BGH-Urteil: Vermieterrecht auf Zutritt zur Wohnung bei beabsichtigtem Verkauf
In einem aktuellen Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) mit dem Aktenzeichen VIII ZR 420/21 ging es um das Recht des Vermieters auf Zutritt zur Mietwohnung bei beabsichtigtem Verkauf. Die Hauptfrage des Falls war, ob die Vermieter das Recht hatten, die Wohnung in Begleitung von Immobilienmaklern und potenziellen Käufern zu besichtigen, obwohl die Mieterin aufgrund schwerwiegender psychischer Erkrankungen den Zutritt verweigerte.
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Übersicht
Sachverhalt
Im vorliegenden Fall war die Beklagte Mieterin einer Wohnung, die den Klägern gehörte. Im Mietvertrag gab es eine Klausel, die es den Vermietern erlaubte, die Wohnung unter bestimmten Bedingungen zu besichtigen, insbesondere bei beabsichtigtem Verkauf. Die Kläger forderten erstmals im Jahr 2019 die Beklagte auf, ihnen den Zutritt zur Wohnung zu gewähren, da sie die Wohnung verkaufen wollten. Die Beklagte lehnte dies jedoch aufgrund ihrer schweren psychischen Erkrankung ab.
Die Kläger reichten daraufhin Klage ein und verlangten Zutritt zur Wohnung in Begleitung von Immobilienmaklern und potenziellen Käufern. Das Amtsgericht gab der Klage größtenteils statt und verpflichtete die Beklagte, den Klägern den Zutritt zur Wohnung zu gewähren. Die Beklagte legte Berufung ein, und das Landgericht änderte das erstinstanzliche Urteil ab und wies die Klage ab.
Entscheidung des BGH
Der BGH hob das Urteil des Landgerichts auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück. Der BGH argumentierte, dass das Berufungsgericht das eingeholte psychiatrische Gutachten nicht ausreichend berücksichtigt hatte.
Laut dem BGH besteht grundsätzlich eine vertragliche Nebenpflicht des Mieters, dem Vermieter den Zutritt zur Wohnung zu gewähren, wenn es hierfür einen konkreten sachlichen Grund gibt. In diesem Fall lag ein solcher sachlicher Grund vor, da die Kläger die Wohnung verkaufen wollten und daher Interesse an einer Besichtigung mit potenziellen Käufern hatten. Bei der Abwägung der grundrechtlich geschützten Positionen der Mietvertragsparteien müsse jedoch auch das Recht der Mieterin auf Unversehrtheit, Ruhe und Besitz der Mietwohnung berücksichtigt werden.
Der BGH stellte fest, dass die Beklagte unter schwerwiegenden psychischen Erkrankungen litt und dass das Betreten der Wohnung durch Dritte zu einer erheblichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands führen könnte, einschließlich des Risikos von Selbstverletzung oder Suizid. Da derzeit keine Maßnahmen bekannt waren, die das Gesundheitsrisiko der Beklagten signifikant verringern könnten, wurde die Entscheidung des Berufungsgerichts als rechtsfehlerhaft angesehen.
Der BGH hat entschieden, dass das Recht des Vermieters auf Zutritt zur Mietwohnung bei beabsichtigtem Verkauf zwar grundsätzlich besteht, aber in Fällen, in denen die Mieterin schwerwiegende psychische Erkrankungen hat, muss eine umfassende Interessenabwägung erfolgen. Im vorliegenden Fall war das Berufungsgericht nicht ausreichend auf das psychiatrische Gutachten eingegangen und hatte daher das Recht der Kläger auf Zutritt zur Wohnung zu Unrecht verneint.
Das vorliegende Urteil
BGH – Az.: VIII ZR 420/21 – Urteil vom 26.04.2023
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO mit Schriftsatzfrist bis zum 12. April 2023für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth – 7. Zivilkammer – vom 30. November 2021 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagte ist Mieterin einer Wohnung der Kläger in L. . Der am 9. Juni 2017 geschlossene Formularmietvertrag enthält in § 14 unter anderem folgende Regelung:
„Betreten der Mieträume
1. Dem Vermieter oder seinem Beauftragten oder beiden steht aus besonderem Anlass (insbesondere im Fall der Beendigung des Mietverhältnisses zwecks anderweitiger Vermietung oder bei beabsichtigtem Verkauf der
Mietsache) die Besichtigung der Mieträume zu verkehrsüblicher Tageszeit nach vorheriger rechtzeitiger Ankündigung an Werktagen (auch samstags) frei.
