Landgericht klärt Pflichten bei verwalterloser Wohnungseigentümergemeinschaft
Das Landgericht Rostock hat im Fall „1 S 132/22“ die Beschlüsse einer Eigentümerversammlung teilweise für ungültig erklärt, indem es die Bestellung einer neuen Verwalterin und zugehörige Vollmachten annullierte, weil diese Beschlüsse nicht ordnungsgemäß verwaltet wurden. Die Klage gegen die Abberufung der alten Verwalterin wurde abgewiesen, da das Gericht auf Basis des Protokolls und der Zeugenaussagen feststellte, dass die Beschlüsse rechtmäßig gefasst wurden.
Übersicht
Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 1 S 132/22 >>>
✔ Das Wichtigste in Kürze
- Die Berufung im Fall Az. 1 S 132/22 führte zur Teilungültigkeit von Beschlüssen bezüglich der Verwalterbestellung und zugehörigen Vollmachten, da diese nicht den ordnungsgemäßen Verwaltungsgrundsätzen entsprachen.
- Das Gericht bestätigte, dass die Abberufung der früheren Verwalterin und die Kündigung ihres Vertrags rechtmäßig waren, basierend auf einer klaren Mehrheit und protokollierten Zeugenaussagen.
- Der Beschlussinhalt wurde als hinreichend bestimmt angesehen, trotz Einwände bezüglich der Festlegung einer Person für die Vertragskündigung.
- Die Kosten der Berufung wurden zu 71% den Beklagten und zu 29% der Klägerin auferlegt, während die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit standardmäßigen zivilprozessualen Regeln folgte.
- Die Streitwertfestsetzung basierte auf der finanziellen Bedeutung der Verwalterbestellung und der vertraglichen Laufzeit, wobei das Gericht eine detaillierte Berechnung des Klägerinteresses vornahm.
Die verwalterlose Wohnungseigentümergemein
Eine verwalterlose Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) stellt Eigentümer vor besondere Herausforderungen. In einer solchen Situation müssen die Mitglieder gemeinschaftlich die Verantwortung für die ordnungsgemäße Verwaltung des Objekts übernehmen. Dies beinhaltet zahlreiche Pflichten wie die Einberufung von Eigentümerversammlungen, die Beschlussfassung über erforderliche Maßnahmen sowie die Durchführung laufender Verwaltungsaufgaben.
Die Rechtslage für verwalterloses Wohnungseigentum ist komplex und enthält viele Fallstricke. Eine sorgfältige Beachtung der gesetzlichen Bestimmungen und Verfahrensregeln ist essenziell, um die Handlungsfähigkeit der WEG aufrechtzuerhalten und spätere Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.
➜ Der Fall im Detail
Rechtliche Klärung bei verwalterloser Wohnungseigentümergemeinschaft
Im Zentrum des Falles stand die verwalterlose Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG), die durch die Beschlüsse einer Eigentümerversammlung neue Verwaltungsstrukturen schaffen wollte. Diese Beschlüsse wurden später angefochten. Das Landgericht Rostock hatte über die Gültigkeit dieser Entscheidungen zu urteilen, insbesondere über die Bestellung einer neuen Verwalterin und die damit verbundenen Vollmachten. Die rechtliche Auseinandersetzung entzündete sich an der Frage, ob die Beschlüsse ordnungsgemäß und im Einklang mit den geltenden gesetzlichen Bestimmungen gefasst wurden. Der Fall zeigt die typischen Schwierigkeiten auf, die entstehen können, wenn eine WEG ohne Verwalter dasteht und wichtige administrative Entscheidungen getroffen werden müssen.
Die Entscheidung des Landgerichts Rostock
Das Gericht stellte fest, dass die Beschlüsse der Eigentümerversammlung, insbesondere zur Bestellung der Verwalterin und zu den damit verbundenen Vollmachten, nicht den Anforderungen ordnungsgemäßer Verwaltung entsprachen. Die Beschlüsse wurden für ungültig erklärt, weil sie wichtige Aspekte wie die Vertragsdauer und die Vergütung der Verwalterin nicht klar regelten. Diese Unzulänglichkeiten führten zur Ungültigkeit der Entscheidungen, da sie wesentliche Vertragsbestandteile offen ließen, was gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung verstößt. Das Gericht bezog sich dabei auf die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die verlangt, dass bei der Bestellung eines Verwalters die wesentlichen Vertragsparameter bekannt sein müssen.
