränderung der durch die Teilungserklärung vorgegebenen Zweckbestimmung nichtig. Zwar weist der der Teilungserklärung beigefügte Plan auf der fraglichen Fläche die Bezeichnung „Kiesschüttung“ aus. Dieser klägerische Einwand verkennt allerdings bereits den Umstand, dass Gegenstand des Beschlusses nicht die Anbringung eines Plattenbelags auf dieser Fläche ist, sondern (unter anderem) deren Überdachung und Abgrenzung. Es erschließt sich insoweit schon nicht, inwiefern mit einer Überdachung und Abtrennung von Nachbarflächen eine Änderung der Zweckbestimmung der Fläche einhergehen soll. Hinzu kommt, dass konkretisierende Bezeichnungen von Einheiten im Aufteilungsplan in aller Regel gar keine verbindlichen Zweckbestimmungen enthalten. Der Aufteilungsplan dient nach § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 WEG nämlich nur dazu, die Aufteilung des Gebäudes sowie die Lage und Größe der im Sondereigentum und der im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Gebäudeteile ersichtlich zu machen, und nicht, die Rechte der Wohnungs- und Teileigentümer über die Bestimmung der Grenzen des jeweiligen Eigentums hinaus zu erweitern oder zu beschränken. Eine Ausnahme kommt nur in Betracht, wenn auf die dortigen Inhalte in der Teilungserklärung, der Eintragungsbewilligung oder der Gemeinschaftsordnung Bezug genommen wird. Dafür genügt es nicht, wenn – wie regelmäßig – nicht spezifisch auf die Raumbezeichnungen Bezug genommen wird, sondern lediglich der Lage der Räume durch den Aufteilungsplan konkretisiert werden soll. Soll der Aufteilungsplan ausnahmsweise auch die Nutzung verbindlich regeln, muss dies eindeutig aus der Bezugnahme in der Teilungserklärung oder der Gemeinschaftsordnung hervorgehen (BGH NZM 2013, 153; Emmerich in Bärmann/Pick, Wohnungseigentumsgesetz, 20. Auflage 2020, § 15 Rn. 22). Umstände, die diese Annahme rechtfertigen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
6. Es handelt sich auch nicht um einen ordnungsgemäßer Verwaltung widersprechenden Teilbeschluss. Dass keine Regelung zum Plattenbelag getroffen wurde, beruht schlicht darauf, dass hierzu kein Antrag gestellt wurde. Es wurde also nicht über einen Teil des Antrags entschieden, sondern die Gemeinschaft hat über den (unstreitig lang vorher verlegten) Plattenbelag schlicht (noch) nicht mitentschieden, zumal dies auch von niemandem beantragt war. Allein die Tatsache, dass die Überdachung teilweise auch den Bereich der verlegten Platten überdeckt, macht es nicht zwingend erforderlich, auch die lang zuvor erfolgte Verlegung der Platten in die Genehmigung miteinzubeziehen. Dies umso mehr, als hinsichtlich des Plattenbelages ganz andere rechtliche Fragen zu berücksichtigen sind, wie zum Beispiel die, wer die Platten verlegt hat und ob dies in verjährter Zeit geschah.
7. Auch § 20 Abs. 4 WEG steht der Beschlussfassung nicht entgegen.
7.1. Eine unzulässige grundlegende Umgestaltung liegt nicht vor.
Bei der Prüfung dieses Ausnahmetatbestands ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls die Gestaltung der Wohnanlage vor und nach der im Streit stehenden baulichen Veränderung objektiv zu vergleichen (objektiver Vorher-Nachher-Vergleich). Bezugspunkt ist die Anlage als Ganzes. Daher ist jedenfalls kein Fall des § 20 Abs. 4 Alt. 1 WEG gegeben, wenn durch die bauliche Veränderung zwar ein bestimmter Teilbereich für sich allein betrachtet, nicht aber die Wohnanlage als Ganzes grundlegend umgestaltet wird. Dabei ist stets der Charakter der Regelung in § 20 Abs. 4 WEG als Ausnahmefall im Blick zu behalten. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers soll eine grundlegende Umgestaltung gerade nicht bereits dann vorliegen, wenn die bauliche Veränderung die Eigenart der Wohnanlage i.S.v. § 22 Abs. 2 S. 1 WEG a.F. ändert; § 20 Abs. 4 Alt. 1 WEG ist erheblich enger auszulegen. Da in jeder baulichen Veränderung eine Umgestaltung liegt, ist daher vielmehr zu prüfen, ob diese so starke Auswirkungen hat, dass sie der Wohnanlage ein neues Gepräge gibt. Nur dann liegt auch eine „grundlegende“ Umgestaltung i.S.v. § 20 Abs. 4 Alt. 1 WEG vor (vgl. zum Ganzen Kempfle in: beck-online.GROSSKOMMENTAR, GesamtHrsg: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, Hrsg: Krüger, Stand: 01.09.2022, § 20 Rn. 209 ff.).
