AG Kreuzberg – Az.: 23 C 196/21 – Urteil vom 03.02.2022
In dem Rechtsstreit hat das Amtsgericht Kreuzberg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16.12.2021 für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger zu tragen.
3. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Der Streitwert wird auf 5.506,20 festgesetzt.
Tatbestand
Die Kläger erwarben im November 2010 die streitgegenständliche Wohnung in der ………, Vorderhaus 1. Obergeschoss, bestehend aus zwei Zimmern, Küche, Diele, Bad, Toilette und Balkon bei einer Größe von ca. 54,02 qm. Die Beklagte ist Mieterin der Streitwohnung aufgrund Vertrages vom 7.8.2007. (Für die Einzelheiten wird auf den Vertrag, Blatt 5 ff. der Akte verwiesen).
Die monatliche Miete beträgt nettokalt 458,85 zzgl. einer Umlage für Betriebskosten von 69,47 Euro und einem Heizkostenvorschuss von 108,43 Euro, zusammen also 636,75 Euro.
Die Kläger leben ca. 4,7 km von der Streitwohnung entfernt in einer 125 qm großen Dreizimmerwohnung in der ………, die sie mit ihren drei Kindern – im Alter von 4, 8 und 11 Jahren – bewohnen.
Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 04.03.2020 kündigten die Kläger der Beklagten wegen Eigenbedarfs mit Frist bis zum 31.12.2020. Zur Begründung beriefen sie sich auf die Notwendigkeit, wegen ihrer Arbeitstätigkeit eine Kinderbetreuung von morgens bis abends und insbesondere bei Krankheiten der Kinder in Anspruch zu nehmen. Sie seien daher auf der Suche nach einer Au-Pair Hilfe. Diese solle die Kinder im Alltag betreuen, sie zur Schule/Kita fertig machen, zur Schule/Kita bringen, wieder abholen und die Nachmittage mit den Kindern gestalten. Ferner solle die Au-Pair Hilfe im Falle von Krankheiten den gesamten Tag mit dem/den Kindern verbringen. Diese Maßnahme würde den Klägern den Alltag erheblich erleichtern. Insbesondere könnten sie dadurch erhebliche Fehlzeiten ihrer beruflichen Tätigkeit verhindern. Um diese Au-Pair Hilfe unterzubringen, werde nunmehr die Wohnung benötigt. Die Suche nach einer Au-Pair Hilfe werde zum 1.1.2021 entsprechend konkretisiert und vorangetrieben.
(Für die Einzelheiten wird auf das Schreiben, Blatt 17 ff. der Akte verwiesen).
Gegen die Kündigung legte die Beklagte am 22.10.2020 Widerspruch ein und berief sich auf den Härtegrund einer erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigung, die drohende Wohnungslosigkeit sowie eine persönliche und finanzielle Härte. (Für die Einzelheiten wird auf das Schreiben, Blatt 20 ff. der Akte verwiesen).
Die Kläger boten in der Folge eine Umzugsbeihilfe von 3000 Euro und Hilfe bei der Suche einer anderweitigen Wohnung über die Hausverwaltung ……… GmbH an. Bereits jetzt könne über die Hausverwaltung das Angebot einer Vergleichswohnung eingeholt werden. Diese befinde sich im Seitenflügel EG links des Hauses ……… und verfüge über 2 Zimmer, Küche, Einbauküche, Wannenbad mit Fenster bei 66,71 m2 und einer Miete von 623,74 Euro netto kalt.
Die Kläger behaupten, sie seien auf die Unterbringung einer Au-Pair Hilfe in der Streitwohnung dringend angewiesen. Beide Kläger seien berufstätig, der Kläger zu 1. sei selbstständig und betreibe eine Tischlerei, die Klägerin zu 2. sei mit einer 30-Stunden-Woche in Teilzeit berufstätig. Nach Anfrage bei einer Au-Pair-Agentur am 25.11.2021, habe die Agentur ihnen am 26.2.2022 (gemeint ist offenbar 26.11.2021) mitgeteilt, dass es bereits ab Januar 2022 die Möglichkeit einer sechsmonatigen Au-Pair-Hilfe gebe.
Die Unterbringung im eigenen Hausstand scheide überdies aus. Schon jetzt gebe es für die drei Kinder lediglich zwei Kinderzimmer, da ein weiterer Raum als Elternzimmer fungiere. Weitere, gleich geeignete Unterbringungsmöglichkeiten gebe es nicht. Insbesondere eigne sich das Holz-Ferienhaus der Kläger in Zerpenschleuse nicht zur Unterbringung einer Au-Pair. Bei einer Entfernung zur aktuellen Wohnung von 55 km, sei die tägliche Anfahrt zu lang.
