AG Berlin-Mitte – Az.: 20 C 272/11 – Urteil vom 23.07.2012
1. Der Beklagte wird verurteilt, die auf dem Balkon seiner Wohnung in der … Straße …, … Berlin, 2. Geschoss links, montierte Satellitenempfangsanlage zu entfernen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung in der Hauptsache durch Sicherheitsleistung in Höhe von 500,00 € und im Übrigen in Höhe des beizutreibenden Betrages zzgl. 10 % abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Mit Vertrag vom 17.01.2008, auf dessen Inhalt nebst Anlagen Bezug genommen wird, vermietete die Klägerin dem Beklagten, der deutscher Staatsbürger mit Abstammung aus der Türkei ist, die 3-Zimmer-Wohnung in dem 2. Geschoss links des Hauses … -Straße …, … Berlin, die mit einem Breitbandkabelanschluss der … Deutschland GmbH, der internetfähig war, ausgestattet war. In den mietvertraglich einbezogenen Allgemeinen Vertragsbestimmungen hieß es unter Nr. 6 „Zustimmungsbedürftige Handlungen des Mieters“ u. a.:
„(1) Mit Rücksicht auf die Gesamtheit der wohnenden Mieter und Wohnungsnutzer und im Interesse einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Hauses und der Wohnung bedarf der Mieter der vorherigen Zustimmung des Wohnungsunternehmens, wenn er …. e) Antennen anbringt oder verändert, …
(2) Die Zustimmung des Wohnungsunternehmens muss schriftlich erfolgen; dies schließt nicht aus, dass die Vertragsparteien im Einzelfall auf die Schriftform verzichten.
(3) Das Wohnungsunternehmen wird eine Zustimmung nicht verweigern, wenn Belästigungen anderer Hausbewohner und Nachbarn sowie Beeinträchtigungen der Mietsache und des Grundstücks nicht zu erwarten sind. …“
Der Beklagte bewohnte die Wohnung zuletzt mit seiner 73 Jahre alten Mutter, die er aus der Türkei nach Deutschland holte und die nur wenig deutsch, schlecht türkisch und hauptsächlich kurdisch sprach.
Auf dem neu an die streitgegenständliche Wohnung angebrachten Balkon installierte der Beklagte eine Satellitenanlage mit einem Parabolspiegel mit einem Durchmesser von 0,80 m. Wegen der Einzelheiten wird auf die eingereichten fotografischen Abbildungen (Bl. 15, 16, 35 – 38 d. A.) verwiesen. Die Grundfläche des streitgegenständlichen Balkons war 4 x 1,5 Meter und seine Seitenwände waren über der Brüstung mit Acrylglas, das lichtdurchlässig und sichtundurchlässig war, versehen.
Mit Schreiben vom 05.07.2011, auf dessen Inhalt verwiesen wird, forderte die Klägerin den Beklagten erfolglos zur Entfernung der Satellitenempfangsanlage auf.
Die Klägerin behauptet, dass die streitgegenständliche Satellitenempfangsanlage weithin sichtbar sei und das Gesamtbild störe. Sie reiche von der Balkonbrüstung bis nahezu an die Decke des darüberliegenden Balkons. Sollte der Beklagte die Antenne mobil aufgestellt und eine Befestigung in der Weise herbeigeführt haben, dass er sie mit Platten am Fußboden beschwere, sei die öffentliche Sicherheit gefährdet. Eine ausreichende Statik sei nicht gegeben und nicht garantiert, dass auch bei widrigen Witterungsbedingungen deren Standsicherheit gewährleistet und ein Absturz der Antenne ausgeschlossen sei. Die Klägerin meint, dass das Recht auf Informationsbeschaffung des Beklagten durch den vorhandenen Breitbandkabelanschluss gewährleistet sei.
Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, die auf dem Balkon seiner Wohnung in der … Straße …, … Berlin 2. Geschoss links, montierte Satellitenempfangsanlage zu entfernen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er behauptet, dass die streitgegenständliche Satellitenempfangsanlage auf seinem Balkon nicht fest installiert sei, sondern er eine mobile Antennenanlage aufgestellt habe, deren Standsicherheit durch vier Gehwegplatten zu jeweils 20 kg gewährleistet sei. Die Satellitenempfangsanlage stehe seitlich verdeckt durch die Seitenwand des Balkons auf einem Stativ, das mit den Gehwegplatten beschwert sei. Die Satellitenempfangsanlage sei nicht weithin sichtbar, denn sie rage nicht über die Balkonbrüstung hinaus. Wegen der Seitenwände sei die Satellitenempfangsanlage nur von vorn einsehbar. Die Antennenanlage störe das Gesamtbild der Anlage bereits deshalb nicht, weil andere Mieter mobile Wäscheständer, Kratzbäume für Katzen usw. aufstellten. Der Beklagte sei kurdischer Abstammung aus der Provinz Erzincan und über den Breitbandkabelanschluss in seiner Wohnung könnten keine kurdischsprachigen Sender empfangen werden, und zwar auch nicht aus dem Internet. Seit 1 – 2 Jahren seien Sender der kurdischen Sprache aus der Türkei freigegeben und nur über die von ihm installierte Satellitenempfangsanlage empfangbar. Eine kleinere Anlage, die zum Empfang der kurdischen Sender tauglich sei, gebe es nicht. Die Anlage habe an einem anderen Standort keinen ausreichenden Empfang. Eine Entfernung der Anlage hätte zur Folge, dass es ihm unmöglich gemacht würde, Programme aus der Heimat seiner Eltern zu empfangen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Die vorzunehmende Handlung ist in dem Klageantrag nach Ort und Gegenstand so bestimmt angegeben, dass sie vollstreckungsfähig und damit zulässig ist.
Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Entfernung der Satellitenempfangsanlage aus §§ 541, 549 BGB in Verbindung mit dem Mietvertrag der Parteien bzw. aus §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB zu. Nach diesen Vorschriften kann der Vermieter auf Unterlassung klagen, wenn der Mieter einen vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache fortsetzt. Der Anspruch umfasst die Beseitigung eines vom Mieter geschaffenen vertragswidrigen Zustandes. Die Aufstellung einer mobilen Parabolantenne auf einem mitvermieteten Balkon der Wohnung ist vertragswidrig, wenn sie sich nicht im Rahmen des dem Mieter gemäß § 535 Abs. 1 Satz 1 BGB zu gewährenden vertragsgemäßen Gebrauch hält. Der vertragsgemäße Gebrauch ist anhand der mietvertraglichen Vereinbarungen, der Umstände des Mietverhältnisses sowie der Verkehrssitte unter Beachtung des Grundsatzes von Treu und Glauben zu bestimmen. Hier steht der vertragsgemäße Gebrauch der streitgegenständlichen Wohnung unter dem Zustimmungsvorbehalt aus Nr. 6 e) der Allgemeinen Vertragsbestimmungen für den Fall der „Anbringung“ von Antennen.
Entgegen der von der Beklagtenseite vertretenen Auffassung fällt auch eine mobile Parabolantenne unter diese Formulierung der „Anbringung“ (vgl. LG Berlin GE 2004, 1097), so dass dahingestellt bleiben kann, ob der Zustimmungsvorbehalt einen Substanzeingriff für das „Anbringen“ der Antenne voraussetzt oder nicht.
Ebenso kann die Wirksamkeit der Nr. 6 e) getroffenen Regelung dahinstehen, denn wenn diese Regelung hier unanwendbar oder unwirksam wäre, fehlte es an einem vertragswidrigen Gebrauch des Beklagten. Wäre diese Regelung wirksam und auch anwendbar, dann könnte sich die Klägerin auf ihre fehlende Zustimmung als Voraussetzung für die Klage nicht berufen, wenn sie diese hätte erteilen müssen. Ob der Beklagte einen Anspruch auf Zustimmung zur Installation der streitgegenständlichen Satellitenempfangsanlage hat, hat anhand einer fallbezogenen Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu erfolgen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (MZM 2005, 252) ist dem Grundrecht des Mieters aus Artikel 5 Abs. 1 Satz 1 GG, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten, auch in zivilrechtlichen Streitigkeiten über die Anbringung von Satellitenempfangsanlagen an Mietwohnungen Rechnung zu tragen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das – gleichrangige – Grundrecht des Vermieters als Eigentümer aus Artikel 14 Abs. 1 Satz 1 GG berührt ist, wenn von ihm verlangt wird, eine Empfangsanlage an seinem Eigentum zu dulden. Diese Grundsätze fordern eine Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, für die sich jede schematische Lösung verbietet (vgl. BGH MZM 2006, 98). Das Ermessen des Vermieters ist durch den Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB gebunden, der es gebietet, dass der Vermieter nicht ohne triftigen, sachbezogenen Grund dem Mieter Einrichtungen versagt, die diesem das Leben in der Mietwohnung angenehmer gestatten können, durch die er als Vermieter nur unerheblich beeinträchtigt und durch die die Mietsache nicht verschlechtert wird. Zwar mag hier mit der Art der Aufstellung der streitgegenständlichen Satellitenempfangsanlage ohne substanzeingreifende feste Verbindung keine Substanzverletzung des Eigentums vorliegen. Allerdings ist die Satellitenempfangsanlagen in einer von außen in nicht völlig unerheblicher Weise sichtbar auf dem Balkon der streitgegenständlichen Wohnung aufgestellt worden, so dass die Belange der Klägerin betroffen sind. Die streitgegenständliche Satellitenempfangsanlagen steht weder im Inneren des Gebäudes am Fenster (vgl. AG Gladbeck MZM 1999, 221) noch ist sie auf dem Fußboden im hinteren Bereich und durch die Balkonbrüstung sichtgeschützten Boden aufgestellt (vgl. AG Siegen WuM 1999, 454), sondern ist in der Vorderansicht oberhalb der Balkonbrüstung deutlich sichtbar durch den Parabolspiegel mit einem Durchmesser von 80 cm angebracht. Lediglich in einer Seitenansicht mag dieser Parabolspiegel durch die nur lichtdurchlässige Seitenwand aus Acryl je nach dem Winkel einer Seitenansicht