Soweit teilweise (unter anderem von Rüscher a.a.O., 20 Rn. 34 f. unter Verweis auf BGH VIII ZR 28/17; Mediger NZM 2020, 269 (271); Pauly ZfBR 2021, 214 (216)) auf eine Parallele zum mietrechtlichen Modernisierungsbegriff des § 555 b BGB abgestellt wird, ist dem nicht zu folgen. Zwar hat der VIII. Zivilsenat des BGH in dem zitierten Fall eine grundlegende Veränderung des Charakters der Mietsache darin gesehen, dass dem dortigen Reihenhaus unter Veränderung seines Grundrisses 9 neue Räume (Wintergarten und Ausbau des Spitzbodens) hinzugefügt wurden bzw. Räume einen anderen Zuschnitt erhielten; dabei handelt es sich aber um Fälle, die nach § 20 Abs. 1, 4 WEG grundsätzlich gerade problemlos gestattet werden können sollten. Denn die Interessenlage und die Bezugspunkte des § 20 Abs. 4 WEG und des § 555 b BGB sind nicht identisch. Ersterer regelt eine nur im Ausnahmefall eingreifende Begrenzung zulässiger baulicher Veränderungen nach § 20 Abs. 1 WEG, dessen Anwendungsbereich wiederum weit über die in § 22 Abs. 2 WEG a.F., § 555 b BGB geregelten Modernisierungsmaßnahmen hinausgeht; letzterer dient einem Interessenausgleich zwischen Mieter und Vermieter, ist also schon vom Bezugsrahmen her grundsätzlich auf eine konkrete Wohnung beschränkt. Demgegenüber ist der Bezugspunkt des § 20 Abs. 4 WEG die gesamte Wohnanlage.
Ob diese grundlegend verändert wird, hängt wie dargelegt im Einzelfall maßgeblich von der Größe und der baulichen und optischen Gestaltung der Wohnanlage ab. Zu prüfen ist also, wie sehr sich die bauliche Veränderung im konkreten Einzelfall angesichts der Größe und Gestaltung der Wohnanlage auf diese auswirkt. Damit können zwar zusätzliche Stockwerke, größere Anbauten oder der Abriss ganzer Gebäudeteile als grundlegende Umgestaltung angesehen werden. Auch eine Veränderung des optischen Gesamteindrucks kann im Einzelfall so erheblich sein, dass eine grundlegende Umgestaltung zu bejahen ist. Dabei ist aber wiederum der Charakter des § 20 Abs. 4 Alt. 1 WEG als Ausnahmeregelung zu berücksichtigen. Bloße Disharmonien und die optische Veränderung als solche reichen dafür nicht. Entscheidend ist vielmehr, ob der Eingriff in die äußere Gestalt der Wohnanlage so krass ist, dass er das Gesicht bzw. das charakteristische Aussehen der Wohnanlage als Ganzes verändert (Kempfle in BeckOGK a.a.O.). Soweit der Kläger behauptet, durch die Duldung des verfahrensgegenständlichen Aufbaus werde der die Gesamtanlage prägende terrassenartige Charakter der Baukörper zerstört, vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Denn die terrassenartige Errichtung der Gebäude und die einheitliche architektonische Gestaltung des Baukörpers ist weiterhin ganz unschwer erkennbar. Zwar erscheint nachvollziehbar, dass der Aufbau von einzelnen Eigentümern als Störung des optischen Gesamteindrucks der Fassade eines der Gebäude der Anlage (nicht der Anlage als Ganzen) empfunden wird, was zweifellos nach § 22 Abs. 1, 14 Nr. 1 WEG a.F. auch zu einer Zustimmungspflicht der hierdurch benachteiligten Miteigentümer geführt hätte.; die Änderung des optischen Gesamteindrucks der Fassade ist jedoch nicht derart schwerwiegend, als dass damit eine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage als Ganzes einherginge. Würde man dies anders beurteilen, wäre hier eines der Ziele der Gesetzesreform, nämlich gerade auch Veränderungen des optischen Gesamteindrucks grundsätzlich einer Mehrheitsentscheidung zugänglich zu machen, statt sie regelmäßig am (u.U. durchaus nachvollziehbaren, aber per definitionem rein subjetkiven) ästhetischen Empfinden einer Minderheit scheitern zu lassen, verfehlt.
7.2. Für eine unbillige Benachteiligung allein des Klägers gemäß § 20 Abs. 4 WEG sind Gründe weder vorgetragen noch ersichtlich.
8. Hinsichtlich der angeblich nicht eingehaltenen öffentlich-rechtlichen Vorgaben ist zunächst festzuhalten, dass es insoweit nicht Aufgabe und Prüfungsgegenstand des Verfahrens ist, die genehmigten baulichen Veränderungen selbst in jeglicher Hinsicht auf ihre Vereinbarkeit mit öffentlich-rechtlichen Vorgaben zu überprüfen. Prüfungsgegenstand der Kammer ist vielmehr nur, ob die verfahrensgegenständliche Beschlussfassung ordnungsgemäßer Verwaltung entsprach; dies wäre z.B. dann nicht der Fall, wenn aus Sicht der Eigentümerversammlung greifbare Anhaltspunkte für einen Verstoß der baulichen Veränderung gegen den Brandschutz oder die Nichteinhaltung von Abstandsflächen vorgelegen hätten und deswegen vor einer Genehmigung eine weitere fachliche Abklärung geboten gewesen wäre. Dies ist hier nicht der Fall.
8.1. Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, dass der verfahrensgegenständliche Aufbau gegen öffentlich-rechtliche Brandschutzvorschriften verstößt, hat der Kläger trotz Hinweis nicht substantiiert dargelegt. Hierzu kann im Wesentlichen auf die erstinstanzliche Entscheidung Bezug genommen werden. Die Klage ergeht sich insoweit lediglich in ins Blaue hinein aufgestellten, nicht näher inhaltlich-sachlich fundierten Vermutungen, die sich durch die gerichtlich eingeholten Auskünfte nicht bestätigt haben. Wie der Kläger in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung vom 26.10.2021 vorgetragen hat, vermutete er brandschutzrechtliche Probleme lediglich deswegen, weil ihm seinerzeit untersagt worden sei, die Fassade gerade nach oben zu ziehen. Der terrassenförmige Aufbau des Gebäudes sei von ihm unter Hinweis auf eine Rücksprache mit der Feuerwehr verlangt worden, weswegen er sich vorstellen könne, dass die Flächen frei zugänglich sein sollten, vielleicht zum Anleitern nach oben. Letztlich vermutet der Kläger also lediglich die Relevanz dieser Terrassen im Zusammenhang mit der Zugänglichkeit von hinreichenden Rettungswegen. Dem steht die Stellungnahme der Stadt Günzburg vom 02.12.2021 (Blatt 65) entgegen, wonach gegen die angebrachte Glaskonstruktion keine brandschutztechnischen Bedenken bestehen und entsprechende Vorschriften nicht verletzt werden. In Anbetracht dessen und des Umstands, dass der Kläger keine greifbaren Tatsachen vorträgt, die geeignet sind, die brandschutzrechtliche Unzulässigkeit der baulichen Veränderungen zu belegen, bestand aus Sicht der Eigentümerversammlung keinerlei Veranlassung zur einer tiefergehenden Befassung mit Brandschutzfragen. Erst recht besteht keine Veranlassung, diesen klägerischen Vermutungen nun im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens vertieft nachzugehen. Soweit der Kläger hierzu die Einholgung eines Sachverständigengutachtens beantragt hat, handelt es sich zudem um einen unzulässigen Beweisermittlungsantrag. Denn die Einholung dieses Gutachtens hätte nicht dem Beweis vorgetragener Tatsachen gedient, sondern lediglich der Ausforschung von Tatschen bzw. der Erschließung von Erkenntnisquellen, die es erst ermöglichen sollen, bestimmte Tatschen zu behaupten und sodann unter Beweis zustellen (vgl. dazu Greger in Zöller, ZPO, 31. Auflage, vor § 284 Rn. 8c m.w.N.).
