AG Hamburg-Blankenese – Az.: 539 C 14/19 – Urteil vom 29.01.2020
1. Der Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft V in der Wohnungseigentümerversammlung vom 29.04.2019 gemäß TOP 9a der Tagesordnung „über die Reaktivierung der Sandkiste oder Ersatz der alten durch eine neue hinter dem Haus 57“ lautend:
„Die Wohnungseigentümergemeinschaft beschließt die Firma H für die Instandsetzung/Reaktivierung der Sandkiste im Bereich des Hauses 65 zu beauftragen. Die Kosten belaufen sich auf € 2.909,55. Die Finanzierung erfolgt aus der Instandhaltungsrücklage“
wird für ungültig erklärt.
2. Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in selber Höhe leistet.
4. Streitwert: € 3.000,-.
Tatbestand
Die Parteien bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft V 51-69 in Hamburg.
Die WEG wird von der beigeladenen S GmbH verwaltet.
Die Verwalterin lud am 12.03.2019 zur Versammlung auf den 29.04.2019, um 18:00 Uhr ein.
Als TOP 9 waren angekündigt
a) Diskussion und ggf, Beschlussfassung über die Reaktivierung der Sandkiste oder Ersatz der alten durch eine neue hinter dem Haus 57
b) Findung der Interessenlage über die Entfernung der Sandkisten hinter den Häusern 53, 61, 65, 69. …
c) Erweiterung der Spielfläche mit Sandkiste hinter dem Haus 67 für einen zentralen Treffpunkt in der Anlage. …
Zu TOP 9a wurde folgender im Tenor genannter Beschluss gefasst:
„Die Wohnungseigentümergemeinschaft beschließt die Firma H für die Instandsetzung/Reaktivierung der Sandkiste im Bereich des Hauses 65 zu beauftragen. Die Kosten belaufen sich auf € 2.909,55. Die Finanzierung erfolgt aus der Instandhaltungsrücklage“
Die Tagesordnungspunkte 9b und 9c entfielen.
In der am Montag, dem 01.07.2019 bei Gericht eingegangenen Klagebegründung moniert die Klägerin unter anderem:
Unangekündigt sei zum TOP 9a, der nur die Sandkiste hinter dem Haus 57 betraf, plötzlich und für die Klägerin überraschend die Reaktivierung der Sandkiste im Bereich des Hauses 65 beschlossen worden.
Die Beschlussfassung sei nicht ansatzweise angekündigt worden. Eine Reaktivierung der Sandkiste sei lediglich bei Haus 57 angedacht gewesen und hätte zur Abstimmung gestellt werden können.
Auch inhaltlich sei der Beschluss zu beanstanden, da bereits 1986 beschlossen worden sei, sämtliche Sandkisten nicht weiter als solche zu nutzen, sondern zu bepflanzen (vgl. Anlage K 5, Blatt 94/95 d.A.).
Aus Sicht der Klägerin als direkt Betroffene hätte ein solcher Beschluss – wäre er richtig angekündigt worden – nur einstimmig getroffen werden können.
Vollkommen unvorbereitet und über den Kopf der Klägerin hinweg, habe die Gemeinschaftsmehrheit hier entschieden. Dadurch sei der Klägerin jedwedes Mitspracherecht genommen worden.
Die Klägerin beantragt, Der Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft V in der Wohnungseigentümerversammlung vom 29.04.2019 gemäß TOP 9a der Tagesordnung „über die Reaktivierung der Sandkiste oder Ersatz der alten durch eine neue hinter dem Haus 57“ lautend:
„Die Wohnungseigentümergemeinschaft beschließt die Firma H für die Instandsetzung/Reaktivierung der Sandkiste im Bereich des Hauses 65 zu beauftragen. Die Kosten belaufen sich auf € 2.909,55. Die Finanzierung erfolgt aus der Instandhaltungsrücklage“
wird für ungültig erklärt.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Die Beklagten tragen unter anderem vor: Der angegriffene Beschluss sei nicht bereits aus formalen Gründen für ungültig zu erklären.
Aus der Einladung zu TOP 9 ergäbe sich, dass grundsätzlich über die Aktivierung von Sandkisten oder einen Ersatz verhandelt werden sollte.
Die Themen seien hinreichend kommuniziert worden und jeder Eigentümer sei hinreichend „vorgewarnt“ worden, dass hier Beschlüsse gefasst werden sollten.
Nach Auffassung der Beklagten ist das Reaktivieren der Sandkiste keine bauliche Veränderung im Rechtssinne. Das Judiz der Klägerin gehe in mehreren Punkten fehl.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Erörterungen im Termin zur mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
1.