…“
Erstmals im Jahr 2019 forderten die Kläger im Hinblick auf den von ihnen beabsichtigten Verkauf der Wohnung die Beklagte auf, ihnen den Zutritt zu der Wohnung in Begleitung von Immobilienmaklern und Kaufinteressenten zu gestatten. Die Beklagte lehnte dies unter Verweis auf ihre schwerwiegende psychische Erkrankung ab.
Mit der vorliegenden Klage haben die Kläger die Beklagte im Wesentlichen auf die Gewährung von Zutritt zur Wohnung gemeinsam mit den vorgenannten Personen an einem Werktag zwischen 10.00 und 18.00 Uhr nach einer mindestens drei Werktage vorhergehenden Ankündigung in Anspruch genommen. Das Amtsgericht hat der Klage weitgehend stattgegeben und die Beklagte verurteilt, den Klägern oder einer von ihnen mit schriftlicher Bevollmächtigung ausgestatteten Person (Makler oder Kaufinteressent) nach schriftlicher, zeitlich mindestens eine Woche vor dem Termin liegender Ankündigung in dem vorgenannten Zeitraum Zutritt zu der Mietwohnung, beschränkt auf die Anwesenheit von maximal zwei Personen für die Dauer von maximal 45 Minuten, zu gewähren.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht nach Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision begehren die Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Gründe:
Die Revision hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
Die Klage sei (als derzeit unbegründet) abzuweisen. Auch unter Würdigung ihrer berechtigten Interessen sei den Klägern ein Betretungsrecht zum Zwecke des Verkaufs der Wohnung vorliegend zu versagen.
Das grundsätzliche Zutrittsrecht der Kläger ergebe sich sowohl aus der mietvertraglichen Vereinbarung (§ 14 des Mietvertrags) als auch – jedenfalls in bestimmtem Maße und zu bestimmten Zwecken – aus einer mietvertraglichen Nebenpflicht gemäß § 242 BGB. Erforderlich sei im Rahmen von § 242 BGB eine umfassende Interessenabwägung, insbesondere der grundrechtlich geschützten Positionen der Mietvertragsparteien. Dies gelte auch für den Fall, dass – wie hier – dem Vermieter bereits mit einer Formularklausel ein entsprechendes Betretungsrecht eingeräumt worden sei, da ihm dadurch keine weitergehenden Befugnisse eingeräumt werden könnten und auch die vertragliche Vereinbarung verfassungskonform auszulegen sei.
Auf Seiten der Kläger sei im Wesentlichen das durch Art. 14 GG geschützte Eigentumsrecht zu beachten. Ausfluss dieses Eigentumsrechts sei, dass grundsätzlich zum Zwecke der Verwertung die Wohnung mit Kaufinteressenten betreten werden könne.
Dem stünden das grundgesetzlich geschützte Recht der Beklagten an der Ungestörtheit in der gemieteten Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG), das von Art. 14 Abs. 1 GG während der Mietzeit geschützte Besitzrecht der Beklagten als Mieterin sowie das von den staatlichen Organen in jeder Lage des Verfahrens zu beachtende Grundrecht der Beklagten auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) gegenüber.
Bei der derzeitigen gesundheitlichen Situation der Beklagten wiege das drohende Risiko einer erheblichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands bis hin zur Selbsttötung im Lichte von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG schwerer als die Interessen der Kläger an der Verwertung der Wohnung.
Die 1982 geborene Beklagte leide ausweislich des psychiatrischen Gutachtens des Sachverständigen an einem komplexen psychischen Störungsbild mit depressiven Verstimmungszuständen, Ängsten, Zwängen und dissoziativen Störungen. Das Krankheitsbild bestehe seit vielen Jahren und die Beklagte befinde sich seit über 20 Jahren in – teilweiser stationärer – psychiatrischer Behandlung. Sie habe mehrfach Suizidversuche unternommen. Trotz der andauernden fachärztlichen Behandlungsmaßnahmen komme der dem Berufungsgericht als erfahrener psychiatrischer Gutachter bekannte Sachverständige zu dem überzeugenden Ergebnis, dass sowohl bei Erlass eines Urteils, das ein Betretungsrecht zugunsten der Kläger ausspreche, als auch bei dessen Vollstreckung ein hohes Risiko für Handlungen mit einer erheblichen Gesundheitsgefährdung bis hin zum vollendeten Suizid bestehe. Der ohnehin schon schlechte psychische Gesundheitszustand der Beklagten drohe sich im Falle eines Betretens der Wohnung durch Dritte weiter zu verschlechtern. Dies liege insbesondere daran, dass die Wohnung von der Beklagten als einziger Rückzugs- und „Schutz“-Raum gesehen werde. Die Feststellungen des Sachverständigen stünden im Einklang mit denjenigen der behandelnden Ärzte.
Maßnahmen, die das Risiko einer erheblichen Verschlechterung des Gesundheitszustands bis hin zum Suizid im Falle eines Betretens der Wohnung durch Dritte signifikant verringerten, seien für das Berufungsgericht derzeit nicht ersichtlich. Nach den Ausführungen des Sachverständigen könne das Risiko durch weitere medikamentöse oder therapeutische Maßnahmen nicht weiter gesenkt werden.
II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung können Ansprüche der Kläger auf Gewährung von Zutritt zu der von der Beklagten angemieteten Wohnung aus § 14 Nr. 1 des Mietvertrags beziehungsweise gemäß § 242 BGB in Verbindung mit dem streitgegenständlichen Mietvertrag und auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nach § 280 Abs. 1, 2, §§ 286, 288 Abs. 4 BGB nebst Zinsen nicht verneint werden. Das Berufungsgericht hat – wie die Revision mit Recht rügt – unter Verstoß gegen § 286 Abs. 1 ZPO das von ihm eingeholte psychiatrische Sachverständigengutachten nicht vollständig gewürdigt.
1. Wie das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend angenommen hat, besteht eine vertragliche, aus § 14 Nr. 1 des Mietvertrags beziehungsweise § 242 BGB herzuleitende Nebenpflicht des Mieters, dem Vermieter – nach entsprechender Vorankündigung – den Zutritt zu seiner Wohnung zu gewähren, wenn es hierfür einen konkreten sachlichen Grund (in § 14 Nr. 1 des Mietvertrags bezeichnet als „besonderer Anlass“) gibt (vgl. Senatsurteil vom 4. Juni 2014 – VIII ZR 289/13, NJW 2014, 2566 Rn. 20 mwN), der beispielsweise – wie im vorliegenden Fall – in der gewünschten Besichtigung der Mietwohnung anlässlich ihres beabsichtigten Verkaufs mit Immobilienmaklern, Gutachtern und Kaufinteressenten liegen kann (vgl. hierzu RGZ 106, 270, 271; LG Frankfurt am Main, NZM 2002, 696; AG Stuttgart, WuM 2009, 732; BeckOK-Mietrecht/Gras, Stand: 1. Februar 2023, § 535 BGB Rn. 4201; MünchKommBGB/Häublein, 9. Aufl., § 535 Rn. 199; BeckOK-BGB/Zehelein, Stand: 1. November 2022, § 535 Rn. 551; Lützenkirchen, Mietrecht, 3. Aufl., § 535 BGB Rn. 807; Staudinger/V. Emmerich, Stand: 18. März 2022, § 535 BGB Rn. 100; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, Mietrecht, 15. Aufl., § 535 BGB Rn. 209; Blank/Börstinghaus, Miete, 6. Aufl., § 535 BGB Rn. 342; Schmid, WuM 2014, 316 ff.).