Die Kläger beantragen, die Beklagte zu verurteilen, die von ihr innegehaltene Wohnung in der ………, Vorderhaus 1. OG Mitte, bestehend aus zwei Zimmern, Küche, Diele, Bad, Toilette und Balkon geräumt an die Kläger herauszugeben.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Hilfsweise beantragt die Beklagte, ihr eine angemessene Räumungsfrist von mindestens 18 Monaten einzuräumen.
Sie ist der Ansicht, die Klägerseite könne sich nicht auf einen Eigenbedarf berufen, da es sich bei einer Au-Pair weder um eine Angehörige, noch eine Angehörige des Hausstandes handele. Zudem bestehe noch gar keine gesicherte Aussicht auf die Beschäftigung einer Haushaltshilfe.
Die Beklagte behauptet, dass die Klägerseite für die Unterbringung einer Au-Pair auch nicht auf die Streitwohnung angewiesen sei. Die ca. 125 qm-große Eigentumswohnung der Kläger biete genug Platz, um eine weitere Person unterzubringen. Die Unterbringung einer zusätzlichen Person führe allenfalls zu einer geringfügigen Einschränkung des Komforts.
Die Beklagte ist zudem der Ansicht, dass ihr schutzwürdiges Interesse am Fortbestehen des Mietverhältnisses das Interesse der Klägerseite überwiege. Sie leide unter erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Infolge der Kündigung sei es bei ihr zu dauerhafter Schlaflosigkeit und einer kontinuierlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes gekommen. Die drohende Wohnungslosigkeit und der Verlust des persönlichen und sozialen Umfeldes habe bei ihr einen erneuten depressiven Schub ausgelöst. Aufgrund einer mittelschweren depressiven Störung mit fortschreitender Entwicklung und generalisierter Angststörung bei akuter Belastungsreaktion befinde sie sich seit Jahren – auch schon vor der Kündigung – in ärztlicher und fachärztlicher Behandlung. Es drohe auf Dauer sogar, dass die Teilnahme am Arbeitsleben und die Pflege persönlicher Kontakte unmöglich werden könnte. Die ohnehin schon angespannte gesundheitliche Lage der Beklagten drohe durch einen möglichen Wohnungsverlust weiter destabilisiert zu werden. Darüber hinaus habe die Beklagte auch mit schweren persönlichen Belastungen zu kämpfen. Ihre Tochter sei im März 2018 schwer an Krebs erkrankt. Um sich intensiv der Fürsorge und Pflege der Tochter widmen zu können, habe die Klägerin in der Vergangenheit schon einmal ihre Arbeitsstelle verloren. Im Sommer 2021 sei bei der Tochter der Beklagten eine Tumorerkrankung diagnostiziert worden, welche erneut eine intensive, zeitaufwändige sowie physisch und psychisch beanspruchende Pflege der Beklagten erforderlich mache. Zudem sei der Markt an bezahlbaren und freien Wohnungen sei im gesamten Stadtgebiet von Berlin erschöpft. Obwohl sich die Beklagte in der Vergangenheit intensiv nach Ersatzwohnungen gesucht habe, seien alle Versuche ohne Erfolg geblieben. Als Beleg legt die Beklagte eine Liste ihrer Bemühungen seit Oktober 2020 vor (auf Blatt 59 folgende der Akte wird verwiesen).
Die von der Klägerseite angeführten Hilfestellungen bei der Suche und Beschaffung von Ersatzwohnraum seien nicht umsetzbar gewesen. Die von der Hausverwaltung ……… angebotenen Wohnungen seien für die Klägerin nicht bezahlbar. Die Wohnung in der Borkumstraße 6, 13189 habe sich die Beklagte nach mehrmaligem Aufsuchen anschauen können. Der anwesende Mieter habe sie eingelassen, habe allerdings nichts davon gehört, dass die Wohnung weitervermietet werden soll. Aus diesem Grunde sowie der Tatsache, dass die Wohnung sehr dunkel sei, sei die Option für die Beklagte nicht in Frage gekommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klage ist zulässig.
Das Amtsgericht Kreuzberg ist gem. § 29a ZPO als das Gericht ausschließlich örtlich zuständig, in dessen Bezirk sich die Streitwohnung befindet. Die sachliche Zuständigkeit folgt aus den § 1 ZPO i.V.m. § 23 Nr. 2, lit. a) GVG.
II.
Die Klage ist allerdings unbegründet.
Den Klägern steht kein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Wohnung in der ………, Vorderhaus 1. Obergeschoss Mitte, bestehend aus Küche, Diele, Bad, Toilette und Balkon gemäß § 546 BGB zu.
1. Der Kündigungsgrund des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist nicht eröffnet. Bei der Au-Pair Hilfe handelte es sich weder zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs am 04.03.2020, noch bei Ablauf der Kündigungsfrist mit dem 31.12.2020 um eine Angehörige der Kläger oder eine Angehörige des Hausstandes der Kläger im Sinne von § 573 Abs. 2, Nr. 2 BGB. Vielmehr ist die noch zu findende Hilfe eine Person, die erst noch neu mit Wohnraum versorgt werden soll, bisher gerade aber nicht im Haushalt der Kläger untergebracht war.
Zutreffend hat das Landgericht Berlin in seinem Beschluss vom 23.3.2021 (GE 2021,704) ausgeführt, dass die Absicht des Vermieters, die Vermieter innegehaltene Wohnung als Schlafstatt für zukünftig zu beschäftigende Au-Pairs zu nutzen, nicht zur Beendigung des Mietverhältnisses nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB ausreiche. In der Begründung seines Beschlusses führt das Gericht aus, dass jedenfalls dann die Kündigung zum Zwecke der Beherbergung eines Au-Pair nicht eröffnet ist, wenn die konkrete Person, für die der Bedarf geltend gemacht wird noch nicht konkretisiert ist oder nicht mehr von den Vermietern beschäftigt wird (a.a.O. Rz. 5 und 6).
Der hiesige Fall weist gegenüber dem vom Landgericht Berlin entschiedenen eine sogar noch schwächere Stellung der Au-Pair Hilfe auf. War im dortigen Fall schon eine konkrete Hilfsperson vorhanden, welche jedoch in Zukunft gegen eine andere, noch nicht benannte weitere Hilfe ausgewechselt und in der streitgegenständlichen Wohnung untergebracht werden sollte, so ist hier bis zur Kündigung eine derartige Konkretisierung nicht erfolgt. Die Kläger haben vorgetragen, erst nach Zustellung der Kündigungserklärung Schritte zur Beschäftigung einer konkreten Au-Pair Hilfe unternommen zu haben.
2. Die Kündigung ist ebenfalls nicht nach § 573 Abs. 1 BGB begründet.
a) Nach dieser Vorschrift kann der Vermieter kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Kündigung hat, welches nach Abwägung der Umstände des Einzelfalls der beiderseits grundrechtlich geschützten Interessen ebenso schwer wiegt wie die in § 573 Abs. 2 BGB beispielhaft aufgeführten Kündigungsgründe (BGH NJW-RR 2017, 976; NJW-RR 2021, 204; LG Berlin a.a.O. Rz. 10). Dabei dürfen die dem Vermieter entstehenden Nachteile allerdings keinen Umfang annehmen, welcher die Nachteile weit übersteigt, die dem Mieter im Fall des Verlusts der Wohnung erwachsen (vgl. BGH, Urt. v. 16.12.2020 – VIII ZR 70/19, NJW-RR 2021, 204).
b) Gemessen an diesen Grundsätzen kann ein berechtigtes Interesse der Kläger im Sinne des § 573 Abs. 1, S. 1 BGB nicht bejaht werden. Die wirtschaftlichen und Komfortnachteile, die durch die anderweitige Unterbringung der noch nicht konkretisierten Au-Pair Hilfe entstehen, übersteigen die Nachteile nicht, die der Beklagten im Fall des Verlusts der Wohnung erwachsen (LG Berlin, a.a.O. Rz. 10). Als Alternativen für die Unterbringung der Au-Pair-Hilfe kommen die Anmietung einer anderen Wohnung oder eines WG-Zimmers, die temporäre Unterbringung auf einem Schlafsofa in der klägerischen Wohnung, gegebenenfalls in Abwechslung mit der Unterbringung in der Ferienimmobilie der Familie in Z. in Betracht.
c) Der wirtschaftliche Nachteil bei anderweitiger Beschaffung einer Unterkunft für die Au-Pair Hilfe ist nicht erheblich. Die Anmietung eines WG-Zimmers ist – wie der Unterzeichner als Vater zweier in Berlin studierender und selbständig wohnender Töchter aus eigener Anschauung weiß, nicht mit denselben Schwierigkeiten verbunden, wie die Anmietung einer Wohnung. Zwar ist auch hier das Angebot beengt, aber insbesondere wegen der temporären Nutzung und der damit verbundenen Fluktuation sind die Möglichkeiten besser als auf dem sonstigen Wohnungsmarkt. Zurzeit muss ein Betrag von +1- monatlich 450 Euro hierfür veranschlagt werden. Hierin liegt kein gravierender wirtschaftlicher Nachteil gegenüber der Nutzung der Wohnung der Beklagten. Die Betriebskosten mit zurzeit zusammen 177,90 Euro und die nicht umlegbaren Verwaltungs- und Instandhaltungskosten fallen auch für diese Nutzung bei den Klägern an. Zudem entfällt die Einnahme der Nettomiete von zurzeit 458,85 Euro monatlich. Als Nachteil verbleibt im Wesentlichen eine gewisse Mühe bei der Suche.
d) Die Unterbringung in Z. mit öffentlichen Verkehrsmitteln – etwa vom Bahnhof K. zum A. – würde eine Fahrzeit von je Richtung gut 1 Stunde erfordern. Die Fahrt mit dem Pkw ist kaum kürzer. Auch bei Kombination mit gelegentlichem „Zwischenschlafen“ auf einem Sofa im Wohnbereich der klägerischen Wohnung ergibt sich hier ein deutlicher Komfortnachteil über der Nutzung der Wohnung der Beklagten.
e) Demgegenüber stellt sich der Wohnungsverlust für die Beklagte als gravierender existenzieller Nachteil dar. Dies gilt auch dann, wenn die von der Beklagten vorgetragene gesundheitliche Beeinträchtigung unberücksichtigt bleibt. Sie ist 58 Jahre alt und seit 15 Jahren Mieterin der streitgegenständlichen Wohnung. In diesem Alter und nach einer derartigen Zeit im angestammten Wohnort ist ein unfreiwilliger Umzug in der Regel eine nicht einfach zu meisternde psychische und praktische Belastung.
Die angespannte Wohnungslage in Berlin hat den Senat dazu veranlasst, das gesamte Stadtgebiet erneut als Mangelgebiet nach § 556d Abs. 2 BGB auszuweisen. Zutreffend hat das Landgericht Berlin erkannt, dass der Sachvortrag des Mieters, für ihn sei die erfolgreiche Anmietung von Ersatzwohnraum aufgrund seiner stark beschränkten wirtschaftlichen Möglichkeiten ausgeschlossen, bei Vorliegen einer solchen Wohnungsmangellage hinreichend substantiiert ist (LG Berlin a.a.O.). Allerdings haben die Kläger den Vortrag der Beklagten zu ihrer stark eingeschränkten wirtschaftlichen Situation zulässigerweise mit Nichtwissen bestritten. Die Vermutung, die aufgrund der Ausweisung Berlins als Wohnungsmangel Gebiet für die Schwierigkeiten bei der Suche nach Ersatzwohnraum bestehen, hat die Beklagte jedoch durch die Vorlage der Nachweise über ihre Wohnungssuche weiter erhärtet. Die von ihr angefertigte und vorgelegte Tabelle zum Nachweis ihrer Bemühungen zeigt, dass in dem Preissegment der streitgegenständlichen Wohnung überwiegend schon keine Angebote bestehen, selbst bei öffentlichen Trägern nicht. Den Klägern kann nicht darin gefolgt werden, dass die detaillierte und über einen Zeitraum von fast einem Jahr geführte Tabelle wenig glaubhaft sei. Demgegenüber haben die Kläger lediglich ein konkretes Angebot vorgelegt, welches allein nach der Papierform besteht und daher dem Vergleich mit den dokumentierten Kontaktbemühungen der Beklagten nicht standhält. Zu dem nach Schluss der mündlichen Verhandlung weiter vorgetragenen Angebot ist bereits unbekannt, ob es die Beklagte erreicht hat.
f) Anders hat das Amtsgericht München in seiner Entscheidung vom 12.1.2021 die Bewertung des Interesses in einer der hiesigen Konstellation vergleichbaren Angelegenheit bewertet. Nach dieser Entscheidung hängen die Anforderungen an das Vorliegen eines berechtigten Erlangungsinteresses des Vermieters davon ab, ob der geltend gemachte Kündigungsgrund eher eine größere Nähe zum Eigenbedarfstatbestand oder eher eine solche zum Tatbestand der Verwertungskündigung aufweist (AG München, Urteil vom 12. Januar 2021 – 473 C 11647/20 -, Rn. 28). Diese Überlegung stellt das Landgericht Berlin zu Recht nicht an. Denn nach der Systematik des § 573 BGB stellen die Fälle des Abs. 2 gleichermaßen Regelbeispiele eines ausreichenden berechtigten Interesses dar. Eine Differenzierung innerhalb der Regelbeispiele ergibt sich nicht aus dem Gesetz. Es entspricht der Systematik besser, die Differenzierung zwischen der Anwendung der Regelbeispiele des Abs. 2 und der Generalklausel des Abs. 1 darin zu suchen, dass bei Anwendung der Generalklausel eine Abwägung zwischen den Interessen des Vermieters einerseits und denen des Mieters andererseits erfolgt. Die Begründung des Landgerichts Berlin erscheint überzeugend, wonach dadurch festgestellt werden kann, ob im Einzelfall bei Anwendung der Generalklausel ein Interesse besteht, welches in seinem Gewicht den Regelbeispielen des Abs. 2 entspricht (LG Berlin, a.a.O. Rz. 10).
Insbesondere die weitere Überlegung des AG München, wonach der Wunsch nach Unterbringung einer Au-Pair Hilfe mit der Kündigung aus Gründen eines Betriebsbedarfes vergleichbar sei, überzeugt nicht. Denn bei der Kündigung für einen Betriebsbedarf handelt es sich selbst um eine Fallgruppe innerhalb der Generalklausel, welche ihrerseits der Feststellung der Gleichwertigkeit mit den Regelbeispielen des Abs. 2 bedarf. In diesen Fällen besteht nach h.M. ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses, wenn das ursprüngliche Dienstverhältnis beendet wird und der Vermieter den Wohnraum für andere Bedienstete benötigt (Staudinger/Rolfs (2021) BGB § 573, Rn. 179). Diese Konstellation ist sichtlich mit hiesigen nicht vergleichbar. Denn im Verhältnis der Kläger zur Beklagten ist keine Änderung eingetreten, welche der Beendigung eines früher bestehenden Dienstverhältnisses vergleichbar wäre. Einem betriebsfremden Mieter wiederum kann der Vermieter wiederum nur kündigen, wenn er ein nachweisbares und billigenswertes Interesse hat, dass gerade diese Werkwohnung einem bestimmten Arbeitnehmer zur Verfügung gestellt wird. Hier wird ein besonderer oder gesteigerter Betriebsbedarf verlangt (Staudinger/Rolfs (2021) BGB § 573, Rn. 181) und damit auch wieder ein zusätzliches Kriterium, welches den Bedarf so dringend erscheinen lässt wie einen der Regelfälle von Abs. 2.
g) Das Interesse der Kläger an der Unterbringung der OP Hilfe in der streitgegenständlichen Wohnung ist schließlich schon für sich genommen schwächer als etwa im Fall des Amtsgerichts München, weil die streitige Wohnung 4,7 km entfernt von der Wohnung der Kläger liegt. Selbst das AG München diskutiert in seiner Entscheidung, ob der Komfortvorteil dadurch nivelliert werden könnte, dass die streitige Führung im dortigen Fall 650 m von der Einsatzstelle der Au-Pair Hilfe entfernt lag. Das Gericht führt aus, es könne keinen Unterschied machen, ob eine Hilfskraft, wie ein Au-pair, in einer eigenen Wohnung im selben Haus, in einer Wohnung auf demselben Grundstück in geringer Entfernung oder in einer anderen Wohnung ein paar Straßen entfernt untergebracht werden solle, so lange das Au-pair in selber Weise eingesetzt werden kann. Relevant ist dabei nur die „Nähe zur Vermieterwohnung“ (AG München, Urteil vom 12. Januar 2021 473 C 11647/20 -, Rn. 43). Dem Gericht wird darin zu folgen sein, dass dies bei einer Entfernung von 650 m noch unproblematisch anzunehmen ist. Die Entfernung von 4,7 km ist jedoch nicht mehr in derselben Weise zu bewerten.
III.
Die Nebenentscheidungen richten sich hinsichtlich der Kosten nach den §§ 91 Abs. 1, S. 1, 100 Abs. 1 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 41 Abs. 2 GKG und richtet sich nach dem zwölffachen der monatlichen Nettokaltmiete.