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Mietvertragsprobleme – Rechtsprechungsübersicht 2009

Die Zusammenfassung der Rechtsprechung zu mietvertraglichen Fragestellungen der Jahre 2008/09

von

Dr. Christian Kotz

Fachanwalt für Versicherungsrecht

Fachanwalt für Verkehrsrecht

und

Jens Petry

1. Berechnung der (Minder-)Fläche bei preisfreiem Wohnraum

Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des BGHweist eine Mietwohnung einen Mangel auf, wenn ihre tat­sächliche Wohnfläche um 10% unter der vertraglich vereinbarten Fläche liegt. Dabei hilft dem Vermieter auch eine nur „ca.“ angegebene Größe nicht. Da für preisfreien Wohnraum eine Berechnungsvorschrift fehlt, können die Parteien die Berechnungsmethode nach Ansicht des BGH frei wählen. Haben die Parteien zur Flächenberechnung – wie meist – nichts vereinbart, ist zunächst festzustellen, ob es eine örtliche Verkehrssitte für die Art der Berechnung gibt. Ist auch dies nicht der Fall, zieht der BGH in Bestäti­gung einer jüngeren Entscheidung die Vorschriften über die Flächenermittlung bei preisgebundenem Wohnraum entspre­chend heran, wobei er wegen der dort stattgefundenen Rechtsänderung auf den Zeitpunkt des Mietvertrags­abschlusses abstellt: Bei bis 31.12.2003 abgeschlossenen Mietverhältnissen ist die Wohnfläche nach der II. BerechnungsVO zu ermitteln, bei danach begründeten Verträgen nach der WohnflächenVO.

– BGH, NJW 2009, 2295 –

2. Kündigung durch Insolvenzverwalter bei Genossen­schaftsmiete

Von Wohnungsbaugenossenschaften erhält eine Wohnung regelmäßig nur, wer sich durch Erwerb eines Genossen­schaftsanteils in die Genossenschaft „eingekauft“ hat; im Gegenzug wird zur Vermeidung einer Doppelbelastung stets auf Stellung einer Mietsicherheit verzichtet. Kündigt ein Genosse die Mitgliedschaft in der Genossenschaft, droht ihm seinerseits eine Kündigung des Dauernutzungsverhältnisses (auf welches das Mietrecht analog anzuwenden ist) wegen Eigenbedarfs der Genossenschaft für ein Mitglied. In Ab­grenzung zum Verbot der Kündigung eines Wohnraummiet­verhältnisses durch den Insolvenzverwalter eines Mieters (§ 109 I 2 InsO) hat der BGH die Kündigung der Mitglied­schaft in einer Genossenschaft für zulässig erachtet. Der Insolvenzverwalter kann dann nach Ablauf der einzuhalten­den Kündigungsfrist. Auskehrung des Genossenschafts­anteils zur Masse verlangen; die Genossenschaft wird zu prüfen haben, ob sie einen Ex-Genossen ohne Mietsicherheit als Mieter behalten will.

– BGH, NJW, 1820 –

3. Kündigungsrechtsverzicht bei Mietvertrag über eine „Studenbude“

Der Kündigungsrechtsverzicht schien in allen Facetten entschieden und stets für maximal vier Jahre zulässig. Aktuell hat der BGH seine Rechtsprechung in einer besonderen Konstellation eingeschränkt. Der BGH hält es nämlich unter Berücksichtigung des besonderen Mobilitätsinteresses von Studenten für unzulässig, eine Bindung von zwei Jahren zu vereinbaren. Zwar hat der BGH nicht entschieden welche Höchstfrist zulässig wäre; die Hinweise im Urteil lassen aber den Schluss zu, dass allenfalls eine semesterweise Bindung möglich ist.

– BGH, NJW 2009, 3506 –

4. Kündigung wegen falscher Selbstauskunft

Eine vom Mieter vor Vertragsabschluss übergebene Selbst­auskunft mit unzutreffenden Angaben berechtigt den Ver­mieter zur fristlosen Kündigung. Nach einer Entscheidung desLG München  gilt dies auch dann, wenn sich das in der falschen Auskunft liegende Risiko eines Mietausfalls noch nicht verwirklicht hat.