a) Während der Dauer des Mietverhältnisses ist das alleinige und uneingeschränkte Gebrauchsrecht an der Wohnung zwar dem Mieter zugewiesen. Zudem steht die Wohnung des Mieters als die räumliche Sphäre, in der sich das Privatleben entfaltet, unter dem Schutz des Art. 13 Abs. 1 GG, der das Recht gewährleistet, in diesen Räumen „in Ruhe gelassen zu werden“ (BVerfGE 89, 1, 23; BVerfG, NJW-RR 2004, 440, 441; Senatsurteil vom 24. Juni 2014 – VIII ZR 289/13, NJW 2014, 2566 Rn. 18). Jedoch besteht, wie der Senat bereits entschieden hat, eine vertragliche, aus § 242 BGB herzuleitende Nebenpflicht des Mieters, dem Vermieter – nach entsprechender Vorankündigung – den Zutritt zu seiner Wohnung zu gewähren, wenn es hierfür einen konkreten sachlichen Grund gibt (vgl. Senatsurteil vom 24. Juni 2014 – VIII ZR 289/13, aaO Rn. 20 mwN). Eine solche Pflicht kann sich zudem – wie hier – aus einer entsprechenden Vereinbarung im Mietvertrag ergeben (vgl. Senatsurteil vom 4. Juni 2014 – VIII ZR 289/13, aaO Rn. 16 f.; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, Mietrecht, 15. Aufl., § 535 BGB Rn. 218 f.; Blank/Börstinghaus, Miete, 6. Aufl., § 535 BGBRn. 344; MünchKommBGB/Häublein, 9. Aufl., § 535 Rn. 202).
b) Bei der Prüfung, ob ein solcher konkreter sachlicher Grund (bzw. dementsprechend ein „besonderer Anlass“ im Sinne des § 14 Nr. 1 des Mietvertrags) vorliegt, ist – wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat – einerseits dem Eigentumsrecht des Vermieters (Art. 14 Abs. 1 GG), andererseits auch dem Recht des Mieters, in den Mieträumen „in Ruhe gelassen“ zu werden (Art. 13 Abs. 1 GG), und seinem ebenfalls von Art. 14 Abs. 1 GG geschütztem Recht am Besitz der Mietwohnung Rechnung zu tragen (vgl. BVerfG, NJW-RR 2004, 440, 441). Die Tatgerichte sind insofern gehalten, die widerstreitenden grundrechtlich geschützten Rechtspositionen der Vertragsparteien zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen (vgl. BVerfG, aaO; BVerfGE 90, 27, 33 f.; siehe auch Schmidt-Futterer/Eisenschmid, Mietrecht, 15. Aufl., § 535 BGB Rn. 213; Blank/Börstinghaus, Miete, 6. Aufl., § 535 BGB Rn. 339; Oppermann/Steege, WuM 2017, 361, 361 f.; Schmid, WuM 2014, 316).
2. Unter Anwendung dieser Maßstäbe ist das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass den Klägern als Vermietern im Hinblick auf die von ihnen beabsichtigte Veräußerung der Wohnung grundsätzlich ein Recht auf Betreten der vermieteten Wohnung zuzubilligen ist. Denn angesichts der mit diesem grundsätzlich berechtigten Grund einhergehenden lediglich geringfügigen Beeinträchtigung der von Art. 13 Abs. 1 GG, Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Interessen des Mieters werden diese regelmäßig hinter dem ebenfalls von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Interesse des Vermieters, über sein Eigentum frei verfügen und dieses bei Bedarf veräußern zu können, zurücktreten.
3. Das Berufungsgericht hat ferner rechtsfehlerfrei erkannt, dass unter besonderen Umständen diese Interessen des Vermieters jedoch – ausnahmsweise – eine Beschränkung erfahren können, wenn der Mieter durch die Besichtigung der Wohnung der Gefahr schwerwiegender Gesundheitsbeeinträchtigungen oder gar einer Lebensgefahr ausgesetzt und damit in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG beeinträchtigt ist.
a) Aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgt, dass die Gerichte bei drohenden schwerwiegenden Gesundheitsbeeinträchtigungen oder Lebensgefahr verfassungsrechtlich gehalten sind, ihre Entscheidung auf eine tragfähige Grundlage zu stellen, Beweisangeboten besonders sorgfältig nachzugehen (BVerfG, WM 2016, 1449, 1450; NJW-RR 2014, 584 Rn. 10; NZM 2005, 657, 658 f.; NJW 1991, 3207) und diesen Gefahren bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen hinreichend Rechnung zu tragen (BVerfG, NJW 1998, 295, 296; Senatsurteil vom 9. November 2016 – VIII ZR 73/16, NJW-RR 2017, 134 Rn. 22 mwN).
