Streit um Überwachungskameras in einer Wohnungseigentümergemeinschaft
In einem Konflikt, in dem Fragen des Datenschutzes und des Wohnungsrechts aufeinandertreffen, wurde ein bedeutendes Urteil vom Landgericht Frankfurt am Main erlassen. Die Klägerin, eine Wohnungseigentümerin, wehrte sich gegen das Aufstellen von Überwachungskameras durch die Beklagten, ebenfalls Wohnungseigentümer, welche den Flur vor ihrer Wohnung überwachten. Sie verlangte außerdem Schmerzensgeld. Eine sofortige Beschwerde gegen die vorangegangene Entscheidung des Amtsgerichts Idstein wurde eingereicht, nachdem die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin auferlegt worden waren.
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Übersicht
Verwirrung um Zuständigkeit und Eigentumsrechte
Die Streitparteien konnten eine Einigung erzielen und erklärten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt. Das Amtsgericht entschied jedoch, dass die Klägerin die Kosten tragen muss, da ihre Klage unzulässig sei. Die Klägerin könne die geltend gemachten Ansprüche bezüglich des Gemeinschaftseigentums nicht mehr durchsetzen. Hiergegen wurde die sofortige Beschwerde eingelegt, mit dem Ziel, die Kosten den Beklagten aufzuerlegen.
Landgericht Frankfurt kommt zu anderer Einschätzung
Das Landgericht Frankfurt erklärte die sofortige Beschwerde gemäß den Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) für zulässig und teilweise erfolgreich. Es wurde entschieden, dass in Anbetracht der übereinstimmenden Erledigungserklärung nur noch über die Kosten des Rechtsstreits nach billigem Ermessen entschieden werden sollte.
Grundlegende Unklarheit im Sachverhalt
Die Rechtslage war nicht geklärt und der Ausgang des Prozesses daher ungewiss. Es war keinesfalls sicher, dass die Klage unzulässig war. Die Klägerin hatte in der Tat keinen Abwehranspruch bezüglich des gemeinschaftlichen Eigentums nach dem reformierten Wohnungseigentumsgesetz. Aber die Klageanträge legten nahe, dass es der Klägerin vor allem darum ging, die Aufnahme von Videos durch die Überwachungsanlage der Beklagten zu unterlassen, die den Eingangsbereich ihrer Wohnung betraf.
Entscheidung des Landgerichts Frankfurt
Das Landgericht Frankfurt entschied schließlich, dass die Kosten des Rechtsstreits und des Beschwerdeverfahrens gegeneinander aufgehoben werden. Die weitergehende Beschwerde wurde zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen.
Dieser Fall zeigt die Komplexität und Unvorhersehbarkeit von Rechtsstreitigkeiten, insbesondere wenn es um Fragen des Datenschutzes und des gemeinschaftlichen Wohnungseigentums geht.
Das vorliegende Urteil
LG Frankfurt/Main – Az.: 2-13 T 33/23 – Beschluss vom 10.05.2023
In der Beschwerdesache hat die 13. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main am 10.05.2023 beschlossen:
1. Auf die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss des AG Idstein vom 13.02.2023 abgeändert. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
GRÜNDE:
I.
Mit der Klage begehrt die Klägerin eine Wohnungseigentümerin, von den Beklagten, anderen Wohnungseigentümern, sinngemäß u.a. die Unterlassung des Aufstellens von Kameras, mit denen der vor ihrer Wohnung befindliche Flur aufgenommen wird, zugleich begehrt sie die Zahlung eines Schmerzensgeldes.
Nachdem die Parteien sich verglichen und den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, hat das Amtsgericht die Kosten der Klägerin auferlegt, da es bereits an der Zulässigkeit der Klage gefehlt habe, denn die hier geltend gemachten Ansprüche bezüglich des Gemeinschaftseigentums könne die Klägerin nicht mehr geltend machen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Klägerin, mit der diese begehrt, die Kosten des Rechtsstreites den Beklagten aufzuerlegen.
II.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 91a, 269 Abs.5 Abs. 2, 569 ZPO statthaft und zulässig. Sie hat teilweise Erfolg.
In Folge der übereinstimmenden Erledigungserklärung (§ 91a Abs. 1 Satz 2 ZPO) war nur noch über die Kosten des Rechtsstreits gem. § 91a ZPO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden.
Voranzustellen ist, dass es nicht Zweck einer Kostenentscheidung nach § 91a ZPO ist, Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu klären. Grundlage der Entscheidung ist lediglich eine summarische Prüfung, bei der das Gericht grundsätzlich davon absehen kann, in einer rechtlich schwierigen Sache nur wegen der Verteilung der Kosten bedeutsame Rechtsfragen zu entscheiden (vgl. nur BGH NJW-RR 2009, 422).
Unter Anlegung dieser Maßstäbe erscheint eine Kostenaufhebung sachgerecht. Dabei kann dahinstehen, ob sich dies bereits aus § 98 ZPO ergibt, nachdem die Parteien ausweislich des alleine maßgeblichen Protokolls bezüglich der Kosten nichts anderes vereinbart haben, denn auch in der Sache ist eine Kostenaufhebung sachgerecht.
Die Sach- und Rechtslage war keinesfalls geklärt, so dass der Ausgang des Prozesses unsicher war.
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts war keinesfalls sicher, dass die Klage unzulässig war. Zutreffend ist allerdings, dass nach dem insoweit maßgeblichen reformierten Wohnungseigentumsgesetz die Wohnungseigentümer Abwehransprüche aus § 1004 BGB bezüglich des gemeinschaftlichen Eigentums nicht mehr geltend machen können und der Abwehranspruch aus § 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG bei der Gemeinschaft liegt (vgl. BGH ZWE 2022, 209; 256; NZM 2021, 717).
Um derartige Ansprüche geht es der Klägerin vorliegend bei einer sachgerechten Auslegung der Klageanträge allerdings nicht. Die Klägerin erstrebt mit der Klage eine Unterlassung der Aufnahme von Videos durch eine Überwachungsanlage, die den Eingangsbereich ihrer Wohnung betrifft, bzw. die Beseitigung eines derartigen Überwachungsdrucks durch die Beklagten. Der Kern der Ansprüche betrifft ausweislich der Klage das Unterlassen des Fertigens von Videos von ihr, welche sie beim Betreten und Verlassen der Wohnung und dem Aufenthalt im Flur zeigen. Derartige Ansprüche, die sich als deliktische Ansprüche aus § 823 BGB i.V.m. dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht oder aus der DS-GVO ergeben, sind keine Ansprüche die nach § 9a Abs. 2 WEG der Wohnungseigentümergemeinschaft zur Ausübung übertragen sind. Denn diese Ansprüche ergeben sich nicht aus dem gemeinschaftlichen Eigentum und sind auch keine solchen, die ihre Rechtsgrundlage in dem Verhältnis der Wohnungseigentümergemeinschaft haben. Vielmehr sind dies Individualansprüche der durch die Aufnahmen Beeinträchtigten. Dass diese zugleich Wohnungseigentümer sind, führt nicht dazu, dass insoweit die GdWE diese Rechte geltend machen muss. Insoweit liegt auch primär keine Verletzung des Binnenrechtes vor, sondern nach dem insoweit für die Zulässigkeit maßgeblichen Vortrag der Klägerin wird diese in den ihr zustehenden individuellen Rechten durch die Beklagten beeinträchtigt.
Dass diese Beeinträchtigung aus dem Wohnungseigentum der Beklagten heraus erfolgt sein sollen, führt nicht dazu, dass die Klägerin diese Beeinträchtigung nicht selbst individuell abwehren kann. Insoweit handelt es sich auch nicht um eine mittelbare Folge einer primären Störung des Gemeinschaftseigentums (so im Falle des BGH ZWE 2022, 209). Der Abwehranspruch wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts ist ein individueller Anspruch, welcher nur der Klägerin zusteht. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob die von der Klägerin behauptete Verletzung im Sondereigentum oder im Gemeinschaftseigentum erfolgten. Betroffen von den behaupteten Handlungen ist auch nicht die Anlage insgesamt, so dass auch ein koordiniertes Verhalten der Gemeinschaft gem. § 9a Abs. 2 WEG nicht geboten ist (vgl. BGH ZWE 2022, 209), so dass auch aus diesem Grund eine einheitliche Rechtsverfolgung nicht gefordert ist. Zumindest ein Unterlassen der Überwachung der Klägerin oder die Erzeugung eines derartigen Überwachungsdrucks kann diese weiter selbst durchsetzen.
Ob der geltend gemachte Unterlassungsanspruch vor allem in dem geltend gemachten Umfang der Klägerin zustand, war eine Frage der Begründetheit und hätte allenfalls zur teilweisen Klageabweisung geführt.
Gleiches gilt für den Schmerzensgeldanspruch bzw. den Anspruch auf Schadensersatz nach Art. 82 DS-GVO. Auch diese Ansprüche sind individueller Natur und daher ebenso weiterhin von dem Beeinträchtigten geltend zu machen und nicht von der Gemeinschaft.
Ob und in welchem Umfang die Klage begründet war, war zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses unsicher und von weiterem Vortrag und gegebenenfalls Beweisaufnahmen abhängig. Die Beklagten haben insbesondere die Aufstellung von funktionierenden Kameras bestritten, zumindest dies hätte weiterer Aufklärung bedurft, gegebenenfalls auch der Vortrag zu den bestrittenen vorangegangenen tätlichen Auseinandersetzungen.
Da insgesamt der Ausgang des Rechtsstreites offen war, entspricht es im Ergebnis billigem Ermessen die Kosten des Rechtsstreites insgesamt gegeneinander aufzuheben.
Nach alledem auf die Beschwerde die angegriffene Kostenentscheidung abzuändern. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92, 97 ZPO.
Gründe die Rechtsbeschwerde zuzulassen, bestehen nicht, zumal in Verfahren nach § 91a ZPO die Rechtsbeschwerde nicht zur Klärung von materiellen Fragen zugelassen werden darf.