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Beschlusskompetenz einer Wohnungseigentümerversammlung – Voraussetzungen

LG Köln – Az.: 29 S 77/18 – Urteil vom 13.12.2018

Die Berufung der Beklagten gegen das am 20.03.2018 verkündete Urteil des Amtsgerichts Köln,  204 C 88/17, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien bilden die im Rubrum angeführte Wohnungserbbauberechtigtengemeinschaft.

Mit der vorliegenden Klage wenden sich die Kläger gegen einen angeblich zu TOP 7 einstimmig gefassten Beschluss auf der Eigentümerversammlung vom 08.05.2017 betreffend eine Einigung der Parteien zu verschiedenen Gerichtsverfahren und streitigen Punkten. Wegen der Einzelheiten der Beschlussfassung wird auf das vorgelegte Protokoll (Bl. 12 ff, 15 GA) verwiesen.

Für die weiteren tatsächlichen Feststellungen wird auf das amtsgerichtliche Urteil verwiesen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Mit Urteil vom 20.03.2018 hat das Amtsgericht den streitgegenständlichen Beschluss für nichtig erklärt. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass von Amts wegen über die Nichtigkeit zu befinden war. Unabhängig davon, ob tatsächlich ein Beschluss gefasst worden sei, sei zumindest der Anschein eines Beschlusses entstanden. Der Beschluss könne in seinen einzelnen Punkten als Vergleich nicht isoliert gesehen werden. Demgemäß sei es ausreichend, wenn schon ein Punkt der Vereinbarung nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen würde, zu unbestimmt sei oder nicht der Beschlusskompetenz unterliege. Die Regelungen über das Ruhenlassen von Verfahren seien als nichtig anzusehen, weil die Beschlusskompetenz fehle. Es könne nicht generell beschlossen werden, wie die Kläger und andere Beteiligte an Prozessen mit Gerichtsverfahren umgehen sollen. Im Übrigen sei der Beschluss zu unbestimmt. Auch eine tätige Mitarbeit bezüglich der Bepflanzung des Bereichs der Abböschung sei als nichtig anzusehen. Auch sei nicht eindeutig geklärt, wer die einzelnen Maßnahmen ergreifen solle. Die Eigentümer könnten sich nicht der Entscheidungsbefugnis entziehen und das Verfahren über die einzelnen Maßnahmen wie geschehen abkürzen.

Gegen dieses Urteil, auf das wegen der weiteren Einzelheiten ergänzend verwiesen wird, wenden sich die Beklagten mit ihrer form- und fristgerechten Berufung.

Sie meinen, es sei schon nicht nachvollziehbar, dass das Amtsgericht den Parteien die Fähigkeit absprechen wolle, einen einstimmigen Beschluss zu fassen, wonach Rechtsstreitigkeiten erst einmal ruhen sollen. Das Gericht habe zudem missachtet, dass es sich vorliegend nicht nur um einen einstimmigen Beschluss gehandelt habe, sondern auch um einen allstimmigen Beschluss, der mit Zustimmung aller Miterbbauberechtigten gefasst worden sei. Im Grunde genommen sei es so, dass die Parteien durch diese Art der Beschlussfassung weniger einen Beschluss sondern eine Vereinbarung getroffen hätten. Wenn man aus der Tatsache der Allstimmigkeit ohne weiteres die rechtsgeschäftliche Vereinbarung herleite, stelle sich die Frage der Beschlusskompetenz nicht. Der Beschluss sei entgegen der Auffassung des Amtsgerichts auch hinreichend bestimmt. Falsch sei auch, dass eine tätige Mitarbeit von Eigentümern beschlossen worden sei. Es sei lediglich den Klägern auf deren Wunsch die Möglichkeit eingeräumt worden, die Bepflanzung der Abböschung vor ihrem Küchenfenster selbst zu gestalten. Es sei also keine Pflicht normiert sondern ein Recht begründet worden. Auch die anderen vom Gericht angeführten Punkte hätten auf der allstimmigen Zustimmung sämtlicher Miterbbauberechtigten beruht.

Die Beklagten beantragen, das angefochtene Urteil abzuändern und nach den in der Schlussverhandlung I. Instanz gestellten Anträgen der Beklagten und Berufungskläger zu erkennen.

Die Kläger beantragen,    die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das erstinstanzliche Urteil.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die in formeller Hinsicht unbedenkliche Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Insbesondere teilt die Kammer die Einschätzung des Amtsgerichts, dass die in dem Beschluss zu TOP 7 getroffenen Einzelregelungen als Einheit angesehen werden müssen, mit der Folge, dass die Unwirksamkeit einer Regelung dazu führt, dass der Beschluss insgesamt keine Bestand hat. Dies wird letztlich auch von den Beklagten nicht in Abrede gestellt.