8.2. Ebenso wenig plausibel erscheint der Vortrag des Klägers, der Genehmigungsbeschluss entspräche nicht ordnungsgemäßer Verwaltung, weil Abstandsflächen nicht eingehalten seien. Auch dies entspringt letztlich nämlich einer nicht näher belegten Vermutung des Klägers. Es kann zwar insoweit als zutreffend unterstellt werden, dass bezogen auf die Grundstücksgrenzen nach der Höhe abgestufte Abstandsflächen einzuhalten sind; die hierzu vom Kläger mit Schriftsatz vom 08.11.2021. S. 7 vorgelegte Plankopie indiziert aber keinesfalls, dass ein Aufbau auf einer Terrassenfläche, der unterhalb der nächsthöheren Ebene endet, eine neue Gebäudekante begründet und damit eigene Abstandsfläche wirft. Abstandsflächen beziehen sich auf den Abstand vom Baukörper zu Baukörper und versagen deswegen grundsätzlich nicht die Errichtung weiterer fest montierte Elemente innerhalb des Bereichs von umlaufenden Terrassen. Art. 6 Abs. 1 S. 1 BayBO fordert demgemäß die Freihaltung von Abstandsflächen nur zwischen Außenwänden von Gebäuden. Dies gilt nach S. 2 entsprechend für andere Anlagen, von denen „Wirkungen wie von Gebäuden“ ausgehen. Von einer solchen „gebäudegleichen Wirkung“ kann hier bereits deshalb nicht ausgegangen werden, weil sich der Ausbau innerhalb der Brüstung befindet und unterhalb der nächsthöheren Gebäudekante endet. Es bestanden – und bestehen – daher insoweit keinerlei greifbare Anhaltspunkte für eine abstandsrechliche Relevanz der Überdachung. Dementsprechend hat auch das Stadtbauamt Günzburg (wenn auch nur im Rahmen eines Genehmigungsfreistellungsverfahrens) keine Einwände gegen das Vorhaben erhoben. Auch diesbezügliche Beschwerden von Nachbarn sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Insoweit bestand für die Beklagte im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung auch keinerlei Veranlassung dazu, diese Frage noch einmal näher überprüfen zu lassen.
9. Rein vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass zwar die Ladungsfrist des § 24 Abs. 4 WEG (i.V.m. § 47 WEG) nicht eingehalten ist, der Kläger dies aber nicht innerhalb der Frist des § 45 S. 1, 2. Hs WEG gerügt hat. Dieser Fehler wäre im vorliegenden Fall auch nicht kausal für die Beschlussfassung gewesen, da sich unstreitig und – wie auch aus den Beiakten Anlage B5 ersichtlich ist – bereits lange vor der Beschlussfassung alle übrigen Eigentümer außer dem Kläger mit den verfahrensgegenständlichen baulichen Veränderungen einverstanden erklärt haben.
10. Ein Anspruch des Klägers auf Beschlussersetzung dahingehend, dass Beseitigungsansprüche der Beklagten gegen die Eigentümer der Wohnung Nr. 8 bezüglich der Überdachung, der Einglasung, der Abtrennung und der verlegten Bodenplatten durchgesetzt werden, besteht nicht.
10.1. Hinsichtlich der Bodenplatten fehlt es, wie bereits vom Amtsgericht dargelegt, schon an der hierfür erforderlichen Vorbefassung. Denn die ablehnende Entscheidung zum Antrag des Klägers zu TOP 14 beinhaltet keine Ablehnung auch hinsichtlich der Beseitigungsansprüche bezüglich der Bodenplatten; eine Befassung der Eigentümergemeinschaft hiermit ergibt sich nämlich weder aus dem Beschlusswortlaut noch aus dem Protokoll insgesamt. Vielmehr ist jedenfalls im Wege der Auslegung davon auszugehen, dass mit den laut Klägerantrag zu beseitigenden „rechtswidrigen baulichen Veränderungen“ nur das gemeint ist, was zuvor Gegenstand der Genehmigung in TOP 11 war. Der Klageantrag auf Beschlussersetzung ist daher hinsichtlich der Entfernung des Plattenbelags mangels Vorbefassung bereits unzulässig.
Er wäre im Übrigen auch unbegründet.