weniger deutlich erkennbar sein. Allerdings ist an keinem der umliegenden Balkone der Wohnanlage eine solche Satellitenempfangsanlage angebracht. Wie der auf der Anlage K4 abgebildete und daneben stehende, geschlossene Sonnenschirm deutlich zeigt, scheidet eine Gleichsetzung des Parabolspiegels mit anderen typischen Balkongegenständen, wie z. B. Tischen, Stühlen, Kratzbäumen, Pflanzen etc., wegen dessen Durchmessers und jedenfalls deshalb aus, weil andere Ausstattungs-/Einrichtungsgegenstände auf Baikonen in der Regel saison- und witterungsbedingt auf-/weggestellt werden und damit anders als die dauernd installierte Satellitenempfangsanlage. Da das äußerliche Erscheinungsbild der Hausfassade von dem Eigentümer bestimmt wird und mit der streitgegenständlichen Anlage eine beachtliche ästhetische Beeinträchtigung des Eigentums der Klägerin zu besorgen ist, ist ihre Installation von dem vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache nicht mehr gedeckt. Durch die Vermietung der Wohnung begibt sich der Eigentümer nicht der auf seinem Eigentumsrecht beruhenden Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich des äußeren Erscheinungsbildes seines Hauses. Nur die Innendekoration der Fenster, das Aufstellen eines Sonnenschirms sowie einen Pflanzenschmuck muss er im Rahmen des Üblichen hinnehmen.
Den oben dargestellten Eingriff in ihr Eigentumsrecht hat die Klägerin nur zu dulden bzw. der Anbringung der streitgegenständlichen Satellitenempfangsanlage zuzustimmen, wenn höherrangige Rechte des Beklagten dies erforderten. Dafür ist der Beklagte darlegungs- und beweispflichtig und genügt mit seinem Vortrag dieser Last nicht. Der Mieter hat darzulegen und zu beweisen, dass er mit Hilfe einer Parabolantenne Fernsehprogramme in seiner Heimatsprache empfangen kann (vgl. Schmidt-Futterer, Mietrecht, 10. Auflage, § 535 Rn. 435). So ist bei der Verfügbarkeit eines Kabelanschlusses regelmäßig ein sachbezogener Grund zur Versagung der Genehmigung einer zusätzlichen Parabolantenne gegeben. Dies gilt auch für ständig in Deutschland lebende Ausländer, wenn diese ihr Informationsinteresse am Empfang von Programmen ihrer Herkunftsländer durch Bezug eines zusätzlichen digitalen Kabelprogramms befriedigen können (vgl. Bundesverfassungsgericht a. a. O.). Zwar lässt der Beklagte vertragen, dass er mittels des vorhandenen Breitbandkabelanschlusses keine kurdischsprachigen Sender empfangen könne, seit 1 – 2 Jahren Sender der kurdischen Sprache aus der Türkei freigegeben seien und nur die Satellitenanlage es ihm ermögliche, Programme kurdischer Sprache zu empfangen. Allerdings ist dieser bestrittene Sachvortrag dem angebotenen Sachverständigenbeweis nicht zugänglich, denn der liefe auf eine sich verbietende Ausforschung hinaus. Ohne Substanziierung danach, welche konkret zu bezeichnenden kurdischen Sender ausschließlich über die Satellitenanlage zu empfangen seien, ist der Klägerseite ein substanziiertes Bestreiten nicht möglich. Ohne bestimmte Bezeichnung dieser Sender kann die Klägerseite nach eigener Überprüfung nicht dazu vortragen, ob diese Sender ggf. mit Hilfe eines Decoders, einem zusätzlich dazu zu erwerbenden Schlüssels, eines Digitalreceivers mit einer freigeschalteten Smartkarte oder aus dem Internet empfangbar wären. Zumal sich per Internet mehrere kurdische Sender (Kurd 1, Kurdistan TV, Kurd Sat TV, PAM TV, NEWROZ TV) irakischer Herkunft in kurdischer Sprache abrufen lassen. In seiner Pauschalität, ohne Benennung konkreter Sender mit gleichzeitigem Ausschluss aller anderen technischen Ausweichmöglichkeiten zu deren Empfang ist das Beklagtenvorbringen deshalb nicht geeignet, den sachbezogenen Grund zur Versagung der Aufstellung der klagegegenständlichen Satellitenempfangsanlage zu widerlegen, was zu Lasten des Beklagten geht (vgl. Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Auflage, Rn. VI 128). Im Rahmen des § 138 ZPO ist somit als unstreitig zu behandeln, dass der vorhandene internetfähige Kabelanschluss geeignet ist, das Informationsrecht des Beklagten hinreichend zu befriedigen.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 7 und 11, 711 ZPO.