Der Beschluss datiert vom 29.04.2019 – in der Klageschrift liegt insoweit lediglich ein erkennbarer Tippfehler vor -, die Anfechtungsklage ging per Fax am 29.05.2019 bei Gericht ein.
Die Begründung ging am Montag, den 01.07.2019 ein. Die Monats- und Zweimonatsfristen des § 46 WEG sind erkennbar gewahrt.
2.
Die Klägerin hat auch zu Recht einen Ankündigungsmangel gerügt.
Zutreffend hat bereits das Landgericht Düsseldorf (ZMR 2013, 821) entschieden:
Grundsätzlich ist es nicht erforderlich, vorformulierte Beschlussanträge in die Tagesordnung der Ladung aufzunehmen. Selbst wenn dies erfolgt, bleibt es den Wohnungseigentümern unbenommen, von einem Beschlussantrag nach ihrem Ermessen abzuweichen. Sie dürfen nur nicht von dem Gegenstand des angekündigten Beschlusses abweichen (Jennißen/Elzer § 23 Randnummer 58).
Ergänzend wird auf verwiesen auf Hügel/Elzer § 23, Randnummer 48 und Schulzky in Jennißen § 23 Randnummer 108 sowie Drabek/Riecke in Riecke/Schmid WEG, 5. Aufl. § 23, Randnummer 30 „verengte Beschlussmöglichkeiten“ sowie OLG Celle, ZWE 2002, 474: „Der Bezeichnung von Einzelheiten bedarf es insoweit nicht“.
Richtigerweise ist wohl bereits ein ganz präziser Antrag ohne übergeordneten Tagesordnungspunkt schädlich.
Im vorliegenden Fall ist die Rechtslage noch eindeutiger. Es wurde hier unter TOP 9 nicht allgemein über die Reaktivierung bzw. Umwidmung aller Sandkisten eine Diskussion und ggf. Beschlussfassung angekündigt, sondern TOP 9a – um den es hier geht – betraf lediglich die Sandkiste hinter Haus 57. Wie die Gemeinschaft auf die Idee kommen kann, unter diesem Tagesordnungspunkt über eine Sandkiste hinter dem Haus 65 zu beschließen, ist nicht nachvollziehbar. Ein Wohnungseigentümer des Hauses 65 hätte bei diesem Tagesordnungspunkt entweder zu Hause bleiben oder während der Versammlung den Saal verlassen können, ohne befürchten zu müssen, dass ein Beschluss über die Sandkiste hinter seinem Haus gefasst werden könnte.
Unter TOP 9b wurde gar nicht Beschluss gefasst. Zwar ist in der Beschlussankündigung das Haus 65 erwähnt, aber nur im Zusammenhang mit der Entfernung von Sandkisten. Auch hier hätte der angesprochene Wohnungseigentümer aus Haus 65 bequem der Abstimmung fernbleiben können.
Zu TOP 9c wird lediglich die Sandkiste hinter dem Haus 67 erwähnt, hier gilt das zu TOP 9a Gesagte entsprechend.
Die Rechtsauffassung der Beklagten, dass die Tagesordnung zu TOP 9 „grundsätzlich über die Aktivierung von Sandkisten oder ein Ersatz“ Diskussion und Beschlussfassung angekündigt habe, wird nicht geteilt. Gerade durch die detaillierte Aufschlüsselung hinsichtlich der einzelnen Sandkisten hinter bestimmten Häusern, war von vorneherein der Gegenstand der möglichen Beschlussfassung eingegrenzt. Genau diese Grenzen hat die Gemeinschaft bei ihrer Beschlussfassung nicht eingehalten.
Ebenfalls ist nicht nachvollziehbar, wieso die Klägerin „vorgewarnt“ sein sollte. Das Gegenteil ist der Fall. Durch die Tagesordnung wurde die Klägerin viel mehr in Sicherheit gewiegt, was eine mögliche Reaktivierung der Sandkiste hinter Haus 65 (das sie bewohnt) betrifft.
Vor diesem Hintergrund kann dahingestellt bleiben, ob die Reaktivierung einer Sandkiste eine bauliche Veränderung im Sinne des § 22 Abs. 1 WEG darstellt oder die erneute Herstellung des teilungserklärungsgemäßen Zustandes.
Die Beklagten sind der klägerischen Argumentation nach Beseitigung vermeintlicher formeller Mängel der Klage und ihrer Klagebegründung nicht weiter entgegengetreten. Insoweit wird hierauf verwiesen. Mit dem Argument der angeblichen Kinderfeindlichkeit der Klägerin lässt sich die fehlende Kausalität des Ankündigungsfehlers nicht ausschließen. Jedenfalls kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei echter Vorwarnung der Klägerin neue Mehrheiten hätten beschafft werden können.
3.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 708 Nr. 11, 711.