Rechtsprinzipien und ihre Anwendung
Die Richter erläuterten, dass sowohl Anfechtungs- als auch Nichtigkeitsgründe auf denselben Lebenssachverhalt bezogen und damit nicht als unterschiedliche Streitgegenstände zu behandeln sind. Dies bedeutet, dass die Gerichtsentscheidung, ob eine Ungültigkeitserklärung oder eine Nichtigkeitserklärung angestrebt wird, denselben rechtlichen Überprüfungsstandard erfordert. Durch diese Auslegung wird eine umfassende rechtliche Prüfung der Beschlussfassungen ermöglicht und sichergestellt, dass alle relevanten rechtlichen Aspekte berücksichtigt werden.
Kostenverteilung und vorläufige Vollstreckbarkeit
Ein weiterer wichtiger Aspekt des Urteils war die Entscheidung über die Kostenverteilung. Die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten wurden entsprechend dem Ausgang der Berufung verteilt, wobei die Beklagten einen höheren Anteil tragen mussten. Diese Regelung reflektiert die teilweise Niederlage der Beklagten im Berufungsverfahren. Zudem wurde das Urteil für vorläufig vollstreckbar erklärt, was bedeutet, dass die Entscheidung umgesetzt wird, auch wenn noch Rechtsmittel eingelegt werden könnten.
Streitwertfestsetzung und deren Bedeutung
Schließlich ist die Festsetzung des Streitwerts von besonderer Bedeutung, da sie die finanzielle Bewertung des Streitgegenstandes widerspiegelt und Einfluss auf die Kostenentscheidung hat. Das Gericht nahm hier eine Anpassung vor und setzte den Streitwert für die Berufung höher als in der ersten Instanz an, basierend auf dem wirtschaftlichen Interesse der Parteien an der Klärung der Verwalterbestellung.
✔ Häufige Fragen – FAQ
Was sind die Hauptpflichten einer Wohnungseigentümergemeinschaft ohne Verwalter?
Ohne einen bestellten Verwalter gehen die Hauptpflichten einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) auf die Eigentümer selbst über. Gemäß § 18 Abs. 1 des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) obliegt die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Die zentralen Pflichten sind:
- Ordnungsgemäße Verwaltung und Benutzung: Jeder Wohnungseigentümer kann gemäß § 18 Abs. 2 WEG von der Gemeinschaft eine ordnungsgemäße Verwaltung und Benutzung des Gemeinschaftseigentums verlangen. Dazu gehören beispielsweise die Instandhaltung, Versicherung und Finanzplanung.
- Beschlussfassung: Ohne Verwalter müssen die Eigentümer gemeinschaftlich Beschlüsse über die Verwaltung fassen, etwa zur Instandsetzung oder Jahresabrechnung (§ 19 WEG).
- Gemeinschaftliche Vertretung: Hat die WEG keinen Verwalter, vertreten die Wohnungseigentümer gemeinschaftlich die Eigentümergemeinschaft nach außen (§ 9b Abs. 1 S. 2 WEG).
- Zahlungspflichten: Die einzelnen Eigentümer müssen die laufenden Kosten der Gemeinschaft durch Zahlung von Hausgeld tragen.
- Mitwirkungspflichten: Alle Eigentümer sind verpflichtet, an der ordnungsgemäßen Verwaltung und Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums mitzuwirken.
Insgesamt lastet ohne Verwalter eine erhebliche organisatorische und rechtliche Verantwortung auf den Eigentümern. Eine professionelle Verwaltung ist daher in den meisten Fällen ratsam.
Wie kann eine Wohnungseigentümergemeinschaft einen neuen Verwalter bestellen?
Eine Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) kann einen neuen Verwalter wie folgt bestellen:
- Einberufung der Eigentümerversammlung: Wenn kein Verwalter und Verwaltungsbeirat bestellt sind, kann gemäß § 24 Abs. 4 WEG jeder Wohnungseigentümer die Eigentümerversammlung einberufen, um über die Verwalterbestellung zu beschließen.
- Beschlussfassung: Die Bestellung des Verwalters erfolgt durch einfachen Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer (§ 26 Abs. 1 WEG). Der Beschluss muss die Person des Verwalters, den Beginn und die Dauer der Bestellung (maximal 5 Jahre) festlegen.
