Hochwasserschaden: Überhöhte Mietminderung führt zu Räumungsurteil
Das Amtsgericht Rheinbach urteilte im Fall Az.: 3 C 110/21, dass die Beklagte wegen unrechtmäßiger Mietkürzungen nach Hochwasserschäden ihre Wohnung räumen muss und zusätzlich Kosten zu tragen hat, obwohl der Vermieter Mängelbeseitigungen vornahm und teilweise Mietkürzungen akzeptierte.
Übersicht
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✔ Das Wichtigste in Kürze
- Das Gericht entschied, dass die Mieterin die Wohnung räumen muss und finanzielle Forderungen des Vermieters zu erfüllen hat.
- Ursache für den Rechtsstreit waren Differenzen über die Höhe der Mietkürzung nach Hochwasserschäden.
- Der Vermieter hatte Mängelbeseitigungen durchgeführt und teilweise Mietkürzungen akzeptiert.
- Die Mieterin minderte die Miete unrechtmäßig stark und zahlte auch nach einer Kündigung und gerichtlichen Auseinandersetzung nicht vollständig.
- Das Gericht wertete die Kündigung des Vermieters sowohl fristlos als auch ordentlich als rechtens.
- Mängel an Keller und Aufzug rechtfertigten eine Mietminderung, aber das Ausmaß der von der Mieterin vorgenommenen Kürzungen nicht.
- Trotz Versuchen einer einvernehmlichen Lösung und Zugeständnissen seitens des Vermieters blieb der Zahlungsrückstand ein strittiger Punkt.
- Die Gerichtskosten und weitere Forderungen des Vermieters wurden der Mieterin auferlegt.
- Die ordentliche Kündigung wurde aufgrund anhaltender Zahlungsrückstände und nicht aufgrund der Schonfristregelung als wirksam angesehen.
- Die Mieterin muss die Wohnung räumen und dem Vermieter Kosten erstatten, die durch die rechtlichen Auseinandersetzungen entstanden sind.
Mietminderung bei Wohnungsmängeln
Nicht selten treten bei Mietwohnungen Mängel auf – sei es nach Unwettern, durch Baumängel oder aufgrund mangelnder Instandhaltung. In solchen Fällen haben Mieter Anspruch auf Mietminderung. Doch wann genau liegt ein Mangel vor und in welcher Höhe darf die Miete gekürzt werden?
Bei Hochwasserschäden stellt sich zudem die Frage nach der Duldungspflicht von Instandsetzungsarbeiten seitens der Mieter. Oft sind aufwändige Renovierungen notwendig, die den Wohnwert deutlich einschränken und eine Mietminderung rechtfertigen können. Letztlich sind bei Streitigkeiten die Gerichte gefragt, um eine angemessene Lösung zu finden.
➜ Der Fall im Detail
Hochwasserschaden führt zu Mietstreitigkeiten
In Rheinbach kam es zu einem Gerichtsverfahren, das die Frage aufwarf, unter welchen Umständen Mieter nach einem Hochwasserschaden die Miete kürzen dürfen und welche Konsequenzen sich daraus für das Mietverhältnis ergeben können. Die Auseinandersetzung zwischen Mieterin und Vermieterin gipfelte in einer gerichtlichen Entscheidung, die weitreichende Folgen für die Beteiligten hatte.
Die Ursachen des Rechtsstreits
Nach der Hochwasserkatastrophe kürzte eine Mieterin die Miete für ihre Wohnung im zweiten Stock, da die Keller und die Erdgeschosswohnungen sowie die Aufzugsanlage beschädigt wurden. Während eine Erdgeschossmieterin eine 100%-ige Mietkürzung für drei Monate gewährt bekam, entschied sich die betroffene Mieterin eigenständig für eine Kürzung um 67,6% bis einschließlich Dezember 2021. Diese Entscheidung führte zu einem Konflikt mit der Vermieterin, welche die Miete lediglich für zwei Monate in der genannten Höhe akzeptierte und daraufhin das Mietverhältnis kündigte.
Gerichtliche Entscheidung und deren Begründung
Das Amtsgericht Rheinbach entschied zugunsten der Vermieterin. Die Mieterin wurde zur Räumung der Wohnung verurteilt und musste zudem ausstehende Zahlungen leisten. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass die Mieterin die Miete über das rechtlich zulässige Maß hinaus gemindert hatte. Trotz der Hochwasserschäden und der daraus resultierenden Beeinträchtigungen war die Wohnung im zweiten Stock direkt nicht betroffen, was eine so drastische Mietminderung nicht rechtfertigte.
Konsequenzen der Gerichtsentscheidung
Die Entscheidung des Gerichts unterstreicht die Bedeutung einer angemessenen Mietminderung bei Schäden und die Notwendigkeit, solche Maßnahmen mit dem Vermieter abzustimmen. Zudem verdeutlicht der Fall die potenziellen Konsequenzen unrechtmäßiger Mietkürzungen, die bis zur Kündigung des Mietverhältnisses und zu finanziellen Forderungen führen können.
Abschließende Betrachtung
Der Rechtsstreit um die Mietkürzung nach dem Hochwasserschaden zeigt auf, wie wichtig eine klare Kommunikation und rechtliche Absicherung in Mietverhältnissen sind. Er verdeutlicht die Grenzen der Mietminderung und hebt hervor, dass Mieter bei der Kürzung der Miete sorgfältig vorgehen und sich gegebenenfalls rechtlich beraten lassen sollten, um ähnliche Konflikte zu vermeiden.
✔ Häufige Fragen – FAQ
Welche Rechte habe ich als Mieter bei Hochwasserschäden in meiner Mietwohnung?
Als Mieter haben Sie bei Hochwasserschäden in Ihrer Mietwohnung bestimmte Rechte, die es Ihnen ermöglichen, auf die Situation angemessen zu reagieren. Diese Rechte umfassen unter anderem die Möglichkeit einer Mietminderung, das Recht auf fristlose Kündigung unter bestimmten Umständen und die Pflicht, den Vermieter über die Schäden zu informieren.
Mietminderung
Sie haben das Recht, die Miete zu mindern, wenn Ihre Wohnung durch Hochwasser beschädigt wurde und dadurch nicht oder nur eingeschränkt nutzbar ist. Die Höhe der Mietminderung hängt vom Grad der Beeinträchtigung ab. Bei vollständiger Unbewohnbarkeit der Wohnung kann die Miete um 100 % gemindert werden. Wichtig ist, dass Hochwasserschäden nicht als höhere Gewalt im Sinne des Mietrechts gelten, weshalb der Vermieter für die Gebrauchstauglichkeit der Mieträume haftet, auch ohne eigenes Verschulden.
Fristlose Kündigung
Unter extremen Umständen, wenn beispielsweise die Wohnung dauerhaft unbewohnbar geworden ist oder eine erhebliche Gesundheitsgefährdung besteht, haben Sie das Recht, das Mietverhältnis fristlos zu kündigen. Voraussetzung ist, dass der Vermieter auch nach einer angemessenen Frist nicht in der Lage ist, die Wohnung wieder bewohnbar zu machen.
Benachrichtigung des Vermieters
Es ist Ihre Pflicht, den Vermieter unverzüglich über die eingetretenen Hochwasserschäden zu informieren. Eine schnelle Benachrichtigung ist entscheidend, da ein Mitverschulden angenommen werden kann, wenn Sie den Vermieter nicht rechtzeitig informieren. Dies kann Ihre Ansprüche auf Mietminderung oder Schadenersatz beeinflussen.
Beweissicherung
Es ist ratsam, Beweise für die Schäden und die Beeinträchtigungen zu sammeln. Dazu gehören Fotos der Schäden, Tagebuchaufzeichnungen über die Beeinträchtigungen und gegebenenfalls Gutachten. Diese Beweise sind wichtig, falls es zu Meinungsverschiedenheiten mit dem Vermieter über das Ausmaß der Schäden oder die Höhe der Mietminderung kommt.
Schadenersatzansprüche
Schadenersatzansprüche gegen den Vermieter sind nur in Einzelfällen möglich, etwa wenn dem Vermieter ein Verschulden trifft, weil er beispielsweise notwendige Schutzmaßnahmen unterlassen hat. Seltene Naturkatastrophen gelten jedoch als allgemeines Lebensrisiko, für das niemand haftet. Zusammenfassend haben Sie als Mieter bei Hochwasserschäden das Recht auf Mietminderung, unter Umständen das Recht auf fristlose Kündigung und die Pflicht, den Vermieter umgehend zu informieren. Beweise für die Schäden sollten gesichert werden, um Ihre Ansprüche zu untermauern. Schadenersatzansprüche gegen den Vermieter sind nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich.
Wie wird die Höhe einer Mietminderung bei Hochwasserschäden berechnet?
Die Höhe einer Mietminderung bei Hochwasserschäden wird nach dem Grad der Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit der Mietwohnung bemessen. Es gibt keine festen Prozentsätze oder Richtwerte, da jede Situation individuell zu bewerten ist. Die wesentlichen Faktoren, die bei der Berechnung der Minderungshöhe eine Rolle spielen, sind:
- Ausmaß der Gebrauchsbeeinträchtigung: Je stärker die Nutzung der Wohnung durch den Hochwasserschaden eingeschränkt ist, desto höher kann die Mietminderung ausfallen. Vollständige Unbewohnbarkeit kann zu einer 100%igen Mietminderung führen.
- Dauer der Beeinträchtigung: Die Länge des Zeitraums, in dem die Wohnung nicht wie vertraglich vereinbart genutzt werden kann, spielt ebenfalls eine Rolle.
- Betroffene Räume: Welche und wie viele Räume von dem Hochwasserschaden betroffen sind, beeinflusst die Höhe der Mietminderung. Räume, die für die alltägliche Nutzung besonders wichtig sind (z.B. Küche, Bad), haben einen größeren Einfluss auf die Minderungshöhe.
- Vorkehrungen des Vermieters: In Hochwassergebieten muss der Vermieter zumutbare Vorkehrungen zum Schutz der Mietsache treffen. Fehlen solche Maßnahmen, kann dies die Berechtigung zur Mietminderung verstärken.
Es gibt keine pauschalen Quoten für die Mietminderung bei Hochwasserschäden. Stattdessen müssen Mieter und Vermieter (oder gegebenenfalls ein Gericht) den Einzelfall betrachten und auf Basis der konkreten Beeinträchtigungen eine angemessene Minderungsquote festlegen. Gerichtsentscheidungen zu ähnlichen Fällen können als Orientierungshilfe dienen, sind aber immer nur im Kontext des jeweiligen Einzelfalls zu sehen. Mieter sollten den Schaden umgehend dem Vermieter melden und, wenn möglich, Beweise für die Schäden und die Beeinträchtigungen sammeln (z.B. Fotos, Zeugenaussagen).
Dies dient der Dokumentation und kann bei der Durchsetzung der Mietminderung hilfreich sein. Zusammenfassend ist die Höhe der Mietminderung bei Hochwasserschäden individuell zu bestimmen und hängt von der Schwere und Dauer der Beeinträchtigung, den betroffenen Räumen und den getroffenen Schutzvorkehrungen ab.
Was sind meine Pflichten als Mieter, wenn Hochwasserschäden auftreten?
Als Mieter haben Sie bei Hochwasserschäden in Ihrer Wohnung bestimmte Pflichten, die darauf abzielen, weitere Schäden zu vermeiden und den Vermieter über die Situation zu informieren. Hier sind die wichtigsten Schritte, die Sie unternehmen sollten:
- Schadensmeldung an den Vermieter: Sie sind verpflichtet, Ihren Vermieter unverzüglich über die Hochwasserschäden zu informieren. Ein Versäumnis kann zu einem Schadensersatzanspruch des Vermieters führen, falls sich das Ausmaß der Schäden durch das Unterlassen der Anzeige noch erhöht.
- Dokumentation der Schäden: Es ist wichtig, dass Sie Beweise für die Schäden sammeln. Dazu gehören Fotos und Videos der betroffenen Bereiche sowie eine detaillierte Liste der beschädigten Gegenstände.
- Sofortmaßnahmen zur Schadensbegrenzung: Sie sollten, soweit möglich und sicher, Maßnahmen ergreifen, um den Schaden zu begrenzen. Dazu kann das Abschalten der Stromzufuhr gehören, um Kurzschlüsse zu vermeiden, oder das Abschöpfen und Trockenlegen von Wasser, wenn dies gefahrlos möglich ist.
- Kooperation mit dem Vermieter: Es ist ratsam, mit dem Vermieter zusammenzuarbeiten, um die Schadensbeseitigung zu koordinieren. Der Vermieter ist in der Regel für die Instandsetzung der Mieträume verantwortlich.
- Schadensminderungspflicht: Als Mieter sind Sie dazu verpflichtet, alles in Ihrer Macht Stehende zu tun, um den Schaden so gering wie möglich zu halten.
- Mietminderung: Sollte die Wohnung aufgrund der Schäden nicht oder nur eingeschränkt nutzbar sein, haben Sie das Recht, die Miete zu mindern. Die Höhe der Mietminderung hängt vom Grad der Beeinträchtigung ab.
- Fristlose Kündigung: In extremen Fällen, wenn die Wohnung dauerhaft unbewohnbar ist oder eine erhebliche Gesundheitsgefährdung besteht, können Sie das Mietverhältnis fristlos kündigen.
Beachten Sie, dass diese Pflichten unabhängig davon gelten, ob der Vermieter eine Versicherung abgeschlossen hat, die für die Schäden aufkommt. Es ist auch wichtig, dass Sie sich über Ihre Rechte und Pflichten im Klaren sind und gegebenenfalls rechtlichen Rat einholen, um Ihre Interessen zu wahren.
Kann der Vermieter die Miete erhöhen, um Hochwasserschäden zu beheben?
Nach der Behebung von Hochwasserschäden ist der Vermieter unter bestimmten Umständen berechtigt, die Miete anzupassen. Diese Anpassung kann jedoch nicht willkürlich erfolgen, sondern muss sich im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben bewegen. Hier sind die wichtigsten Punkte, die dabei beachtet werden müssen:
Modernisierungsmaßnahmen
Eine Mieterhöhung kann insbesondere dann erfolgen, wenn die Instandsetzungsarbeiten nach einem Hochwasser auch Modernisierungsmaßnahmen umfassen. Modernisierungen sind Maßnahmen, die den Wohnwert der Immobilie nachhaltig erhöhen, die allgemeinen Wohnverhältnisse auf Dauer verbessern oder zu einer nachhaltigen Einsparung von Energie oder Wasser führen. Nach Abschluss solcher Maßnahmen darf der Vermieter die jährliche Miete um bis zu 8 Prozent der für die Wohnung aufgewendeten Modernisierungskosten erhöhen.
Gesetzliche Vorgaben
Die Mieterhöhung muss den gesetzlichen Vorgaben entsprechen. Dazu gehört, dass die erhöhte Miete die ortsübliche Vergleichsmiete nicht übersteigt und die Erhöhung nicht sittenwidrig ist. Zudem muss der Vermieter die Mieterhöhung schriftlich begründen und dabei auf die Modernisierungsmaßnahmen hinweisen.
Ankündigung und Fristen
Der Vermieter muss die Mieterhöhung rechtzeitig ankündigen. Nach dem Eingang der Ankündigung haben die Mieter eine Überlegungsfrist, in der sie der Erhöhung zustimmen oder widersprechen können. Die genauen Fristen und Formvorschriften sind im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt.
Ausnahmen
Es gibt jedoch auch Situationen, in denen eine Mieterhöhung nicht zulässig ist. Wenn die Instandsetzungsarbeiten lediglich dazu dienen, den ursprünglichen Zustand der Wohnung wiederherzustellen, ohne dass eine Modernisierung stattfindet, kann der Vermieter die Miete nicht aufgrund dieser Maßnahmen erhöhen. Ebenso sind Kosten, die durch die Beseitigung von Hochwasserschäden entstehen, grundsätzlich nicht umlagefähig.
Hochwasserschutzmaßnahmen
Investitionen in besseren Hochwasserschutz können unter Umständen zu einer Mieterhöhung führen, wenn diese Maßnahmen den Wohnwert oder den Gebrauchswert der Wohnung nachhaltig erhöhen. In diesem Fall kann der Vermieter die jährliche Miete um einen bestimmten Prozentsatz der aufgewendeten Kosten erhöhen. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Vermieter nach der Behebung von Hochwasserschäden die Miete erhöhen kann, wenn die Maßnahmen über reine Instandsetzungsarbeiten hinausgehen und eine Modernisierung der Wohnung darstellen. Dabei müssen jedoch die gesetzlichen Vorgaben beachtet und die Mieterhöhung ordnungsgemäß angekündigt werden.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- § 536 BGB – Mietmangel und Mietminderung: Dieser Paragraph regelt, dass bei einem Mangel der Mietsache, der ihren Gebrauch erheblich beeinträchtigt, der Mieter berechtigt ist, die Miete zu mindern. Im vorliegenden Fall wurden Mietminderungen wegen verschiedener Mängel wie Wasserschaden, defekter Aufzug und fehlende Warmwasserversorgung vorgenommen.
- § 543 BGB – Außerordentliche fristlose Kündigung: Erlaubt dem Vermieter, das Mietverhältnis ohne Einhaltung einer Frist zu kündigen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, z.B. wenn der Mieter mit der Zahlung der Miete in erheblichem Maße in Verzug ist. Im Urteil wurde geprüft, ob die Voraussetzungen für eine solche Kündigung erfüllt waren.
- § 569 BGB – Außerordentliche fristlose Kündigung für Wohnraum: Spezifiziert Gründe für eine fristlose Kündigung im Wohnraummietrecht, insbesondere bei Zahlungsrückständen. Die Regelung der Schonfristzahlung, die eine fristlose Kündigung unwirksam machen kann, wurde im Kontext der erfolgten Zahlungen diskutiert.
- § 546 BGB – Rückgabe der Mietsache: Bestimmt, dass der Mieter nach Beendigung des Mietverhältnisses die Mietsache zurückzugeben hat. Die Klägerin forderte auf dieser Grundlage die Räumung und Herausgabe der Wohnung.
- § 573 BGB – Ordentliche Kündigung des Vermieters: Erläutert die Bedingungen, unter denen ein Vermieter das Mietverhältnis ordentlich kündigen kann, z.B. bei schuldhaftem Verhalten des Mieters. Die Wirksamkeit einer solchen Kündigung stand zur Debatte, ebenso wie die Relevanz einer Schonfristzahlung in diesem Zusammenhang.
Diese Paragraphen sind zentral für das Verständnis der Rechtslage in Fällen von Mietminderungen, Mängeln der Mietsache und Kündigungen des Mietverhältnisses.
Das vorliegende Urteil
AG Rheinbach – Az.: 3 C 110/21 – Urteil vom 23.08.2023
In dem Rechtsstreit hat das Amtsgericht Rheinbach auf die mündliche Verhandlung vom 07.06.2023 für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, die von ihr innegehaltene Mietwohnung in der der ###, Wohnung Nr. 12, bestehend aus 1 Zimmer, 1 Kochnische, 1 Diele, 1 Bad, 1 Balkon und 1 Kellerraum im geräumten Zustand an die Klägerin herauszugeben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 627,13 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.12.2021 sowie weitere 12,41 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.12.2021 zu zahlen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung hinsichtlich der Räumung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 4.870,80 EUR im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung des Räumungstenors eine Sicherheit in gleicher Höhe im Übrigen in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Klägerin ist als Eigentümerin der Mietwohnung in der ###, Wohnung Nr. 12, gegenüber der Beklagten aufgetreten, die unstreitig Mieterin dieser Wohnung ist. Mietvertraglich geschuldet ist eine derzeitige Bruttomiete von 474,00 EUR und eine Nettomiete von 369,00 EUR. Auf Grund der Hochwasserkatastrophe kam es an dem hier streitgegenständlichen Objekt zu einem erheblichen Wasserschaden, der allerdings lediglich die Keller und die Erdgeschosswohnungen sowie die Aufzugsanlage nachhaltig beeinträchtigte. Die Wohnung der Beklagten im 2. OG war direkt von dieser Überflutung nicht betroffen. Die Klägerin gestattete daraufhin einer weiteren Mieterin in dem Objekt, die im Erdgeschoss wohnt, für einen Zeitraum von drei Monaten eine 100%-ige Mietkürzung. Dies war dem Umstand geschuldet, dass die Erdgeschosswohnung einen erheblichen Wasserschaden aufwies und durch eine Fachfirma zunächst getrocknet, dann gereinigt und anschließend instandgesetzt werden musste. Nach Ablauf der drei Monate zahlte die Mieterin im Erdgeschoss ihre vereinbarte Miete fort. Die Beklagte kürzte ihrerseits die Mieten um 67,6% bis einschließlich Dezember 2021. Auf Grund eines Hochwasserbedingten vorübergehenden Ausfalls der Heizungsanlage gewährte die Klägerin der Beklagten für die Monate Juli und August ohne Anerkennung einer Rechtspflicht eine Mietkürzung von 67,6%. Die Warmwasserversorgung ist seit dem 27.08.2021 wiederhergestellt.
Zum Zeitpunkt der Klageerhebung waren die Kellerräume nach wie vor noch instandgesetzt worden und der Aufzug konnte nicht benutzt werden. Die Aufzugsanlage ist auf Grund des Hochwassers derart beschädigt worden, dass eine Reparatur nicht mehr möglich war. Diesbezüglich wurde ein neuer Aufzug bestellt, der jedoch auf Grund von Lieferengpässen erst im April 2022 geliefert und eingebaut werden konnte.
Für die weitergehenden Verzögerungen, die die Keller- und Aufzugnutzung einschränken, hatte die Klägerin der Beklagten eine weitere Mietkürzung von 15% zugestanden. Zwischen den Parteien gab es zunächst einen Versuch, die Angelegenheit einvernehmlich beizulegen. Die Beklagte beharrte darauf, die Miete um 67,6% kürzen zu dürfen. Mit Schreiben vom 08.11.2021, welches der Beklagten per Gerichtsvollzieher am 16.11.2021 zugestellt wurde, kündigte die Klägerin der Beklagten das Mietverhältnis wegen eines Mietrückstandes mit mehr als einer Monatsmiete in zwei Monaten und mehr als zwei Monatsmieten in drei Monaten fristlos, hilfsweise ordnungsgemäß zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Zugleich wurde die Beklagte aufgefordert, die Mietrückstände, die über eine Mietminderung von 15% hinausgehen, an die Klägerin bis spätestens zum 30.11.2021 auszukehren. Dies war ein geltend gemachter Mietrückstand in Höhe von 672,20 EUR. Für den Monat Dezember wurde ein Betrag von 155,00 EUR angewiesen. Unter dem 06.12.2021 ließ die Beklagte mitteilen, dass sie nunmehr auf eine Mietminderung von 30% bestehe und bot an, im Vergleichswege einen von ihr errechneten Mietrückstand von 707,20 EUR auskehren zu wollen. Mit Schriftsatz vom 10.12.2021 teilte die Klägerin mit, dass eine über 15% hinausgehende Mietkürzung in keinem Fall mehr in Betracht komme, und die Klägerin lediglich bereit sei, auf die fristlose, nicht jedoch auf die ordentliche Kündigung zu verzichten. Mit Schreiben vom 15.12.2021 teilte die Beklagte sodann mit, dass sie einen Betrag von 896,80 EUR nachzahlen werde und vertrat im Übrigen die Auffassung, dass die Kündigung unwirksam sei. Ein Zahlungseingang in Höhe von 896,80 EUR ist erfolgt. Die der Klägerin außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 627,13 EUR entrichtete die Klägerin auf Rechnung vom 01.12.2021 zum 06.12.2021 auf das Geschäftskonto ihres Prozessbevollmächtigten. Darüber hinaus entstanden der Klägerin 14,12 EUR an Gerichtsvollzieherkosten für die Zustellung der Kündigung, welche der Obergerichtsvollzieher R### mit Rechnung vom 24.11.2021 in Rechnung gestellt hat.
Die TÜV-Abnahme des Aufzugs erfolgte am 14.03.2023, wobei der Aufzug zu diesem Zeitpunkt noch nicht gefliest, gleichwohl aber nutzbar war. Der Keller wurde nach Trocknung im September 2021 komplett entkernt. Es wurden Estrich und Wandputz entfernt, ferner alle Metalltrennwände und Türen demontiert sowie die Treppenbeläge im Schadenbereich entfernt. Seit August 2022 ist der gesamte Keller mit neuem Putz und neuem Estrich versehen worden. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 07.06.23 waren die Stahltrennwände eingebracht. Der Keller war grundsätzlich nutzbar. Zwar waren an den Kellerabteilen noch keine Schlösser angebracht worden, dies wurde indes durch die Mieter selbst übernommen. Die Elektrik im Keller funktioniert und der Keller ist beleuchtet. Allerdings ist die Aufputzelektrik nicht fachgerecht montiert.
Für die Monate August 2021 bis Dezember 2021 wurde die Miete seitens der Beklagten um 319,00 EUR gekürzt, für den Zeitraum Januar 2022 bis Oktober 2022 um 94,80 EUR, von November 2022 bis März 2023 um 63,00 EUR, im April 2023 um 39,00 EUR und im Mai 2023 um 15,00 EUR.
Mit Schriftsätzen vom 27.12.2021 (Bl. 2 f. GA), 29.07.2022 (Bl. 142 f. GA), 08.02.2023 (Bl. 192 f. GA), 23.05.2023 (Bl. 263 f. GA) wurde seitens der Klägerin jeweils eine weitere fristlose, hilfsweise fristgemäße Kündigung des streitgegenständlichen Mietverhältnisses ausgesprochen.
Die Klägerin behauptet, sie sei in das Mietverhältnis mit der Beklagten im Rahmen der Sonderrechtsnachfolge eingetreten.
Die Klägerin meint, sie habe einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung.
Die Klägerin behauptete, der Grund dafür, dass zum Zeitpunkt der Klageerhebung die Kellerräume noch nicht instandgesetzt gewesen seien, liege darin, dass zum einen ein Handwerkermangel die Arbeiten verzögere, zum anderen aber auch umfangreiche Trocknungs- und Vorarbeiten im Keller erfolgen müssten, bevor der Keller endgültig fachgerecht saniert werden könne.
Rein vorsorglich kündige sie der Beklagten das Mietverhältnis erneut fristlos, hilfsweise fristgerecht zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Die erneute Kündigung werde damit begründet, dass die Beklagte zwar ihre Mieten für die Monate September bis Dezember 2021 unter einer 15%-igen Kürzung nachentrichtet habe, die Mieten für Juli und August allerdings unrechtmäßig um 67,6% gekürzt habe. Entgegen den Ausführungen der Beklagten in ihrem außergerichtlichen Schriftverkehr vom 15.12.2021 sei das Mietverhältnis auch zerrüttet und das Vertrauensverhältnis zerstört.
Erschwerend komme im Rahmen dieses Mietverhältnisses hinzu, dass die Beklagte, wie die Klägerin behauptet, von der Versicherung eine Entschädigung für den Strom der Trocknungsgeräte erhalten habe, ohne diesen Betrag an die Klägerin weiterzuleiten, obwohl die Beklagte keine Stromkosten gezahlt habe, sondern diese von der Klägerin übernommen worden seien. Die Klägerin behalte sich insoweit eine Klageerweiterung wegen ungerechtfertigter Bereicherung nach Klärung der Gesamtumstände mit der Gebäudeversicherung ausdrücklich vor. Die Klägerin meint, ein Zurückbehaltungsrecht bestehe vorliegend ebenfalls nicht, da nach der Rechtsprechung des BGH (VIII ZR 19/14) ein Zurückbehaltungsrecht nur so lange ausgeübt werden könne, wie es seinen Zweck erfülle, den Vermieter durch den dadurch ausgeübten Druck zur Mangelbeseitigung anzuhalten. Die Klägerin bzw. die von ihr eingesetzte Verwaltung hätten allerdings alles getan, um die Mängel zu beseitigen. Wie bereits ausgeführt, habe der Aufzug allein deshalb nicht in Betrieb genommen werden, weil dieser komplett habe erneuert werden müssen und die Lieferzeiten auf Grund des erhöhten Auftragsvolumens sich derzeit erheblich verzögern würden. Hierauf habe die Klägerin allerdings keinen Einfluss. Entsprechendes gelte für die eingeschränkte Nutzbarkeit des Kellers. Die Hausverwaltung S### habe zunächst unverzüglich die Gebäudeversicherung informiert und diese einen Schadenregulierer zur Begutachtung entsandt. Nach Feststellung der Schäden sei eine unverzügliche Freigabe der Beseitigung seitens der Gebäudeversicherung erteilt worden. Nachdem die Trocknung des Kellers erfolgt sei, hätten alle Metalltrennwände und Türen demontiert werden müssen. Bis auf den Heizraum habe in allen Räumen der Estrich und der Wandputz entfernt und anschließend erneuert werden müssen. Sodann hätten die Böden und Treppenbeläge im Schadenbereich erneuert werden müssen. Auch diese Maßnahmen seien alle schon in Auftrag gegeben worden und die Arbeiten seien längst im Gange. Allerdings habe vor Trocknung des Kellers eine Neuverlegung des Estrichs nicht erfolgen können, da dies keine fachgerechte Arbeit darstelle. Nachdem der Estrich neu verlegt worden sei, habe dieser vier bis sechs Wochen, je nach Witterungsverhältnissen, trocknen müssen, bevor Oberböden aufgebracht werden könne, sodass auch zwischen den einzelnen Arbeiten sich zwar eine vermeintliche Untätigkeit verbreitet habe, diese allerdings dem Umstand einer fachgerechten Verarbeitung und Trocknung der jeweiligen Gewerke geschuldet sei. Die Klägerin habe ihrerseits alles Mögliche getan, um sämtliche Mängel, die durch den Hochwasserschaden an dem Objekt entstanden seien, beseitigen zu lassen. Ein Zurückbehaltungsrecht scheide schon deshalb aus, weil die Klägerin sich zu keinem Zeitpunkt geweigert habe, irgendwelche Maßnahmen zu ergreifen, um die Mängel zu beseitigen, sondern weil die Verzögerungen entweder einer bauseits bedingten Wartezeit geschuldet gewesen seien oder aber dem Umstand, dass es auf Grund des erheblichen Bedarfes an Handwerkern und Material zu Engpässen gekommen sei, die die Klägerin nicht habe beeinflussen können. Vor diesem Hintergrund erachte die Klägerin nach wie vor die von ihr angebotene Mietkürzung in Höhe von 15% als ausreichend und angemessen. Immerhin seien lediglich der nicht funktionstaugliche Aufzug und die Nebenräume im Keller die einzigen Nutzungseinschränkungen. Die Beklagte wohne im 2. OG, sodass auch hier eine unzumutbare Belastung der Treppennutzung nicht gegeben sei, sondern eher noch eine gesundheitsfördernde sportliche Aktivität, was somit einen Mehrwert für die Beklagte darstelle.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, die von ihr innegehaltene Mietwohnung in der der ###, Wohnung Nr. 12, bestehend aus 1 Zimmer, 1 Kochnische, 1 Diele, 1 Bad, 1 Balkon und 1 Kellerraum im geräumten Zustand an die Klägerin zum 01. 09.2022 herauszugeben;
2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 627,13 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.12.2021 zuzahlen;
3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 12,41 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.12.2021 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte meint, die Klage sei unbegründet.
Sie bestreitet mit Nichtwissen, dass die Klägerin im Rahmen der Sonderrechtsnachfolge in das Mietverhältnis rechtswirksam eingetreten und auch als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen ist.
Von der Klägerin zugestanden seien die von der Beklagten vorgenommenen Mietminderungen für die Monate Juli und August. Von der Klägerin in der Klageschrift zugestanden seien des Weiteren die, wie die Beklagte behauptet, zum Zeitpunkt der Klageerwiderung vom 07.03.2022 nach wie vor laufenden Trocknungsmaßnahmen an und in dem Mietshaus. So sei die Wohnung im Erdgeschoss mit lautstarken Lüftern getrocknet worden, was eine erhebliche Geräuschemission in die Wohnung der Beklagten verursacht habe. Des Weiteren sei von der Klägerin zugestanden, dass weder die Aufzugsanlage funktioniere, noch dass die Kellerräume zur Nutzung zur Verfügung stehen und „nach wie vor“ instandgesetzt würden. Instandsetzungsarbeiten zu Gunsten der Beklagten fänden jedoch weiterhin nicht statt.
Gemäß dem Mietvertrag sei ein Kellerraum mitvermietet, der aufgrund der weiterhin vorhandenen Schäden nicht nutzbar sei. Ebenso sei auch die zur gemeinsamen Nutzung mit anderen Mietern zur Verfügung stehende Waschküche weiterhin nicht nutzbar. In den gesamten Kellerräumen sei der Zustand nicht verbessert oder eine Nutzungsfähigkeit hergestellt worden. Lediglich erheblich brummende Trocknungsgeräte würden weiterhin daran arbeiten, die Feuchtigkeit aus den Mauern zu bringen. Die Trocknungsgeräte würden die gesamte Zeit laufen und auch noch in der Wohnung der Beklagten zu einem erheblichen Brummen führen, was zu schlaflosen Nächten mit entsprechenden Folgen für Wohl und Gesundheit führe. Die Beklagte meint, sie besitze aufgrund dieser Umstände sowohl einen Mietminderungsanspruch als auch ein Zurückbehaltungsrecht. Dass eine Mängelbeseitigung von der Klägerin mit dem notwendigen Willen vorangetrieben werde, sei für die Beklagte nicht erkennbar und werde bestritten.
Die Kündigung zu akzeptieren sei für die Beklagte keine Option gewesen, insbesondere, da das Mietvertragsverhältnis, wie sie behauptet, ohne jegliche negative Beeinträchtigung bereits 15 Jahre bestanden habe. Auch stehe das Mietobjekt nicht vertragsgemäß zur Nutzung zur Verfügung. Die Klägerin wolle die Umstände offensichtlich dazu nutzen, sich hinsichtlich der Vermietung zu optimieren.
So sollten wohl die Umstände offensichtlich dazu genutzt werden, die Wohnung zu entmieten um danach zahlungswilligere Mieter für einen besseren Mietzins zu erlangen. Jedenfalls habe die Klägerin in dem Schreiben vom 08.11.2021 einen Mietrückstand von 672,60 EUR berechnet. Die Beklagte habe daraufhin unter Berücksichtigung der ebenso noch geringeren Mietzinszahlung für Dezember mit Zahlungsausgang auf dem Konto der Beklagten einen Betrag von 896,80 EUR nachgezahlt. Dieser Betrag setze sich zusammen aus 672,60 EUR von der Klägerin behauptete offene Forderungen bis November 2021 gemäß dem Schreiben der Klägerin vom 08.11.2021 Seite 2) zuzüglich 224,20 EUR Nachzahlung für den Monat Dezember 2021. Diese 224,20 EUR entsprächen der eigenen Berechnung der Klägerin hinsichtlich des behaupteten monatlichen Zahlungsverzuges aus deren Schreiben vom 08.11.2021, Seite 2) Mitte. Die Beklagte habe demzufolge die von der Klägerin dargelegten Mietschulden bis einschließlich Dezember 2021 vollumfänglich beglichen. Damit sei, so meint die Beklagte, die außerordentliche fristlose Kündigung der Klägerin vom 08.11.2021 gemäß § 569 Abs. 3 BGB unwirksam geworden. Diese fristlose Beendigung sei aber auch nicht Gegenstand der Räumungsklage, der gerichtliche Hinweis gemäß Ziffer 2) der prozessleitenden Verfügung sei schon vorab erfüllt worden. Die Beklagte habe zum Zeitpunkt der Anhängigkeit der Klage keine Mietschulden und auch keine wirksame fristlose Kündigung entgegenstehen gehabt. Die fristlose Kündigung sei damit aufgrund § 569 Abs. 3 BGB vom Tisch. Die ordentliche Kündigung der Klägerin sei unwirksam. Es bestehe keinerlei Veranlassung oder Begründung zu der Behauptung der Klägerin, dass das Mietverhältnis unheilbar zerrüttet wäre. Die Parteien seien sich uneinig gewesen hinsichtlich einer erheblichen Mietbeeinträchtigung.
Die Klägerin habe im Nachgang zur Mietminderung/Zurückbehaltung durch die Beklagte Forderungen gestellt, welchen die Beklagte vollumfänglich nachgekommen sei. Dass die Klägerin unter diesen Umständen an der ordentlichen Kündigung festhalten wolle, sei unredlich und nicht mit dem Schutzgedanken des Mietrechts vereinbar. Für eine ordentliche Beendigung eines Mietverhältnisses gebe es hohe Anforderungen an die Kündigung, welche nicht eingehalten seien. Durch die Zahlung von 896,60 EUR sei die wirksame fristlose Kündigung dann nachträglich unwirksam gemacht und deren Rechtsfolge zerstört worden. Eine Aktivierung der Hilfserklärung der ordentlichen Kündigung sei damit aber nicht verbunden. Die ordentliche Kündigung sei somit nicht rechtwirksam erklärt worden.
Ungeachtet dessen habe es auch an weiteren Wirksamkeitsvoraussetzungen gefehlt, nämlich einem Grund zur ordentlichen Kündigung. Die Beklagte habe sich nicht in erheblichem Zahlungsverzug befunden. Die Zahlung habe nicht der Anerkennung einer Gegenforderung oder einer Schuldenbegleichung gedient, sondern sei, wie im Schreiben vom 06.12.2021 dargestellt, rein aus taktischen Gründen und ohne Aufgabe der Mietminderungsansprüche/Zurückbehaltungsrechte erfolgt.
Die Beklagte habe zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung auch nach Vortrag der Klägerin unstreitig einen Mietminderungsanspruch und Zurückbehaltungsrechte besessen. Der Schadenseintritt sei Mitte Juli 2021 erfolgt, noch immer sei der mietvertraglich vereinbarte Zustand nicht wiederhergestellt. Die Beklagte sei daher berechtigt, nur einen Teil des vereinbarten Mietzinses zu zahlen und den Rest als Mietminderung einzubehalten, § 536 BGB und einen weiteren Teil zurück zu behalten, § 320 BGB. Dass die Klägerin hier mit Nachdruck einer Mangelbeseitigung nachkomme, sei nicht erkennbar. Der bestehende Zustand und die Dauer seit dem Schadensereignis würden dagegensprechen. Die Klägerin könne die Schadensbeseitigung auch nicht von der Freigabe der Gebäudeversicherung abhängig machen. Allein dieser Vortrag der Klägerin zeige schon eine Verzögerung. Die Beklagte behauptet, die Mietmängel hätten zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung bestanden und bestünden auch weiterhin.
Dass die Klägerin eine Entschädigung einer Versicherung für den Strom der Trocknungsgeräte erhalten habe, stimme nicht. Insoweit sei der Vortrag auch nicht nachvollziehbar, als die Wohnung der Beklagten doch überhaupt nicht von der Feuchtigkeit betroffen gewesen wäre. Der Vortrag sei zu unsubstantiiert, um qualifiziert entgegen zu treten. Auch seien die Zustellungskosten durch den Gerichtsvollzieher als auch die außergerichtlichen Anwaltskosten weder erforderlich noch zu erstatten. Ein Anspruch bestünde nur, sofern ein relevanter Zahlungsverzug vorgelegen hätte. Wie die Klägerin auf den Streitwert der Rechnung vom 01.12.2021 in Höhe von 5.100,20 EUR komme, erschließe sich nicht und sei falsch berechnet.
Die Klägerin behauptet, falsch sei der Sachvortrag, dass ein über 15 Jahre hinweg problemloses Mietverhältnis bestanden habe. Anlässlich des Grundstückserwerbs habe die Klägerin bei Durchsicht der Unterlagen festgestellt, dass der Strom in der Wohnung der Beklagten von dem Voreigentümer S### über Jahre hinweg bezahlt worden sei. Dies habe nicht nur die laufenden Kosten betroffen, sondern die Beklagte habe sogar Gutschriften, welche sie von der Hausverwaltung erhalten habe, für sich vereinnahmt, obwohl die Beklagte niemals Strom bezahlt habe. So habe die Beklagte im März 2016 einen Scheck über 232,00 EUR an Gutschriften erhalten. Zu dem Zeitpunkt sei die Klägerin bereits Eigentümerin gewesen. Die Klägerin habe diese Unaufrichtigkeit der Beklagten als einmaligen Verstoß hingenommen und die Angelegenheit auf sich beruhen lassen, obwohl rechtlich gesehen dies sogar einen Straftatbestand darstelle, wissentlich Gutschriften für nicht gezahlte Vorauszahlungen von Stromlieferungen entgegen zu nehmen und dieses Geld dem eigenen Vermögen zuzuführen. Die Klägerin habe auch keine Mietkürzungen zugestanden, sondern lediglich erklärt, dass sie einzig und allein zur einvernehmlichen Beilegung des Rechtsstreites bereit wäre, auf einen Teil der nicht gezählten Mieten zu verzichten, wenn die Beklagte ihrerseits das Objekt im Rahmen der gesetzlichen Kündigungsfrist an die Klägerin herausgibt.
Falsch sei der Vortrag, dass durch Lüften erhebliche Geräusche in der Wohnung der Beklagten wahrgenommen worden seien. Die Hausverwaltung habe ständigen Kontakt zu den Mietern und Wohnungseigentümern. Irgendwelche Beschwerden habe es von keiner Seite gegeben. insbesondere die Erdgeschosswohnungen, die von der Überschwemmung unmittelbar betroffen gewesen seien, als diese zum Teil mit Hochwasser vollgelaufen seien, hätten keinerlei Beanstandungen bezüglich der Instandsetzungsmaßnahmen getätigt. Die Trocknungsgeräte seien am 09.08.2021 aufgestellt und am 27.08.2021 wieder abgebaut worden.
Während alle Mieter im Erdgeschoss ab September 2021 wieder die vollen Mieten gezahlt hätten, obwohl deren Wohnungen besonders schwer von dem Hochwasser betroffen gewesen seien, habe sich die Beklagte weiterhin geweigert, in ihrer nicht unmittelbar vom Hochwasser betroffenen Wohnung mit zum Teil aberwitzigen Vorträgen und Minderungsvorstellungen, die Mieten zu zahlen. Die Hausverwaltung sei auch in ständigem Kontakt sowohl zu den Wohnungseigentümern als auch zu den Bewohnern des Objektes gewesen. Diese seien ständig auf den aktuellen Stand der Maßnahmen gebracht worden. Die auswärtigen Eigentümer seien von der Hausverwaltung direkt angeschrieben worden, die im Haus wohnenden Eigentümer und Mieter seien durch entsprechende Aushänge im Hausflur informiert worden.
Im Oktober 2021 habe die Beklagte eine angeblich feuchte Wand in ihrer Wohnung beanstandet. Auch desbezüglich sei unverzüglich eine Begutachtung durch die Hausverwaltung veranlasst worden.
Selbstverständlich habe die Begutachtung der Wohnung der Beklagten die behaupteten Feuchtigkeitsschäden nicht bestätigen können. Insoweit sei der bewusst wahrheitswidrige Sachvortrag der Beklagten, die Trocknungsgeräte würden nach wie vor noch in Betrieb sein, eine Verletzung der prozessualen Wahrheitspflicht darstellen. