AG Berlin-Mitte – Az.: 12 C 1004/12 – Urteil vom 28.06.2012
1. Die einstweilige Verfügung vom 02.05.2012 wird bestätigt.
2. Die Verfügungsbeklagte hat die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand
Die Verfügungsbeklagte vermietete der Verfügungsklägerin die im 4 Obergeschoss des Vorderhauses rechts liegende Wohnung im Mietsobjekt … Berlin.
Die Verfügungsbeklagte kündigte der Verfügungsklägerin mit Schreiben vom 13.10.2011 an, dass sie beabsichtige Modernisierungsmaßnahmen am Mietsobjekt durchzuführen. Unter anderem teilte sie mit, dass die Fassade des Mietsobjektes gedämmt werden soll. Die voraussichtlich auf die Mieter umzulegenden Modernisierungskosten bezifferte die Verfügungsbeklagte auf EUR 492.567,00, wobei sich für die Verfügungsklägerin voraussichtlich ein monatlicher umlagefähiger Erhöhungsbetrag von EUR 195,30 ergibt. Wegen der Einzelheiten der Modernisierungsmaßnahmen sowie der Kostenaufteilung wird auf selbiges Schreiben (Bl. 15 ff. d. A.) Bezug genommen. Die Verfügungsklägerin widersprach mit Schreiben vom 08.11.2011 der Modernisierung.
Die Verfügungsbeklagte erhob Klage auf Feststellung zur Duldung der Modernisierungsmaßnahmen, welche unter dem Az. 12 C 20/12 beim erkennenden Gericht anhängig ist. Die Verfügungsbeklagte begann am 27.04.2012 mit Gerüstbauarbeiten an der zu dämmenden Fassade. Die Verfügungsklägerin beantragte daraufhin eine einstweilige Verfügung. Das erkennende Gericht hat der Verfügungsbeklagten mit Beschluss vom 02.05.2012 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens Az. 12 C 20/12 untersagt, den Aufbau eines Gerüstes an der Fassade des Mietobjektes B Straße, … Berlin fortzusetzen.
In dem auf den Widerspruch der Verfügungsbeklagten anberaumten Verhandlungstermin beantragt die Verfügungsklägerin, wie erkannt.
Die Verfügungsbeklagte beantragt, die einstweilige Verfügung vom 02.05.2012 aufzuheben und den Antrag auf ihren Erlass zurückzuweisen.
Die Verfügungsbeklagte behauptet, das ein Verfügungsanspruch und ein Verfügungsgrund der Verfügungsklägerin nicht bestehe. Die Verfügungsbeklagte meint, sie sei zum Gerüstaufbau berechtigt, da die Verfügungsklägerin die Maßnahmen im Außenbereich zu dulden habe.
Zu den weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird ergänzend auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Der Verfügungsantrag der Verfügungsklägerin ist gemäß §§ 935, 937 Abs. 1, 29 a Abs. 1 ZPO zulässig und begründet, weshalb die einstweilige Verfügung vom 02.05.2012 gemäß §§ 925 Abs. 2, 936 ZPO aufrechtzuerhalten war.
Der Verfügungsklägerin steht ein Verfügungsanspruch aus §§ 862 Abs. 1, 858, Abs. 1 BGB zu. Die Verfügungsklägerin ist gemäß § 862 Abs. 1 BGB in ihrem Besitz dadurch gestört, dass die Verfügungsbeklagte das Mietobjekt einrüstet und wodurch der zur Wohnung gehörige Balkon nicht mehr ungestört genutzt werden kann. Durch die Einrüstarbeiten und die darauf folgenden Modernisierungsarbeiten ist die Verfügungsklägerin darüber hinaus auch wegen der damit verbundenen Lärm- und Schmutzbelästigung in ihrem Besitz gestört. Solcher Störung ist die Verfügungsklägerin ausweislich ihres substantiiert dargetanen und gemäß §§ 920 Abs. 2, 936, 294 Abs. 1 ZPO glaubhaft gemachten Vorbringens ausgesetzt, das auch von der Verfügungsbeklagten nicht entkräftet worden ist.
Diese Lärm- und Gebrauchsbeeinträchtigung stellt eine Besitzstörung durch verbotene Eigenmacht i. S. v. § 858, 859 BGB dar (vgl. BGH XII ZR 137/07 (Rn.25, 28), AG Hamburg 47 C 1789/95), deren Unterlassung die Verfügungsklägerin nach § 862 Abs. 1 BGB verlangen kann. Einer abschließenden Entscheidung, ob die Verfügungsklägerin gemäß § 554 Abs. 2, Abs. 3 BGB zur Duldung der streitgegenständlichen Modernisierungsmaßnahme verpflichte wäre, bedarf es nicht. Ob seitens der Verfügungsklägerin eine Duldungspflicht für die Modernisierungsmaßnahme besteht, kann nicht im einstweiligen Rechtsschutzverfahren geklärt werden und bleibt der Hauptsache vorbehalten, § 940 ZPO.
Auf einen besonderen Verfügungsgrund kommt es bei Besitzstörungsansprüchen nicht an, da diese aus der Natur der Sache eilig sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.