- Verwaltervertrag: Nach der Beschlussfassung wird zwischen der WEG und dem Verwalter ein schuldrechtlicher Verwaltervertrag geschlossen, der die Rechte und Pflichten regelt. Dieser Vertrag ist vom Bestellungsbeschluss zu trennen.
- Zertifizierungspflicht ab 2023: Ab 1.12.2023 müssen in WEGs mit mindestens 9 Einheiten nur noch zertifizierte Verwalter bestellt werden, die eine Prüfung bei der IHK abgelegt haben.
- Anmeldung beim Grundbuchamt: Die Verwalterbestellung muss zur Wirksamkeit gegenüber Dritten beim Grundbuchamt angemeldet werden (§ 27 Abs. 3 WEG).
Wichtig ist, dass die Eigentümer den gesetzlich vorgeschriebenen Prozess einhalten, um eine wirksame Verwalterbestellung zu gewährleisten. Bei Fragen sollte anwaltlicher Rat eingeholt werden.
Welche rechtlichen Risiken bestehen bei der Führung einer WEG ohne Verwalter?
Bei der Führung einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) ohne Verwalter bestehen folgende rechtliche Risiken:
- Fehlende Fachkenntnisse; Ohne professionellen Verwalter fehlt den Eigentümern oft das nötige Fachwissen zu Themen wie Beschlussfassung, Jahresabrechnungen, Instandhaltung etc. Dies kann zu Fehlern und Rechtsverstößen führen.
- Haftungsrisiken; Die Eigentümer haften persönlich für Pflichtverletzungen gegenüber der Gemeinschaft, z.B. bei Verletzung der Instandhaltungspflicht. Bei gravierenden Verstößen droht eine Haftung mit dem Privatvermögen.
- Vertretungsprobleme: Ohne Verwalter müssen alle Eigentümer die WEG gemeinschaftlich nach außen vertreten, z.B. beim Abschluss von Verträgen. Dies ist oft unpraktisch und kann zu Komplikationen führen.
- Verwaltungsdefizite: Aufgaben wie Einberufung der Eigentümerversammlung, Protokollführung, Rechnungsstellung etc. können ohne Verwalter leicht vernachlässigt werden, was zu Rechtsunsicherheiten führt.
- Beschlussmängel: Formelle Vorgaben für Beschlüsse werden häufig nicht eingehalten, was zur Anfechtbarkeit von Beschlüssen führen kann.
- Streitigkeiten: Ohne neutrale Instanz wie einen Verwalter besteht ein höheres Konfliktpotenzial zwischen den Eigentümern, was zu Rechtsstreitigkeiten führen kann.
Insgesamt ist die Selbstverwaltung mit erheblichen rechtlichen Risiken verbunden. In den meisten Fällen ist daher die Bestellung eines professionellen Verwalters ratsam, um Haftungsrisiken zu minimieren.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- § 26 Abs. 3 WEG (Wohnungseigentumsgesetz): Regelt, dass ein Verwalter jederzeit abberufen werden kann und der Verwaltervertrag nach Abberufung spätestens nach sechs Monaten endet. Dies ist zentral für das Verständnis der Rechtslage bei der Verwalterbestellung und -abberufung in einer WEG, was direkten Bezug zu den im Text beschriebenen ungültigen Beschlüssen hat.
- § 45 WEG: Bestimmt die Fristen für die Anfechtung von Beschlüssen der Wohnungseigentümerversammlung. Die Relevanz ergibt sich aus der Anfechtung der Beschlüsse zur Verwalterbestellung, die im Falle ihrer Ungültigkeit erhebliche rechtliche Konsequenzen für die Eigentümergemeinschaft hat.
- § 24 Abs. 3 WEG (alte Fassung bis 30.11.2020): Erlaubt dem Verwaltungsbeiratsvorsitzenden oder seinem Vertreter, die Eigentümerversammlung einzuberufen, wenn kein Verwalter bestellt ist. Dies klärt, unter welchen Umständen und durch wen die Eigentümerversammlung in verwalterlosen Zeiten einberufen werden darf.
- § 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO (Zivilprozessordnung): Erlaubt es, von einer ausführlichen Darstellung des Tatbestands in einem Berufungsurteil abzusehen, was für das Verständnis der Form und des Inhalts von gerichtlichen Entscheidungen im Berufungsverfahren wichtig ist.