– Zur Frage der Anfechtung statt Kündigung des Mietvertrages BGH, NJW 2009, 1266 –

5. Verjährung im laufenden Mietverhältnis

Für den Anspruch des Vermieters auf Leistung von Mietsi­cherheit wurde festgestellt, dass dieser im laufenden Miet­verhältnis verjähren kann; Gleiches gilt für die Ansprüche des Mieters auf Aufwendungsersatz oder auf Gestattung der Wegnahme einer Einrichtung (§ 548 II BGB). Hierbei ergibt sich eine Besonderheit aus § 566 BGB: Beim Eigentums­wechsel bleiben bereits entstandene und fällige Ansprüche beim bisherigen Vermieter. Das gilt auch für vertragliche Ansprüche des Mieters: Sind sie vor dem Eigentumswechsel fällig geworden, richten sie sich gegen den bisherigen Ver­mieter. Der Erwerber ist grundsätzlich nur für nach dem Eigentumswechsel entstehende oder fällig werdende Ansprü­che aktiv- oder passivlegitimiert. Dies würde bedeuten, dass bei einem vor Eigentumswechsel entstandenen Aufwen­dungsersatzanspruch des Mieters (§ 548 II BGB) gegen den bisherigen Eigentümer die kurze sechsmonatige Verjährungs­frist spätestens mit Eigentumswechsel zu laufen beginge. Zum Schutz des Mieters hat derBGH nun im Anschluss an eine ältere Entscheidung festgestellt, dass der Lauf der Ver­jährung erst mit Kenntnis des Mieters von der Veräußerung beginnt. Gleiches gilt nach Ansicht des LGBerlin für den Rückzahlungsanspruch des Mieters hinsichtlich Vorauszah­lungen auf (später nicht abgerechnete) Nebenkosten; auch hier beginnt der Lauf der Verjährung im Falle des Vermieter­wechsels erst mit Kenntnis des Mieters.

– BGH, NJW 2008, 2256 –

6. Mischmietverhältnis-Zweckbestimmung der Parteien

Liegt ein Mischmietverhältnis (hier: Laden mit angrenzender Wohnung) vor, ist festzustellen, in welchem Bereich das Mietverhältnis seinen Schwerpunkt hat. Entsprechend sind auf das gesamte Mietverhältnis entweder nur die Vorschrif­ten über die Wohn- oder ausschließlich diejenigen über die Geschäftsraummiete anzuwenden. Entscheidend für die Er­mittlung des Schwerpunkts ist der Parteiwille; das Verhält­nis der gewerblich genutzten Fläche zur Wohnfläche ist da­gegen von untergeordneter Bedeutung. Selbst bei einer klei­nen Ladenfläche in Verbindung mit einer großen Wohnung sind deshalb die Wohnraumvorschriften nicht anwendbar, wenn im Vordergrund des Interesses der Betrieb des Ladens für den Lebensunterhalt des Mieters steht. Diesen Ansatz der älteren Rechtsprechung hat das OLG Stuttgart jetzt be­stätigt.

– OLG Stuttgart, NZM 2008,, 726 –

7. Mieterhöhung unter Bezugnahme auf Mietspiegel

Nach § 558 a BGB kann zur Mieterhöhung auf einen Miet­spiegel Bezug genommen werden. Damit der Mieter die Be­rechtigung der Mieterhöhung nachvollziehen kann, muss entweder dem Erhöhungsschreiben der Mietspiegel in Kopie beigefügt sein oder der Mietspiegel muss dem Mieter ander­weitig zugänglich sein. Dem genügt es nach Ansicht des LG Dresden nicht, wenn der Mieter den Mietspiegel nur gegen eine Schutzgebühr kaufen kann, denn dem Mieter soll es nicht zumutbar sein, Geld für eine Überprüfung ausgeben zu müssen. Der Verweis des Vermieters auf eine Veröffent­lichung im Amtsblatt der Gemeinde soll dagegen ausreichend sein, wenn das Amtsblatt leicht zugänglich ist; im Zweifel muss der Vermieter demnach angeben, bei welcher Stelle der Mieter das betreffende Amtsblatt kostenlos einsehen kann, wenn er nicht gleich ein eigenes Kundencenter vorhält und auf die Einsichtnahme dort verweist.

– BGH, Urteil vom 11.03.2009, Az.: VIII ZR 74/08 –

8. Folgen einer Falschen Arbeitgeberauskunft zu Mietereinkommen

Um sich bereits vor Vertragsabschluss ein Bild darüber ma­chen zu können, ob der Mietinteressent in der Lage ist, den künftigen Vertrag zu erfüllen, darf der Vermieter von ihm eine Selbstauskunft über seine Vermögensverhältnisse verlan­gen. (Dies sollte der Vermieter auch in seinem eigenen Interesse stets tun.) Macht der Mieter dabei vorsätzlich wahrheitswidrige Angaben, kann der Vermieter den Vertrag bis zur Überlassung der Mietsache wegen arglistiger Täuschung anfechten, da­nach bei Unzumutbarkeit der Fortsetzung fristlos kündigen. Das OLG Koblenz hat dazu darauf hingewiesen, dass einer­seits dann, wenn der Mieter hierbei eine Verdienstbescheinigung seines Arbeitgebers vorlegt, jener für den durch eine Falschauskunft entstehenden Mietausfallschaden haftet; an­dererseits verliert der Vermieter seine Ansprüche gegen den Arbeitgeber, wenn er nach Kenntnis der Tatsachen den Miet­vertrag nicht anficht oder kündigt, sondern fortsetzt.

– OLG Koblenz, NZW, 2008, 3073 –

9. Fernwärme statt Gasetagenheizung als Modernisierung

Ausführlich begründet der BGH, dass der Anschluss an ein Fernwärmenetz an Stelle einer Gasetagenheizung eine duldungspflichtige Modernisierung darstellt (§ 554 II 1 BGB). Hinsichtlich der zu erwartenden Mieterhöhung muss der Vermieter dabei nur mitteilen (§ 554 III BGB), wie sich auf Grund der Modernisierung die Miete voraussichtlich erhö­hen wird (§ 559 BGB); nicht erforderlich ist dagegen eine solche Mitteilung, wenn Zustimmung zur Anpassung an die ortsübliche Vergleichsmiete (§ 558 BGB) begehrt wird.

– BGH, NJW 2008, 3630 –

10. Einseitiger Kündigungsrechtsausschluss in AGB

In einer Entscheidung aus dem Jahr 2003 hatte derBGHeinen einseitigen individualvertraglichen Kündigungsrechtsausschluss für zulässig erachtet. In Abgrenzung dazu hat er jetzt festgestellt, dass ein einseitiger formularvertraglicher Kündigungsverzicht des Mieters unwirksam ist sofern er nicht mit einer Staffelmietvereinbarung verbunden ist. Da­mit dürften sämtliche Fallkonstellationen zulässigen und un­wirksamen Kündigungsrechtsverzichts vom BGH entschie­den sein.

Demnach gilt Folgendes:

–    beidseitiger Kündigungsverzicht in AGB: bis vier Jahre Dauer wirk­sam;

–    einseitiger Kündigungsverzicht des Mieters im Individualvertrag: bis fünf Jahre Dauer wirksam;

–    einseitiger Kündigungsverzicht des Mieters in AGB: unwirksam;

–    einseitiger Kündigungsverzicht des Mieters in AGB mit Staffelmiete: bis vier Jahre Dauer wirksam;

–    einseitiger Kündigungsverzicht des Vermieters: wirksam.

– exemplarisch BGH, NJW 2009, 912 –

11. Schadensersatz bei vorgetäuschtem Eigenbedarf

DerBGH hat bereits entschieden, dass der Vermieter scha­densersatzpflichtig ist, wenn er bei einer Kündigung nach § 573 II Nr. 2 BGB den Eigenbedarf nur vorgetäuscht hat. Diese Rechtsprechung entwickelt er nun fort. Danach hat der Mieter auch dann einen Schadensersatzanspruch, wenn er auf Grund einer schlüssig vorgetragenen und nicht zwei­felhaften Eigenbedarfskündigung geräumt hat und sich im Nachhinein herausstellt, dass die Kündigung formell unwirk­sam war. Dies gilt selbst dann, wenn der Mieter sich in diesem Fall (in Unkenntnis der Unwirksamkeit) mit dem Vermieter vergleichsweise über die Räumung einigt.