Diesen Anforderungen hat das Berufungsgericht Rechnung getragen und hat zur Beurteilung der vorbezeichneten Gefahren das Gutachten eines psychiatrischen Sachverständigen eingeholt.
b) Auch hat das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend erkannt, dass es für die Beurteilung der rechtlichen Bedeutung der von der Beklagten geltend gemachten schweren Gesundheitsbeeinträchtigung infolge eines Betretens der Wohnung zunächst einer Feststellung der in die Abwägung einzustellenden sonstigen Interessen der Parteien bedarf, wobei auch die Folgen einer Zutrittsgewährung beziehungsweise ihrer Verweigerung für die jeweilige Partei in den Blick zu nehmen sind. Dementsprechend hat das Berufungsgericht – entgegen der Auffassung der Revision – noch rechtsfehlerfrei auch die Konsequenzen einer Zutrittsverweigerung für die Kläger in seine Erwägungen miteinbezogen (hierzu unter aa). Ebenfalls ohne Rechtsfehler hat es bei der Prüfung der abwägungsrelevanten Interessen der Beklagten angenommen, dass die Beklagte nicht – wie die Revision meint – auf ihre zwangsweise Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung zur Reduzierung des Suizidrisikos verwiesen werden kann (hierzu unter bb).
Das Berufungsgericht hat jedoch das von ihm zur Feststellung der Art und des Ausmaßes der von der Beklagten geltend gemachten Erkrankung und ihrer Folgen eingeholte psychiatrische Sachverständigengutachten hinsichtlich der Frage, ob und inwieweit sich die gesundheitlichen Folgen einer Zutrittsgewährung für die Beklagte mindern lassen, verfahrensfehlerhaft nicht vollständig gewürdigt (hierzu unter cc). Die tatrichterliche Beweiswürdigung kann zwar von dem Revisionsgericht nur eingeschränkt überprüft werden, nämlich darauf, ob der Tatrichter sich mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung vollständig und rechtlich möglich ist, und nicht gegen die Denk- und Naturgesetze verstößt (st. Rspr.; vgl. etwa Senatsurteile vom 29. März 2017 – VIII ZR 44/16, NJW 2017, 2819 Rn. 24; vom 11. November 2020 – VIII ZR 191/18, NJW-RR 2021, 84 Rn. 21; vom 7. April 2021 – VIII ZR 49/19, NJW 2021, 2281 Rn. 54; jeweils mwN). Derartige Fehler sind dem Berufungsgericht hier aber unterlaufen.
aa) Das Berufungsgericht hat allerdings – entgegen der Ansicht der Revision – die Folgen einer Zutrittsverweigerung für die Kläger hinreichend in den Blick genommen.
(1) Es hat in diesem Zusammenhang weder übergangen, dass das Krankheitsbild der Beklagten seit vielen Jahren besteht und die Beklagte sich seit über 20 Jahren in Behandlung befindet, noch, dass durch weitere medikamentöse und therapeutische Behandlungen der Zustand der Beklagten nicht wesentlich verbessert werden kann. Das Berufungsgericht hat auf diese Gesichtspunkte vielmehr ausdrücklich in seiner Entscheidung hingewiesen und hat ausgeführt, dass die Abweisung der Klage einen erheblichen Eingriff in das Eigentumsrecht der Klagepartei bedeute. Hierbei hat das Berufungsgericht eine Besserung des Gesundheitszustands der Beklagten nicht für wahrscheinlich erachtet und darauf hingewiesen, dass im Fall des Eintritts einer solchen Verbesserung nicht nur weniger einschneidende Maßnahmen als das Betreten der Wohnung in Anwesenheit der Beklagten in Betracht kommen könnten, sondern das Betretungsrecht insgesamt neu bewertet werden müsste.