- § 18 WEG: Bestimmt die grundsätzlichen Aufgaben und Befugnisse des Verwalters. Dieses Gesetz ist zentral für die Bewertung der Rechtmäßigkeit von Verwalterbeschlüssen, da es den Rahmen für die Verwaltungstätigkeit in einer WEG setzt.
- § 711 ZPO: Regelung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit von Urteilen, die erklärt, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang ein Urteil auch vor Rechtskraft vollstreckbar ist, was insbesondere im Kontext der Kostenverteilung und der sofortigen Umsetzung gerichtlicher Entscheidungen relevant ist.
Das vorliegende Urteil
LG Rostock – Az.: 1 S 132/22 – Urteil vom 29.09.2023
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Wismar vom 07.11.2022, Az. 8 C 368/20 WEG, teilweise abgeändert:
Die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 18.08.2020 zu TOP 7.2 (Bestellung der … und Hausverwaltung), TOP 9 (Unterschriftsberechtigung Verwaltervollmacht) und TOP 10 (Unterschriftsberechtigung Verwaltungsvertrag) werden für ungültig erklärt.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
2. Die Gerichtskosten erster Instanz haben die Beklagten nach Kopfteilen zu 84% und die Klägerin zu 16% zu tragen.
Die erstinstanzlichen außergerichtlichen Kosten der Klägerin haben die Beklagten nach Kopfteilen zu 80% zu tragen.
Die erstinstanzlichen außergerichtlichen Kosten der Beklagten hat die Klägerin zu 16% zu tragen.
Im Übrigen tragen die Klägerin und die Beklagten ihre erstinstanzlichen außergerichtlichen Kosten selbst.
3. Die Kosten der Berufung haben die Beklagten nach Kopfteilen zu 71% und die Klägerin zu 29% zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss:
Der Streitwert wird in Abänderung der amtsgerichtlichen Festsetzung für den Rechtsstreit erster Instanz auf 3.100,12 Euro festgesetzt.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 3.306,30 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen (§§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO).
II.
Die zulässige Berufung ist zum Teil erfolgreich, im Übrigen zurückzuweisen.
1. Die Klage ist begründet, soweit sie sich gegen die Beschlüsse zur Bestellung der neuen Verwalterin und die dazugehörigen Unterschriftsvollmachten bezieht.
a) Insoweit sind die Beschlüsse nach dem „Hilfsantrag“ der Klägerin für ungültig zu erklären, ohne dass über den „Hauptantrag“ der Klägerin entschieden werden muss, mit dem sie die Feststellung begehrt, die Beschlüsse seien gar nicht (wirksam) gefasst worden. Die Anträge stehen nicht in einem eigentlichen Eventualverhältnis.
Es gelten insoweit dieselben Grundsätze wie im Verhältnis zwischen Nichtigkeits- und Anfechtungsklage:
Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 15. Oktober 2021 – V ZR 225/20 -) betreffen auf denselben Lebenssachverhalt gestützte Anfechtungs- und Nichtigkeitsgründe keine unterschiedlichen Streitgegenstände. Da der Streitgegenstand maßgeblich durch den Antrag mitbestimmt wird, führt dies dazu, dass sowohl mit einem auf Feststellung der Nichtigkeit als auch mit einem auf Ungültigkeitserklärung gerichteten Antrag jeweils das umfassende Rechtschutzziel zum Ausdruck gebracht wird, unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt eine verbindliche Klärung der Gültigkeit des zur Überprüfung gestellten Eigentümerbeschlusses herbeizuführen. Es kann daher auch etwa ohne Antragsumstellung die Nichtigkeit des Beschlusses ausgesprochen werden, obwohl der Antrag seinem Wortlaut nach (nur) darauf gerichtet war, den Beschluss für ungültig zu erklären. Wegen der Identität des Streitgegenstandes sind auch die Auswirkungen der Rechtskraft dieselben, gleichgültig, ob die Ungültigkeit des in Rede stehenden Beschlusses festgestellt oder durch Urteil ausgesprochen wird. Mit dem Eintritt der Rechtskraft steht in beiden Fällen fest, ob der Beschluss Rechtswirkungen entfaltet oder nicht. Abgesehen von den Fällen der Fristversäumung nach § 46 Abs. 1 WEG a.F. (nunmehr § 45 WEG) besteht dann aber auch keine Notwendigkeit, die mitunter nicht einfach zu beantwortende Frage nach der Einordnung als Anfechtungs- oder Nichtigkeitsgrund zu klären (BGH, Urteil vom 2. Oktober 2009 – V ZR 235/08 -, BGHZ 182, 307-317, Rn. 20 – 21), also überhaupt zwischen Nichtigkeit und Anfechtbarkeit zu unterscheiden.
Dies lässt sich ohne weiteres auf das Verhältnis der vorliegenden Anträge zueinander übertragen. Sie haben denselben Lebenssachverhalt und das identische Rechtsschutzziel, unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt die Gültigkeit der betreffenden Beschlüsse zu klären und eine rechtskräftige Entscheidung darüber herbeizuführen, dass die aus dem Protokoll ersichtlichen (Schein-)Beschlüsse keine Rechtswirkungen entfalten. Ob die Beschlüsse überhaupt gefasst worden sind oder nur infolge wirksamer Anfechtung keine Wirkungen entfalten, kann danach dahinstehen.
b) Die Beschlüsse zu TOP 7.2, 9 und 10 widersprechen insgesamt ordnungsgemäßer Verwaltung und sind deshalb für ungültig zu erklären.
Der Beschluss zu TOP 7 enthält über seinen Wortlaut hinaus bei sachgerechter Auslegung die Bestellung der neuen Verwalterin und die Annahme ihres – der Eigentümerversammlung vorliegenden – Angebots auf Abschluss eines Verwaltervertrags. Dem Angebotsschreiben der … vom 23.7.2020 hatte ein Blanko-Vertragsmuster beigelegen, der u.a. die Leistungen der Verwalterin und die Höhe der Vergütung beschreibt, allerdings keine Angaben zur Laufzeit enthält; das hierfür vorgesehene Feld ist nicht ausgefüllt. Auch das Übersendungsschreiben verhält sich nicht zur Vertragsdauer. Es hätte aber einer Regelung der Vertragsdauer bedurft.
Es widerspricht nach überwiegender Ansicht ordnungsmäßiger Verwaltung, den Verwalter zu bestellen, ohne zugleich die vertraglich geschuldete Vergütung und die Dauer des Verwaltervertrags zu regeln (BGH, Urteil vom 27. Februar 2015 – V ZR 114/14 -). Danach ist es im Grundsatz erforderlich, dass in derselben Eigentümerversammlung, in der die Bestellung des Verwalters erfolgt, auch die Eckpunkte des abzuschließenden Verwaltervertrags (Laufzeit und Vergütung) in wesentlichen Umrissen geregelt werden; hiervon kann nur unter besonderen Umständen übergangsweise abgewichen werden (BGH, a.a.O. Rn. 9). Zu den Eckpunkten des Verwaltervertrags, die bei der Bestellung in wesentlichen Umrissen geregelt werden bzw. bekannt sein müssen, gehören Laufzeit und Vergütung. Beide Gesichtspunkte sind nicht nur für den Verwaltervertrag, sondern auch für die Auswahlentscheidung im Rahmen der Bestellung von wesentlicher Bedeutung. Hinsichtlich der Laufzeit darf nicht offenbleiben, ob der Vertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen wird oder ob beide Seiten eine längere Bindung eingehen werden (BGH, a.a.O. Rn. 12).
Diese Rechtsprechung beruht auf der bis zum 20.11.2020 geltenden Regelungen im WEG. Nach der Neuregelung des § 26 Abs. 3 WEG kann ein Verwalter jederzeit abberufen werden kann; der Verwaltervertrag endet dann spätestens nach sechs Monaten. Die Gründe für die Erforderlichkeit einer Laufzeitbestimmung werden hierdurch jedenfalls teilweise entkräftet. Gleichwohl muss es im vorliegenden Fall bei den dargelegten Erfordernissen bleiben. Die auf dem WEMoG vom 16.10.2020 beruhende Neuregelung ist erst nach der Eigentümerversammlung vom 18.8.2020 beschlossen worden und in Kraft getreten. Die Rechtmäßigkeit des Beschlusses ist aber nach der zum Zeitpunkt der Beschlussfassung geltenden Rechtslage zu beurteilen.
