AG Bremen, Az.: 23 C 473/12
Urteil vom 21.08.2013
wegen eines
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz aufgrund eines am 08.09.2012 in der Zeit von 17.00 bis 17.30 Uhr geplatzten Besichtigungstermins einer Mietwohnung in der F.-Str .72, […] Bremen.
Die Beklagte stellte ein Angebot einer Mietwohnung am 04.09.2012 auf dem Internetportal I. unter der I.-Nummer: 16400072 ein mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass keine Maklerprovision anfiel (Anlage B1, Bl. 14 d.A.). Hierbei handelte es sich um ein 16 qm großes 1-Zimmer-Appartment in der F.-Str .72, […] Bremen. Die Miete betrug 175 € zuzüglich Nebenkosten. Die Vermieterin der Wohnung war die Eigentümergemeinschaft B. B. E. Am 04.09.20012 fragte die Klägerin nach dem derzeitigen Stand der Wohnung sowie einem möglichen Besichtigungstermin bei der Beklagten per Mail über das Immobilienportal I. nach (Bl. 7 d.A.). Mit Email vom 05.09.2012 (Bl. 5 d.A.) teilte die Beklagte mit, die Wohnung könne am Samstag, den 08.09.2012 in der Zeit von 17.00 bis 17.30 Uhr angesehen werden, und führte u.a. folgendes aus:
„Für weitere Fragen stehen wir selbstverständlich auch gerne zur Verfügung.
Um die weiteren Details der Anmietung zu klären, setzen sie sich bitte wieder mit uns in Verbindung.“
Diesen Termin bestätigte die Beklagte am selben Tag. Die Wohnung wurde zu dieser Zeit von Herrn S. gemietet. Dieser sollte der Klägerin und den weiteren Interessenten die Wohnung zeigen sowie Fragen zur Wohnung beantworten. An der Besichtigung nahmen 15 weitere Personen teil. Die Klägerin reiste mit ihren Eltern zur Besichtigung von D. nach Bremen mit dem Pkw an. Der Mieter öffnete die Wohnung zur vereinbarten Uhrzeit trotz mehrmaligen Klingelns nicht. Nach 30 Minuten versuchte der Vater der Klägerin telefonisch eine verantwortliche Person der Beklagten zu erreichen. Er erreichte nur den Anrufbeantworter und bat nach einer Schilderung der Sachlage um die Ermöglichung der Besichtigung. Daraufhin erfolgte keine Reaktion, so dass die Klägerin ihre Rückreise nach D. antrat. Am 27.09.2012 forderte die Klägerin die Beklagte mit Fristsetzung zum 12.10.2012 per Fax zum Schadensersatz auf. Die Beklagte wies jedoch jegliche Ersatzansprüche ab.
Die Klägerin beziffert ihren Schaden wie folgt: Fahrtkosten D. – Bremen 274 km mal 92,8 ct/km = 254,27 EUR für je Hin- und Rückfahrt, unnütz vertane Zeit von 6 Stunden je 20 EUR = 120 EUR, insgesamt 628,54 EUR.
Die Klägerin meint, die Beklagte sei jedenfalls wie ein Sachwalter zu behandeln, da sie weitreichende Kompetenzen habe, wie etwa für eine Vermietung zu sorgen. Bei der Anreise zum Besichtigungstermin handele es sich nicht um vertane Freizeit, sondern vielmehr um „gebuchte“ Freizeit, so dass ihr Schadensersatz für die Reisezeit und die Reisekosten zustünde.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 628,54 € zuzüglich 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.09.2012 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte meint, gegen sie als reine Immobilienverwaltungsfirma bestehe keine Anspruchsgrundlage, zumal nicht sicher festzustellen sei, dass die Klägerin die Wohnung auch tatsächlich hätte anmieten können. Der geltend gemachte Anspruch sei ein nicht ersatzfähiger Frustrierungsschaden, da die Kosten ohnehin angefallen wären.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadensersatz gem. §§ 280 Abs.1, § 311 Abs.2, 3 BGB.
1. Die Beklagte ist nicht passiv legitimiert, da zwischen der Klägerin und ihr kein Schuldverhältnis mit Rücksichtnahmepflichten nach § 241 Abs.2 BGB bestand.