Das Berufungsgericht hat somit auch berücksichtigt, dass den Klägern unter Umständen der dauerhafte Entzug des Besichtigungsrechts drohen könnte. Es hat hieraus lediglich nicht den von der Revision gewünschten Schluss gezogen, dass die (derzeit) fehlende Besichtigungsmöglichkeit eine (wirtschaftlich sinnvolle) Veräußerung der Mietwohnung gänzlich ausschließe, sondern darauf verwiesen, dass unter Umständen die Möglichkeit bestehe, die Wohnung auch ohne vorherige Besichtigung zu veräußern. Übergangenen Vortrag hierzu zeigt die Revision nicht auf, sondern sie versucht lediglich, ihre Würdigung an die Stelle derjenigen des Berufungsgerichts zu setzen. Dies ist revisionsrechtlich unbehelflich.
(2) Entgegen der Auffassung der Revision ist auch die Würdigung des Berufungsgerichts, mit einem drohenden erheblichen Wertverlust der Immobilie sei angesichts der Preisentwicklung der vergangenen Jahre nicht zu rechnen, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Einen belastbaren allgemeinen Erfahrungssatz dahingehend, dass eine Wohnung, die von Erwerbsinteressenten nicht besichtigt werden könne, nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht oder nur in geringerem Umfang an der allgemeinen Preisentwicklung teilnehme, gibt es nicht. Gegenteiliges vermag auch die Revision nicht aufzuzeigen.
(3) Ohne Erfolg rügt die Revision weiterhin, das Berufungsgericht habe das besondere Interesse des Klägers zu 2 an der Besichtigung der Wohnung bei seiner Gesamtabwägung nicht ansatzweise berücksichtigt und dadurch gegen Art. 103 Abs. 1 GG sowie gegen § 286 ZPO verstoßen. Die Revision zeigt keine besonderen Umstände auf noch ist sonst ersichtlich, dass sich das Berufungsgericht mit dem Vorbringen der Kläger, sie benötigten den Erlös aus dem Verkauf der von der Beklagten gemieteten Wohnung, um – nachdem ihre Eigenbedarfskündigung dieser Wohnung gescheitert sei – für den Kläger zu 2 eine andere Wohnung zum Selbstbezug zu erwerben, nicht befasst haben könnte. Das Berufungsgericht hat in seiner Abwägung vielmehr ausdrücklich die mit einer Besichtigung einhergehende bessere Verkaufsmöglichkeit berücksichtigt und hervorgehoben, dass die Abweisung der Klage einen erheblichen Eingriff in das Eigentumsrecht der Kläger darstelle. Eines ausdrücklichen Eingehens auf den von den Klägern angestrebten Erwerb einer Wohnung für den Kläger zu 2 im Berufungsurteil bedurfte es vor diesem Hintergrund nicht.
bb) Ebenfalls zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Beklagte nicht auf eine Unterbringung nach Art. 5 des Bayerischen PsychischKranken-Hilfe-Gesetzes vom 24. Juli 2018 (BayPsychKHG; GVBl. S. 583) verwiesen werden kann. Die Revision rügt insofern zu Unrecht, das Berufungsgericht habe die Möglichkeit einer solchen Unterbringung der Beklagten mit unzutreffenden Erwägungen abgelehnt. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht eine Unterbringung der Beklagten zur Ermöglichung des Betretens der Wohnung durch den Vermieter wegen des beabsichtigten Verkaufs im Hinblick auf die vom Berufungsgericht festgestellte Gefahr einer hierdurch drohenden Verschlechterung des Gesundheitszustands der Beklagten jedenfalls als nicht geeignete und nicht verhältnismäßige Maßnahme angesehen.