Nach den dargelegten Grundsätzen führt das Fehlen der Laufzeitregelung hier zu einem durchgreifenden Mangel des Bestellungsaktes (und in der Folge auch der Unterschriftsermächtigungen). Besondere Umstände, die eine abweichende Beurteilung ermöglichten (wie sie etwa im Fall der Wiederbestellung des bisherigen Verwalters in Betracht kommen können), sind nicht ersichtlich.
2. Dagegen hat das Amtsgericht die gegen die Abberufung der früheren Verwalterin … und die Beendigung des mit dieser geschlossenen Vertrags gerichteten Klage zu Recht abgewiesen.
a) Im Ergebnis der Beweisaufnahme ist die Kammer davon überzeugt, dass die Versammlungsleiterin den Antrag auf Abberufung der früheren Verwalterin und Kündigung des Verwaltervertrags zur Abstimmung gestellt hat. Dies folgt aus dem Protokoll und den Angaben des von der Klägerin benannten Zeugen … Ob die Versammlungsleiterin das Abstimmungs- und Beschlussergebnis förmlich verkündet hat, wie es das Versammlungsprotokoll ausweist, kann dahinstehen. Angesichts des unbestrittenen Verhältnisses der abgegebenen Stimmen (22 Ja-Stimmen zu 2 Nein-Stimmen), also der eindeutigen Annahme der Anträge, hat auch eine konkludente Verkündung genügt, die darin liegt, dass die Versammlungsleiterin sodann zum TOP 6 (Vorstellung dreier neuer Verwalterangebote) übergegangen ist, was das Verständnis impliziert, dass die vormalige Verwaltung nunmehr beendet sei.
Eine (in erster Instanz beantragte) Vernehmung des Beklagten … war nicht geboten. Die Vernehmung einer gegnerischen Partei nach § 445 ZPO ist subsidiär zur Zeugenvernehmung und erfordert einen (erneuten) Antrag nach Erhebung des anderen Beweises (vgl. Zöller, ZPO, 34. Aufl. § 445 Rn. 3 m.w.N.). Ein solcher ist nicht gestellt worden.
b) Die Beschlüsse weisen keinen die Anfechtung stützenden Mangel auf.
aa) Einberufungsbefugnis
Die von der Verwaltungsbeirätin ausgesprochene Einladung ist nach § 24 Abs. 3 WEG in der bis zum 30.11.2020 geltenden Fassung nicht zu beanstanden. Nach dieser Vorschrift war der Vorsitzende des Verwaltungsbeirats oder sein Vertreter zur Einberufung berechtigt, wenn ein Verwalter fehlte. So liegt es im vorliegenden Fall. Der Zeuge … hatte am 9.8.2020 auf dem Briefbogen der … das Verwaltungsamt niedergelegt. Er hat dabei in Ausübung seiner nach wie vor bestehenden Generalvollmacht gehandelt, wie er in seiner Vernehmung angegeben hat. Zweifel an dem Wahrheitsgehalt dieser Angabe bestehen angesichts dessen, dass der Zeuge unstreitig in der gesamten Zeit der Verwaltung duch die … für diese gehandelt hat, nicht.
bb) Ladungsfrist
Die satzungsgemäße Ladungsfrist von einer Woche ist zwar (knapp) nicht eingehalten worden. Die Satzung sieht indes von diesem Erfordernis im Fall besonderer Dringlichkeit ab. Ein solcher hat vorgelegen. Wie dargelegt, war die Eigentümergemeinschaft infolge der Amtsniederlegung vom 9.8.2020 verwalterlos. Bei dem bei einer Größe des Objektes mit 28 Wohneinheiten bestehendem fortlaufenden Verwaltungsbedarf hat der Beirat Eilbedürftigkeit annehmen dürfen. Danach ist die am 11.8.2020 abgesandte Einladung zum 18.8.2020 nicht zu beanstanden.
cc) Bestimmtheit
Der Beschlussinhalt ist auch hinreichend bestimmt. Er ergibt sich schon aus den Überschriften zu den Beschlussanträgen TOP 2 und 3, die eindeutig sind, und im Übrigen aus der mittels TOP 1 in Bezug genommenen, aus der Einladung ersichtlichen Tagesordnung. Die Rüge der Klägerin, es fehle an der Festlegung einer Person, die die Kündigung aussprechen dürfe, ist nicht begründet. Einer solchen hat es schon wegen der Anwesenheit des Generalbevollmächtigten der … nicht bedurft.