Die Beklagte handelte nicht im eigenen Namen. Vermieterin der Wohnung ist vielmehr die Eigentümergemeinschaft B. B. E. Die Voraussetzungen einer Eigenhaftung der Beklagten als Vertreterin der Eigentümergemeinschaft gem. § 311 Abs. 3 BGB liegen nicht vor.
a) Die Beklagte hatte kein unmittelbares eigenes wirtschaftliches Interesse am Zustandekommen eines Mietvertrages zwischen der Vermieterin der Wohnung und der Klägerin. Die Beklagte ist hier als Immobilienverwaltungsfirma und bloße Vermittlerin tätig geworden, wobei bereits in der Annonce ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass keine Maklerprovision anfällt. Sie wurde wirtschaftlich nicht gleichsam in eigener Sache tätig. Unabhängig davon reicht ein nur mittelbares Interesse wie die Aussicht auf eine Provision oder ein Entgelt für die Bejahung eines wirtschaftlichen Interesses nicht aus (s. Palandt, BGB-Kommentar, § 311 Rn. 61 m.w.N.).
b) Die Beklagte hat kein besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen und hierdurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst. Eine solche Inanspruchnahme des Vertrauens erfordert, dass die Beklagte das Vertrauen der Klägerin in stärkerem Maße in Anspruch nimmt, als es allgemein bei Vertragsverhandlungen vorauszusetzen ist. Die Beklagte hat keine persönliche Gewähr für die Seriosität sowie eine erfolgreiche Vertragsdurchführung gegeben. Die Klägerin konnte die Beklagte nicht als einen “Garanten der Vertragsdurchführung“ sehen, auch dann nicht, wenn sich der eigentliche Vertragspartner als nicht vertrauenswürdig erweist. Es handelte sich hier um einen allgemeinen Besichtigungstermin mit mehreren möglichen Interessenten. Die Beklagte hat für die Vermieterseite die Annonce eingestellt und mit Schreiben vom 05.09.2012 den Besichtigungstermin der Klägerin lediglich bestätigt und ausgeführt, dass sich die Klägerin für weitere Details der Anmietung wieder mit ihr in Verbindung setzen könne. Eine weitere Erklärung, insbesondere dass die Klägerin die Wohnung auch tatsächlich anmieten könnte, ist nicht erfolgt. Auch hat die Beklagte weder mit einer besonderen Kompetenz geworben noch ist ein Mitarbeiter der Beklagten über den Email-Verkehr hinaus persönlich in Kontakt mit der Klägerin getreten noch ist eine Anwesenheit eines Angestellten der Beklagten bei der Besichtigung vorgesehen gewesen. Die Beklagte ist insoweit als normale Vertreterin tätig geworden. Der Angestellte oder Handlungsbevollmächtigte haftet jedoch grundsätzlich nicht aus c.i.c. (Palandt, § 311 Rn. 64 i.V.m. 62 und m.w.N.). Insoweit käme allenfalls eine Haftung der Vermieterseite in Betracht.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht im Hinblick auf die klägerseits zitierte Haftung des Maklers. Der vorliegende Fall ist mit den in der Rechtsprechung entschiedenen Fällen nicht vergleichbar.
Die Beklagte ist als Immobilienverwaltungsfirma nicht mit einem Versicherungsmakler zu vergleichen. Ein solches besonderes Vertrauen, welches eine Sachwalterhaftung rechtfertigt, liegt bei Versicherungsmaklern aufgrund ihrer besonderen beruflichen Stellung vor. Für den Bereich der Versicherungsverhältnisse treffen Versicherungsmakler umfassende Pflichten. Sie werden regelmäßig vom Versicherungsnehmer beauftragt und als dessen Abschluss- bzw. Interessensvertreter angesehen. Sie sind zum Abschluss eines gewünschten Versicherungsvertrages verpflichtet. Versicherungsmakler haben für den Versicherungsnehmer als Vertrauter und Berater individuellen, für das betreffende Objekt passenden Versicherungsschutz oft kurzfristig zu besorgen (s. BGH NJW 1985, 2595). Dies ist mit der bloßen Kontaktaufnahme via Email durch die Beklagte als Immobilieverwaltungsfirma nicht vergleichbar.
2. Angesichts dessen kann es dahinstehen, dass es nach Auffassung des Gerichts ohnehin an einem hinreichenden Näheverhältnis zwischen der Klägerin und der Vermieterseite im Sinne eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses gem. § 311 Abs.2 BGB fehlt.
Es lagen noch keine konkreten Vertragsverhandlungen zwischen der Beklagten und der Klägerin vor. Zwar genügen unverbindliche Gespräche zur Aufnahme von Vertragsverhandlungen, da diese in einem Vertragsschluss münden können. Jedoch ist dies nicht der Fall, wenn sich solche Vorgespräche darin erschöpfen, die gemeinsamen Interessen auszuloten und erst dann in konkrete Vertragsgespräche einzutreten (s. Bamberger/Roth, BGB-Kommentar, § 311 Rn.44.). Wie bereits festgestellt, handelte es sich hier um einen allgemeinen Besichtigungstermin. Die Beklagte hat der Klägerin hinsichtlich der Wohnung lediglich eine Mail über das Immobilienportal „Immonet“ geschrieben. In der betreffenden Mail vom 05.09.2012 bestätigte die Beklagte den Besichtigungstermin am 08.09.2012 in der Zeit von 17.00 bis 17.30 Uhr. Weitere Erklärungen auf Seite der Beklagten lagen nicht vor. Es lässt sich nicht sicher feststellen, dass die Klägerin die Wohnung hätte tatsächlich auch anmieten können. Vielmehr erschienen zu dem vereinbarten Besichtigungstermin weitere 15 Personen, die ebenfalls Interesse an der betreffenden Mietwohnung hatten.
Zudem ist zu berücksichtigen, dass es aus Sicht eines objektiven Empfängers gem. §§ 133, 157 BGB schon deshalb an einer Konkretisierung im Sinne eines hinreichenden Näheverhältnisses fehlt, weil sich der potentieller Vermieter bei Besichtigungsterminen, bei denen bei schwierigen Wohnmarktlagen auch 50 oder mehr Interessenten erscheinen können, einem unzumutbaren Haftungsrisiko aussetzen würde. Anders könnte es sich darstellen, wenn – anders als hier – sich der Vermieter mit dem Interessenten im Anschluss einen gemeinsam vorzunehmenden Besichtigungstermin individuell verabreden würde.
3. Ferner kam es nicht mehr darauf an, dass der Klägerin kein Schaden entstanden ist.
a) Der Pkw der Marke Jeep Grand Cherokee 3.0 CRD steht im Eigentum des Vaters der Klägerin. Ein Schaden wäre der Klägerin daher nur in Gestalt eines Haftungsschadens entstanden, wenn ihr Vater einen Anspruch gegen sie hätte, nämlich aus § 670 BGB (analog) oder Werkvertragsrecht; die etwaige tatsächliche Zahlung oder Verrechnung kann nicht maßgeblich sein. Zwischen Vater und Tochter lag jedoch kein Auftragsverhältnis oder Werkvertragsverhältnis vor. Das Gericht nimmt vielmehr ein familiäres Gefälligkeitsverhältnis an, bei dem ein entsprechender Rechtsbindungswille der Beteiligten nicht vorhanden ist. Der Vater hatte kein eigenes wirtschaftliches oder rechtliches Interesse. Die Klägerin hatte auch gegenüber ihrem Vater keinen einklagbaren Anspruch, zum Besichtigungstermin gefahren zu werden.
b) Im Übrigen wäre der Schaden der Höhe nach nicht gegeben. Vertane Freizeit ist kein ersatzfähiger Schaden. Freizeit wird überwiegend nicht als ein in Geld ersetzbares vermögenswertes Gut angesehen (Palandt, § 249 Rn.93.). Dies ergibt sich seit Kodifikation des § 651 f. Abs. 2 BGB im Jahre 1979 schon kraft Gesetzes. Eine analoge Anwendung für die vorliegende Konstellation ist nicht geboten. Ein Vertragsverhältnis, bei dem ein Anspruch im Falle eines Annahmeverzugs begründet sein kann, liegt nicht vor.
Bei den Fahrtkosten in Höhe der geltend gemachten 508,55 EUR handelt es sich um einen sog. Frustrierungsschaden, da die Kosten der Klägerin auch dann entstanden wären, wenn der Besichtigungstermin ordnungsgemäß stattgefunden hätte. Nach dem Willen des Gesetzgebers sind solche nutzlosen Aufwendungen nur im Rahmen des § 284 BGB ersatzfähig (Palandt, vor 249 Rn. 19). Dabei könnte die Klägerin nur eine Kilometerpauschale von 30 Cent/Kilometer verlangen, nicht jedoch 92,8 Cent/Kilometer.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit erging nach §§ 708 Nr.11, 711 ZPO.