Ein Wohnungseigentümer hat einen Anspruch auf eine gerichtliche Beschlussersetzung nach § 44 Abs. 1 S. 2 WEG, wenn ein Beschlussgegenstand noch nicht durch Gesetz, Vereinbarung oder Beschluss geregelt ist, eine entsprechende Beschlussfassung aber ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht und diese Entscheidung zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung zwingend ansteht, ferner dann, wenn die Wohnungseigentümer für einen Beschluss zwar ein Ermessen haben, sich ihr Entschließungs- und auch ihr Auswahlermessen aber ausnahmsweise bereits auf einen konkreten Beschlussinhalt verengt haben (zum Ganzen vergleiche Hügel/Elzer in: Hügel/Elzer, Wohnungseigentumsgesetz, 3. Auflage 2021, § 44 Rn. 198 ff.). Besteht hingegen die Möglichkeit ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechender Alternativentscheidungen, scheidet eine gerichtliche Beschlussersetzung aus. Eine Ermessensreduzierung auf Null dahingehend, dass bezüglich der Bodenplatten nur die Geltendmachung von Beseitigungsansprüchen ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht, besteht hier bereits deshalb nicht, weil alternativ die Möglichkeit besteht, die Verlegung der Bodenplatten nachträglich zu genehmigen. Ob dies der Fall ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls, zwischenzeitlichen Entwicklungen und der aktuellen Sachlage in der Gemeinschaft ab (LG München I I, Urteil vom 20. April 2020 – 36 S 6844/18 -; LG München I I, Urteil vom 09. Mai 2016 – 1 S 13988/15 WEG -, Rn. 33 – 34). Nicht anders zu beurteilen ist nach neuem Recht die Frage einer Rückbauverpflichtung der Gemeinschaft in Folge fehlerhafter Ersterstellung. Auch hier ist ein Rückbauanspruch nur gegeben, wenn die Genehmigung der abweichenden Bauausführung rechtlich unvertretbar ist (vgl. Lehmann-Richter/Wobst, WEG Reform 2020, Rn. 1283). Anhaltspunkte dafür, warum eine Genehmigung der Verlegung der Bodenplatten ordnungsgemäßer Verwaltung widersprechen könnte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Insoweit könnte nach § 20 Abs. 3 WEG sogar ein Anspruch auf eine Genehmigung bestehen, soweit davon auszugehen ist, dass die Bodenplatten für die übrigen Eigentümer nicht (mehr) sichtbar sind und eine über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehende Beeinträchtigung ansonsten nicht erkennbar ist. Im Übrigen dürfte der Beseitigungsanspruch gegen die Eigentümer der Wohnung Nr. 8 jedenfalls bezüglich der Platten auch verjährt sein, eine entsprechende Beschlussfassung zur Erhebung einer Beseitigungsklage verstieße daher wohl auch insoweit gegen den Grundsatz ordnungsgemäßer Verwaltung. Eine Hemmung der Verjährung durch die Klageerhebung im Verfahren 3 C 1/20 (Beiakte) kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil die Bodenplatten nicht Gegenstand dieses Verfahrens waren.
10.2. Hinsichtlich der Durchsetzung von Beseitigungsansprüchen bezüglich der gemäß TOP 11 genehmigten baulichen Veränderungen besteht ebenfalls kein Anspruch auf gerichtliche Beschlussersetzung, da es ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht, diese zu genehmigen. Hierzu kann auf die Ausführungen unter Ziffer 1 bis 8 Bezug genommen werden.
11. Dem Hilfsantrag steht bereits entgegen, dass es sich bei der Geltendmachung von Beseitigungsansprüchen gegen die Eigentümer der Wohnung Nr. 8 um Ansprüche handelt, über die die Gemeinschaft im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung durch Beschluss zu entscheiden hat. Im übrigen wird in materiellrechtlicher Hinsicht auf die Ausführungen unter Ziffer 10 Bezug genommen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
IV.
Die Revision wird gemäß § 543 Abs. 1, 2 ZPO nicht zugelassen. Weder die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung Gebieten eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Zwar liegen zur Thematik des faktischen Sondernutzungsrechts noch keine zur neuen Rechtslage ergangenen ober- oder höchstrichterlichen Entscheidungen vor. Eine Entscheidung des Revisionsgerichts wäre allerdings nur dann erforderlich, wenn ein Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Bestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen. Das setzt voraus, dass für die rechtliche Beurteilung typischer Lebenssachverhalt eine richtungsweisende Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt (BGH NJW 2002, 3029; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 41. Auflage, § 543 Rn. 4 a.). Die zum faktischen Sondernutzungsrecht zu der vor Inkrafttreten des WEMoG ergangenen obergerichtlichen Entscheidungen betreffen wie dargelegt keine Fallkonstellationen, die der verfahrensgegenständlichen vergleichbar wäre. Insoweit wäre auch nach damaliger Rechtslage nicht anzunehmen gewesen, dass die angefochtenen Beschlüsse wegen der Begründung eines faktischen Sondernutzungsrechts für die Eigentümer der Wohnung Nr. 8 nichtig sind. Für die aktuelle Rechtslage gilt dies erst recht. Insoweit wird auf die Ausführungen unter Ziffer 3.2 Bezug genommen. Da es ein ganz wesentliches gesetzgeberisches Ziel war, bauliche Veränderungen in Wohnungseigentümergemeinschaften zu erleichtern, kann hier ein nichtigkeitskonstituierendes faktisches Sondernutzungsrecht unter Berücksichtigung der seit 01.12.2020 geltenden Rechtslage erst recht nicht angenommen werden.