– BGH, NJW 2009, 2059 –

12. Kündigungssperre bei Umwandlung

Nach § 577a I BGB kann der Erwerber einer nach Vermie­tung in Wohnungseigentum umgewandelten und danach an ihn verkauften Wohnung den Mieter erst nach Ablauf von drei Jahren nach Veräußerung wegen Eigenbedarfs (§ 573 II Nr. 2) oder Hinderung an der angemessenen wirtschaftlichen Verwertung (§ 573 II Nr. 3 BGB) kündigen. Eine Kündigung aus einem anderen berechtigten Interesse (§ 573 I BGB) ist dagegen nicht ausgeschlossen. DerBGH hat deshalb die Kündigung wegen des Bedarfs der Unterbringung einer Be­treuungshilfe für zulässig erachtet.

– BGH, NJW 2009, 1808 –

13. Mieterhöhung unter Inanspruchnahme zinsverbilligter Darlehen

Nimmt der Vermieter für eine Modernisierungsmaßnahme zinsverbilligte Darlehen in Anspruch, kann er eine Modernisierungsmieterhöhung nur unter Berücksichtigung der an den Mieter weiterzugebenden Zinsverbilligung vornehmen. Der BGH hat dabei klargestellt, dass die Zinsverbilligung dem Mieter über die gesamte Darlehenslaufzeit zugute kom­men muss. Der Vermieter kann deshalb nach der Modernisierungsmieterhöhung unter Berücksichtigung der Zinsver­billigung die Miete bei einer Folgeerhöhung nicht nach § 558 BGB bis zum Erreichen der ortsüblichen Vergleichs­miete erhöhen, sondern muss von der ortsüblichen Ver­gleichsmiete die Zinsverbilligung so lange in Abzug bringen, bis der Förderzeitraum ausgelaufen ist.

– BGH, NJW 2009, 1737 –

14. Mieterhöhung mit Wohnungs-Mietspiegel bei Ein­familienhaus

In einer Vielzahl von Mietspiegeln gibt es keine Erwähnung von Einfamilienhäusern. DerBGH hat dazu entschieden, dass in Fällen, in denen die geforderte Miete für das Haus innerhalb der Preisspanne des Mietspiegels für Wohnungen in Mehrfamilienhäusern liegt, der Vermieter eine Zustim­mung zur Mieterhöhung auf Grundlage des Mietspiegels begehren kann und nicht auf den für ihn beschwerlicheren Weg über Vergleichswohnungen oder Sachverständigengut­achten ausweichen muss.

– BGH, NJW-RR 2009, 86 –

15. Mieterhöhung bei Modernisierung

Führt der Vermieter an der Mietsache bauliche Maßnahmen auf Grund von Umständen durch, die er nicht zu vertreten hat, kann er die Kosten als Modernisierungsmieterhöhung nach § 559 I 4 BGB geltend machen. Ein solcher Fall liegt nach Ansicht desBGH beim landesrechtlich vorgeschrie­benen Einbau von Wasserzählern vor. Da die Argumenta­tion verallgemeinerungsfähig ist, wird auch der demnächst erforderliche Einbau von Rauchmeldern in Mietwohnun­gen zu Modernisierungsmieterhöhungen berechtigen.

In al­len Fällen ist jedoch zu beachten, dass derBGH dabei nur die unbedingt notwendigen Kosten für ansatzfähig betrach­tet.

– BGH, NJW 2009, 839 –

16. Fälligkeit der Miete im Altvertrag

Verzug kann erst nach Fälligkeit eintreten. Bei vor dem 01.09.2001 abgeschlossenen Altverträgen stellt sich deshalb die Frage, ob die Mietzahlung am Monatsende fällig ist (§ 551 BGB a. F.) und was die Folgen formularmäßiger Mietvoraus­zahlungsklauseln sind. DerBGH hält in Beantwortung dieser Frage zunächst Vorauszahlungsklauseln in Altverträ­gen auch unter dem Gesichtspunkt des AGB-Rechts (§§ 307, 306 II BGB) grundsätzlich für zulässig. Ist eine Voraus­zahlungsklausel jedoch mit einer unzulässigen Beschränkung der Mietminderung verbunden, ist die Regelung insgesamt unwirksam. Dies führt dazu, dass die Miete erst am Monats­ende fällig ist, da § 556 b I BGB nicht auf Altverträge an­wendbar ist.

– BGH, NJW 2009, 1491 –

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