dd) Nach dem zur Zeit der Beschlussfassung geltenden Recht hat es eines wichtigen Grundes für die fristlose Abberufung und Vertragskündigung bedurft. Bereits die unbegründete fristlose Amtsniederlegung rechtfertigt die (deklaratorische) Abberufung und die fristlose Beendigung des Verwaltervertrags. Auf die in der Einladung benannten, nicht bestrittenen wichtigen Gründe, etwa das Fehlen einer Gewerbeerlaubnis der …, kommt es danach schon nicht mehr an.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 und 2 ZPO, wobei die erstinstanzliche Beteiligung des Drittwiderbeklagten … zu berücksichtigen war, über dessen außergerichtliche Kosten das Amtsgericht bereits rechtskräftig entschieden hat.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision im Sinne von § 543 ZPO sind nicht gegeben.
IV.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf folgenden Gründen:
1. Für das erstinstanzliche Verfahren bleibt gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 GKG der bei Klageerhebung geltende § 49a GKG a.F. für die beiden Beschlussklagen anwendbar. Gemäß Abs. 1 Satz 1 dieser Vorschrift ist für die Bestimmung des Gegenstandswerts 50% des Interesses der Parteien an der Entscheidung maßgebend.
Allerdings darf nach Abs. 1 Satz 2 der Streitwert das Fünffache des Wertes des klägerischen Interesses nicht überschreiten.
a) Das Gesamtinteresse der Parteien kann hinsichtlich der Klage gegen die Abberufung der früheren Verwalterin anhand des in der restlichen Vertragslaufzeit (bis 31.12.2020) anfallenden Verwalterhonorars geschätzt werden. Dieses beträgt netto 27,50 Euro (monatliches Honorar pro Wohnung), bei 28 Wohnungen und einer Restlaufzeit von viereinhalb Monaten mithin 3.465 Euro, zuzüglich 16% USt errechnen sich 4.019,40 Euro. Das fünffache Klägerinteresse erreicht 50% dieses Betrags nicht. Es errechnet sich unter Anwendung des aus der Teilungserklärung ersichtlichen allgemeinen Verteilungsschlüssels (Verhältnis der Miteigentumsanteile) wie folgt: Der Klägerin gehören die Wohnungen 9 und 23 mit einem Miteigentumsanteil von jeweils 15.727/1.000.000. Ihr Anteil am restlichen Verwalterhonorar beträgt danach 126,43 Euro, das fünffache mithin 632,13 Euro.
b) Hinsichtlich der gegen die Neubestellung der Verwalterin gerichteten Anträge ist das Honorar für die gesamte Vertragslaufzeit maßgebend. Da eine solche nicht bestimmt gewesen ist, geht die Kammer von einer Mindestlaufzeit bis Ende 2021 aus. Soweit sich die Laufzeiten des Alt- und Neuvertrags überschneidenden, ist nur der jeweils höhere Honoraranspruch anzusetzen (BGH NJW 2016, 3104 Rn. 5, beck-online). Das Jahreshonorar für die neue Verwalterin beträgt bei einem monatlichen Honorar pro Wohnung von netto 25,00 Euro zuzüglich 19% USt 9.996 Euro, der Anteil der Klägerin hieran 314,41 Euro, das fünffache Interesse 1.572,07 Euro.
c) Der Wert der Widerklage beträgt 895,92 Euro.
Der Streitwert erster Instanz beträgt mithin insgesamt 3.100,12 Euro.
2. Der Streitwert für das Berufungsverfahren richtet sich gemäß § 71 Abs. 1 Satz 2 GKG nach § 49 GKG in der seit dem 1.12.2020 geltenden Fassung. Maßgebend ist das Interesse aller Wohnungseigentümer an der Entscheidung. Der Streitwert darf aber den siebeneinhalbfachen Wert des Interesses des Klägers nicht überschreiten.
Im Berufungsrechtszug war nur noch über die klägerischen Anträge zu entscheiden. Es gilt das zu 1.a) und b) ausgeführte mit der Maßgabe, dass die Begrenzung des Streitwerts beim siebeneinhalbfachen Interesse der Klägerin eintritt. Der Berufungsstreitwert beträgt mithin 948,19 Euro + 2.358,11 Euro = 3.306,30 Euro.