Es kann zunächst offen bleiben, ob die Kläger wie von ihnen behauptet, tatsächlich auf der streitgegenständlichen Eigentümerversammlung gar nicht einem Beschlussvorschlag zu TOP 7 zugestimmt haben. Denn unabhängig hiervon ist der streitgegenständliche Beschluss entweder schon nichtig, wie vom Amtsgericht festgestellt, oder wegen eines Verstoßes gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung für ungültig zu erklären. Da vorliegend die Anfechtungsfrist gewahrt worden ist, braucht zwischen Nichtigkeits- und Anfechtungsgründen nicht näher unterschieden werden (vgl. BGH, Urteil vom 02.10.2009, V ZR 235/08, NJW 2009, 3655ff, zitiert nach Juris).

Es spricht schon viel dafür, dass den Wohnungseigentümern die Kompetenz fehlt, Rechtsstreitigkeiten einzelner Wohnungseigentümer, denen Individualansprüche zugrunde liegen, durch Beschluss zu regeln. Woraus sich bei derartigen Rechtsstreitigkeiten, die gemeinschaftliche Ansprüche nicht betreffen und wegen derer ein „an-sich-ziehen“ der Gemeinschaft bislang nicht stattgefunden hat, eine gesetzliche oder vereinbarte Kompetenz ergeben soll, den einzelnen Wohnungseigentümern durch Beschluss vorzugeben, dass Verfahren ruhend gestellt werden sollen, ist von den Beklagten auch mit der Berufung nicht dargelegt worden. Eine Umdeutung des Beschlusses in eine Vereinbarung ist trotz Allstimmigkeit vorliegend nicht zulässig. Denn nach dem protokollierten Wortlaut der Regelung ist ausdrücklich ein Beschluss gefasst worden. Dies ergibt sich sowohl aus der Überschrift zu TOP 7 als auch nach dem weiteren Inhalt des Beschlusstextes selbst.

Unabhängig hiervon ist der streitgegenständliche Beschluss aber auch deshalb für ungültig zu erklären, weil die Kläger – ihre Zustimmung zu dem Beschlussantrag in der streitgegenständlichen Eigentümerversammlung unterstellt – die mit der Stimmabgabe verbundene Zustimmung zu einer baulichen Veränderung im Sinne von § 22 Abs. 1 WEG wirksam widerrufen haben, § 183 BGB.

Die in dem streitgegenständlichen Beschluss unter Spiegelstrich 6 enthaltene Regelung betreffend die Berechtigung eines jeden Eigentümers, ein Glasdach zu installieren, enthält die Zustimmung zu einer baulichen Veränderung im Sinne von § 22 Abs. 1 WEG. Denn zum damaligen Zeitpunkt der Beschlussfassung mussten die Wohnungseigentümer vor dem Hintergrund der anhängigen Rechtsstreitigkeiten auf Entfernung der bereits existierenden Glasdächer der Wohnungen 5 und 7 befürchten, dass die erst nach Fertigstellung des Objekts angebrachten Glasdächer eine erhebliche Veränderung des optischen Gesamteindrucks des Gebäudes bewirken. Damit muss die Anbringung weiterer Glasdächer ebenfalls als bauliche Veränderung im Sinne von § 22 Abs. 1 WEG angesehen werden.

Die nach § 22 Abs. 1 WEG erforderliche Zustimmung zu einer baulichen Veränderung ist unter den Voraussetzungen des § 183 BGB widerruflich (vgl. u.a. Jennißen-Hogenschurz, WEG, 5. Auflage, § 22 Rn. 14). Der Widerruf kann auch durch Erhebung der Anfechtungsklage erklärt werden. In zeitlicher Hinsicht ist der Widerruf zulässig, solange der bauwillige Eigentümer Dispositionen zur Verwirklichung nicht getroffen hat (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.03.2006, 3 Wx 16/06, ZMR 2006, 624f; zitiert nach Juris). Im vorliegenden Fall ist nicht ersichtlich, dass einzelne Beklagte, deren Wohnungen noch über keine Glasdächer verfügen, bereits unmittelbar im Anschluss an die streitgegenständliche Versammlung Dispositionen zur Errichtung von weiteren Glasdächern getroffen haben. Auf die bereits errichteten Glasdächer kommt es insoweit nicht an.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von den Beklagten herangezogenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 13.07.2012, V ZR 254/11 (NZM 2012, 811). Denn vorliegend geht es anders als in dem vom Bundesgerichtshof zu entscheidenden Fall nicht um den Widerruf der in der Eigentümerversammlung abgegebenen Stimme, sondern um den Widerruf der darin enthaltenen Zustimmung gemäß §§ 182, 183 BGB.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 713 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherheit einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

Berufungsstreitwert (entsprechend der nichtangegriffenen Festsetzung durch das Amtsgericht):  28.400,00 EUR.

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