AG Wedding, Az.: 15a C 583/12, Urteil vom 08.01.2014
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger werden als Gesamtschuldner verurteilt, den stromgeladenen Sicherungsdraht, der von der Terrasse der Kläger, … straße 35, … Berlin, ausgehend senkrecht von den Terrassen auf das Rasengrundstück vor den Terrassen weg geht, bis zu dem äußersten Zaun der gesamten Wohnanlage zu entfernen.
3. Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung, hinsichtlich der Entfernung des Sicherungsdrahtes in Höhe von 400,00 EUR, im Übrigen in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Kläger sind seit dem 01.09.1990 Mieter, die Beklagte ist Vermieterin einer Wohnung in der Anlage … straße 35 in … Berlin. Die Wohnung befindet sich im Erdgeschoss, mitvermietet sind zwei Terrassen.
Die Wohnung befindet sich auf einem größeren Gelände, welches von der … straße, der …straße und der … Straße umfasst wird. Auf diesem Gelände befinden sich mehrere Mietshäuser und ein Biotop. Das gesamte Gelände befindet sich Eigentum der Beklagten.
(Für Einzelheiten wird auf die dem Urteil beigefügte Skizze verwiesen).
Das Grundstück befindet sich in der Nähe des T. F..
Auf diesem Grundstück treten Wildschweine auf, wobei das konkrete Ausmaß des Wildschweinbefalls zwischen den Parteien streitig ist.
Zu Angriffen von Wildschweinen auf Menschen kam es auf diesem Gelände bisher nicht.
Auf den Wegen innerhalb des Grundstücks gab es Fehlstellen bei den Begrenzungssteinen, welche die Beklagte während des Prozesses reparierte.
(Es wird auf die zur Akte gereichten Fotos, Blatt 100 bis 102 der Akte, verwiesen).
Auf dem Grundstück sind stromgeladene Sicherungsdrähte gespannt, welche die Terrassen der Kläger und der Nachbarin Frau … umfassen und über die Terrassen hinaus bis an die Grenze des Grundstücks reichen. Damit umfassen die Sicherungsdrähte auch das Rasenstück hinter dem Haus, in dem sich die Wohnung der Kläger befindet.
Die Kläger behaupten, dass das Biotop von den Wildschweinen zum Gebären und Aufziehen von Frischlingen nutzen.
Ferner behaupten sie, der Sicherungsdraht sei ihnen und ihrem damaligen Nachbarn Herrn … vor ca. 10 Jahren von der damaligen Hausverwaltung genehmigt worden. Nach einer Beschädigung der Stromzufuhr sei diese durch die Hausverwaltung repariert worden.
Die Kläger haben zunächst gegen die … Klage erhoben. Mit Schriftsatz vom 07.01.2013 haben sie die Klage gegen die …, Berlin erweitert und die Klage gegen die … zurückgenommen.
Die Kläger haben zunächst beantragt,
1. a) die Beklagte zu verurteilen, das Grundstück … straße 35 in … Berlin dergestalt einzufrieden, dass das Eindringen von Wildschweinen auf das Grundstück nahezu ausgeschlossen ist.
b) Hilfsweise die Müllfläche auf dem Grundstück … straße 35 in … Berlin und das sich auf dem Grundstück befindliche Biotop derartig einzufrieden, dass sich dort keine Wildschweine aufhalten können.
2. Die Beklagte zu verurteilen, in der Anlage … straße 35 in … Berlin auf den Wegen zu den Häusern die Fehlstellen an den Begrenzungssteinen dergestalt zu reparieren, dass diese mit dem Untergrund und der Seite fest verbunden sind, so dass ein Stolpern der Benutzer vermieden wird.
3. Festzustellen, dass die Kläger berechtigt sind, die Brutto-Warmmiete für ihre Wohnung … straße 35 in … Berlin ab Juli 2012 um 10 % und ab Oktober 2012 um 20 % zu mindern.
4. Die Beklagte zu verurteilen, die Kläger von ihren Rechtsanwaltskosten außergerichtlicher Vertretung in Höhe von 596,90 EUR freizustellen.
In der mündlichen Verhandlung vom 26.04.2013 haben die Kläger den Antrag zu 2. für erledigt erklärt.