Soweit die Revision in diesem Zusammenhang geltend macht, der Beklagten sei grundsätzlich zuzumuten, fachliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, um die Selbsttötungsgefahr zu verringern, übergeht sie, dass die Beklagte sich nach den insofern nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts seit über 20 Jahren in psychiatrischer (ambulanter oder stationärer) Behandlung befindet und medikamentös behandelt wird.
cc) Die Revision beanstandet mit der Verfahrensrüge (§ 286 Abs. 1, §§ 551, 557 Abs. 3 Satz 2 ZPO; vgl. hierzu Senatsurteil vom 7. April 2021 – VIII ZR 49/19, NJW 2021, 2281 Rn. 55 mwN) jedoch zu Recht, das Berufungsgericht habe den Inhalt des von ihm eingeholten psychiatrischen Sachverständigengutachtens nicht vollständig zur Kenntnis genommen und sich mit den Ausführungen des Sachverständigen zu den gesundheitlichen Auswirkungen einer möglichen Vertretung der Beklagten bei einer Wohnungsbesichtigung nicht auseinandergesetzt. Der Senat ist im Hinblick auf diese durchgreifende Verfahrensrüge nicht an die angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts gebunden (§ 559 Abs. 2 BGB; vgl. Senatsurteil vom 7. April 2021 – VIII ZR 49/19, aaO).
Das Berufungsgericht ist entsprechend der Beurteilung des psychiatrischen Gutachtens des Sachverständigen zu dem Ergebnis gelangt, dass sowohl bei Erlass als auch bei der Vollstreckung eines Urteils, das ein Betretungsrecht zugunsten der Kläger ausspreche, ein hohes Risiko für Handlungen der Beklagten mit einer erheblichen Gesundheitsgefährdung bis hin zum vollendeten Suizid bestehe und Maßnahmen, die das Risiko einer solchen erheblichen Verschlechterung signifikant verringerten, derzeit nicht ersichtlich seien.
Mit den Ausführungen des Sachverständigen, wonach sich das Risiko für gesundheitliche Komplikationen, wenn sich die Beklagte bei einem Betreten der Wohnung durch Vermieter, Kaufinteressenten oder Makler von einer Vertrauensperson beziehungsweise einem Rechtsanwalt vertreten lasse, im Vergleich zu einer Besichtigung bei persönlicher Anwesenheit der Beklagten verringere, hat sich das Berufungsgericht dagegen unter Verstoß gegen § 286 Abs. 1 ZPO nicht auseinandergesetzt, obwohl sie der Annahme einer durch das Betreten der Wohnung nicht zu vermeidenden Gesundheitsverschlechterung der Beklagten entgegenstehen. Es hat eine Vertretung der Beklagten bei der Wohnungsbesichtigung lediglich als eine Maßnahme im Fall einer eventuellen Besserung des Gesundheitszustands der Beklagten in Erwägung gezogen.
Soweit die vorgenannten Ausführungen des Sachverständigen zu den Auswirkungen einer Vertretung in (scheinbarem) Widerspruch zu den Feststellungen des Sachverständigen stehen, wonach eine der Klage stattgebende Entscheidung ein hohes Risiko einer erheblichen Gesundheitsgefährdung mit sich bringe, wäre es die Aufgabe des Berufungsgerichts als Tatgericht gewesen, auf eine Aufklärung dieses möglichen Widerspruchs – etwa mittels einer Erläuterung durch den Sachverständigen gemäß § 411 Abs. 3 ZPO – hinzuwirken (vgl. BGH, Urteil vom 25. Februar 2009 – IV ZR 27/08, juris Rn. 9 mwN; Beschluss vom 10. Juli 2018 – VI ZR 580/15, NJW 2018, 3097 Rn. 10).
3. Das Berufungsurteil beruht auf dem dargelegten Rechtsfehler (§ 545 Abs. 1 ZPO). Bei der – hier vorliegenden – Verletzung verfahrensrechtlicher Bestimmungen genügt bereits die Möglichkeit, dass das Berufungsgericht ohne den Verfahrensfehler zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre (Senatsurteile vom 24. September 2014 – VIII ZR 394/12, BGHZ 202, 258 Rn. 66 mwN; vom 6. Mai 2015 – VIII ZR 161/14, NJW 2015, 2111 Rn. 19). Im Streitfall ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre, wenn es die vorgenannten Ausführungen des Sachverständigen in seine Würdigung miteinbezogen beziehungsweise den Sachverständigen zu seinen – möglicherweise nur scheinbar – widersprüchlichen Feststellungen ergänzend befragt hätte.
III.
Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit die hiernach erforderlichen weiteren Feststellungen – gegebenenfalls nach einer ergänzenden Anhörung des psychiatrischen Sachverständigen – erfolgen können.