Klageändernd beantragen sie nunmehr,
1. a. die Beklagte zu verurteilen, den sich um das Grundstück … straße/… straße/… Straße befindlichen in der Anlage B3 orange markierten Zaun dergestalt abzudichten, dass das Eindringen von Wildschweinen auf das Grundstück durch den Zaun ausgeschlossen ist.
b Hilfsweise die Beklagten zu verurteilen, den Zaun an der … straße zum Biotop (auf der Anlage B3 blau schraffiert) dergestalt auszubessern, dass Wildschweine nicht auf das Gelände und das Biotop eindringen können.
c. Höchst hilfsweise die Beklagten zu verurteilen, einen neuen Zaun auf dem besagten Grundstück im Innenbereich zur Abgrenzung zum Biotop dergestalt zu erstellen, dass die Wildschweine über das Biotop nicht mehr in den übrigen Bereich des Gesamtgrundstücks eindringen können.
3. Festzustellen, dass die Kläger berechtigt sind, die Brutto-Warmmiete für ihre Wohnung … straße 35 in … Berlin ab Juli 2012 und bis zu einer der im Klageantrag zu 1) alternativ verlangten Einfriedungen um 10 %, zwischen Oktober und März um weitere 10 %, zu mindern.
4. Die Beklagte zu verurteilen, die Kläger von ihren Rechtsanwaltskosten außergerichtlicher Vertretung in Höhe von 596,90 EUR freizustellen.
Die Beklagte schließt sich der Erledigungserklärung an und beantragt, die Klage abzuweisen.
Widerklagend hat die Beklagte zunächst beantragt, die Kläger gesamtschuldnerisch zu verurteilen, den stromgeladenen Sicherungsdraht um ihre Terrasse zu entfernen.
Nunmehr beantragt die Beklagte widerklagend, die Kläger gesamtschuldnerisch zu verurteilen, den stromgeladenen Sicherungsdraht, der von der Terrasse der Kläger, … straße 35 in … Berlin, ausgehend senkrecht von den Terrassen auf das Rasengrundstück vor den Terrassen weg geht, bis zu dem äußeren Zaun der gesamten Wohnanlage zu entfernen.
Die Kläger beantragen, die Widerklage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
1. Die zulässige Klage ist unbegründet. Die zulässige Widerklage ist begründet.
2. Die Kläger haben gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Abdichtung, Ausbesserung oder Errichtung eines der im Klageantrag zu 1 a. bis c. bezeichneten Zäune.
Als Anspruchsgrundlage kommt vorliegend allein der zwischen den Parteien bestehende Wohnungsmietvertrag in Betracht.
Im Rahmen eines Wohnungsmietvertrags treffen den Vermieter Schutzpflichten, welche auch dann vorliegen können, wenn etwaige Gefahren nicht unmittelbar durch die Mietsache selbst drohen. Der Vermieter hat in diesem Rahmen die erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen und Schutzvorkehrungen zu treffen. (Eisenschmid in Schmidt-Futterer, 11. Auflage, § 535 BGB, Rn. 102).
Aufgrund dieser Schutzpflichten ist die Beklagte nicht verpflichtet, eine der von den Klägern im Klageantrag zu 1. begehrten Maßnahmen zu treffen.
Dabei kann es dahinstehen, ob tatsächliche eine Gefahr besteht, welche die Beklagte zu Schutzmaßnahmen verpflichtet, denn die Kläger haben jedenfalls keinen Anspruch auf die konkreten, im Klageantrag zu 1. begehrten Maßnahmen.
Dies ergibt sich schon daraus, dass die Kläger die Einfriedung eines Grundstücks verlangen, welches nicht Gegenstand des Mietvertrags ist. Die Kläger begehren die Einfriedung eines Geländes, welches weit über den räumlichen Bereich der Mietsache hinausgeht. Das können die Kläger als Mieter von der Beklagten als Vermieterin nicht verlangen. Es liegt in der Natur des Mietvertrages, dass den Vermieter nur Schutzpflichten bezogen auf Gefahren treffen, die den räumlichen Bereich der Mietsache betreffen (Eisenschmid aaO).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Kläger sich für das Mietobjekt möglicherweise auch aufgrund der unmittelbaren Umgebung entschieden haben. Dies wäre dann lediglich als Motiv anzusehen, aus dem sich für die Beklagte keine rechtlichen Verpflichtungen ergeben.
Der vorliegende Fall unterscheidet sich nach dem Gesagten auch von der Entscheidung des AG-Köpenick, in der ein Vermieter zur Errichtung eines Zaunes verurteilt wurde (vgl. AG Köpenick, Entscheidung vom 04.07.2012, Az. 15 C …). Dort ging es nämlich um einen Zaun, der einen vermieteten Garten einfrieden sollte Die begehrte Maßnahme bezog sich also auf den räumlichen Bereich der Mietsache.
Ein anderes Ergebnis kann schließlich auch nicht mit der Annahme begründet werden, dass allein die von den Klägern begehrten Maßnahmen geeignet sind, auch das Mietobjekt der Kläger vor Wildschweinen zu schützen. Es besteht die naheliegende Möglichkeit, etwa – wie im Fall des AG Köpenick – die den Klägern vermieteten Terrassen durch einen Zaun vor Wildschweinen zu schützen. Dies wäre eine deutlich wenig umfangreiche, kostengünstigere Maßnahme.
3. Die Miete ist auch nicht ab Juli 2012 um 10% bzw. um 20 % gemindert.
§ 536 BGB setzt für eine Minderung einen Mangel voraus, der die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch nicht unerheblich beeinträchtigt. Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht gegeben.
In dem von den Klägern beschriebenen Wildschweinbefall ist bereits kein Mangel zu sehen, der die Gebrauchstauglichkeit nicht unerheblich mindert.
a. Dabei kann ein Mangel sich zwar auch aus Gefahren ergeben, die dem Wohnumfeld entstammen, in diesen Fällen reicht jedoch die Beschreibung eines abstrakten Gefahr nicht aus, vielmehr müssen konkrete, nicht unerhebliche Beeinträchtigungen vorliegen (BGH, Urteil vom 26.09.2012, Az. XII ZR 122/11, Rn. 21, zitiert nach Juris).
Der von den Klägern beschriebene Wildschweinbefall stellt lediglich abstrakte Gefahren dar, konkrete Konfrontationen mit Wildschweinen, aus denen sich konkrete Gefährdungen ergeben haben, werden nicht beschrieben.
Dabei ist es gerichtsbekannt, dass Wildschweine von sich aus und ohne Veranlassung Menschen in der Regel nicht angreifen.
Soweit die Kläger zu Recht darauf hinweisen, dass Wildschweine, die Junge habe und diese beschützen wollen, eine besondere Gefahr darstellen, so ist zu bemerken, dass nach dem eigenen Vortrag der Kläger die Wildschweine ihre Jungen in dem Biotop zur Welt bringen. Die Kläger gehen auf dem Weg von der K.-Straße zu ihrem Wohnhaus zwar an diesem Biotop vorbei, sie müssen aber nicht etwa durch dieses Biotop durchgehen und dabei gewissermaßen zwangsläufig die Wildschweine stören und eventuell zu Angriffen veranlassen.
Soweit sich die Kläger schließlich auf die besondere Gefahr berufen, denen Kinder durch die Wildschweine ausgesetzt sind, ist festzustellen, dass die Kläger ohne Kinder in dem Mietobjekt wohnen.
b. Ferner steht einem Mangel im Sinne des § 536 BGB entgegen, dass das Vorhandensein von Wildschweinen in der Nähe von bewaldeten Gebieten dem allgemeinen Lebensrisiko zuzuordnen ist. Eine andere Betrachtung würde dazu führen, dass es Vermietern von Wohnungen, die sich in der Nähe von bewaldeten Gebieten befinden, obliegen würde, alles zu unternehmen, um ihren Mietern Konfrontationen mit Wildschweinen zu ersparen. Dies würde jedoch eine erhebliche Überspannung der Schutzpflichten von Vermietern bedeuten.
Würde man Vermietern eine solche Pflicht auferlegen, könnte man mit gleichen Argumenten die Ansicht vertreten, dass Vermieter in Problembezirken ihre Mieter auch vor randalierenden Jugendbanden schützen müssten. Dies ist jedoch nicht Aufgabe von Vermietern, sondern Aufgabe der Polizei.
Etwas anderes ergibt sich vorliegend auch nicht daraus, dass die Wildschweine sich auf einen Grundstück befinden, welches im Eigentum der Beklagten als Vermieterin steht. Dies ist für das Vorliegen eines Mangels unerheblich.
4. Mangels Hauptforderung besteht auch kein Anspruch auf Freistellung von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
5. Die Widerklage ist zulässig und begründet.
a. Die Widerklage ist zulässig, insbesondere ist der nach § 33 Abs. 1 ZPO erforderliche Sachzusammenhang gegeben.
b. Die Widerklage ist auch begründet. Beklagte hat gegen die Kläger einen Anspruch auf Entfernung des Sicherungsdrahtes.
Anspruchsgrundlage ist § 823 Abs. 1 BGB.
Durch den Sicherungsdraht, welcher nicht nur die Terrasse der Kläger, sondern auch einen Teil des nicht mitvermieteten Rasengrundstücks vor der Terrasse umspannt, beeinträchtigen die Kläger das Eigentum der Beklagten.
Diese Beeinträchtigung ist auch widerrechtlich.
Dabei kommt es nicht darauf an, ob den Klägern die Einrichtung des Sicherungsdrahtes durch eine frühere Hausverwaltung genehmigt worden ist, denn eine solche Genehmigung hätte die Beklagte durch Erhebung der Widerklage konkludent widerrufen.
Für einen solchen Widerruf ist es nicht erforderlich, dass ausdrücklich widerrufen wird, es reicht vielmehr aus, dass erkennbar ist, dass der Vertragspartner das Vertragsverhältnis für die Zukunft beenden will (vgl. für den Fall der außerordentlichen Kündigung: Gaier in Münchener Kommentar, 6. Auflage, § 314 BGB, Rn. 18; vergleiche allgemein zur Auslegung von Willenserklärungen: Busche in Münchener Kommentar, 6. Auflage, § 133 BGB, Rn. 12).
Mit Erhebung der Widerklage hat die Beklage eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass eine möglicherweise bestehende Genehmigung für den Sicherungsdraht nicht weiter bestehen soll.
Die Beklagte konnte die möglicherweise bestehende Genehmigung auch widerrufen, die den Klägern behaupteten Genehmigung stellt sich als jederzeit frei widerrufliche Genehmigung dar.
Die Frage der Widerruflichkeit und der sonstigen Rechtsnatur einer Genehmigung ist durch Auslegung zu ermitteln (vgl. LG Saarbrücken, Urteil vom 07.06.1996, Az. 13 B S 13/96, Rn. 17 ff., zitiert nach Juris).
Die Kläger haben keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich entnehmen lässt, dass die damalige Hausverwaltung die Genehmigung erteilen wollte, ohne diese Genehmigung auch frei widerrufen zu können.
Die Unentgeltlichkeit der Genehmigung, die Tatsache, dass der Sicherungsdraht ein Gelände umfasst, welches nicht mietvermietet ist und der Umstand, dass der Sicherungsdraht das Passieren anderer Mieter ausschließt, sprechen vielmehr dafür, dass die damalige Hausverwaltung lediglich eine frei widerrufliche Genehmigung erteilen wollte.
Die Unentgeltlichkeit spricht insbesondere auch gegen die Annahme, das die damalige Hausverwaltung den Mietvertrag auf die Nutzung des Rasengrundstücks vor den vermieteten Terrassen erstrecken wollte, denn Mietverträge setzen Entgeltlichkeit voraus (vgl. § 535 Abs. 2 BGB). Würde man aufgrund der Unentgeltlichkeit demgegenüber von einer Leihe ausgehen, würde auch dies zu einer freien Kündbarkeit nach § 604 Abs. 3 BGB führen, denn aus dem Zweck des Sicherungsdrahtes lässt sich ein bestimmter Zeitraum für eine eventuell bestehende Leihe nicht entnehmen.
Ein anderes Ergebnis würde sich schließlich auch nicht aus dem bestrittenen Sachvortrag der Kläger ergeben, dass die damalige Hausverwaltung den Zaun nach einer Beschädigung auf eigene Kosten repariert hat. Daraus könnte zwar eine konkludente Genehmigung folgen, nicht jedoch die Unwiderruflichkeit.
5. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den §§ 91, 91a,269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.
Soweit die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, waren den Klägern die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, denn die Klage war insoweit nach dem bisherigen Sach- und Streitstand unbegründet.
Dabei kann es dahinstehen, ob die Kläger grundsätzlich von der Beklagten eine Ausbesserung der Wege verlangen können. Jedenfalls der von den Klägern dargelegte Umfang der Beschädigungen hatte kein Ausmaß, welcher einen Mangel oder eine Gefahr bedeutet hat.
Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass die von den Klägern vorgelegten fünf Fotos allesamt dieselbe beschädigte Stelle zeigen, lediglich aus verschiedenen Perspektiven und in verschiedener Ausschnitte aufgenommen.
Die auf den Fotos dargestellten Schäden betreffen lediglich den Rand des Weges und nur wenige Begrenzungssteine.
6. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den § 709 ZPO.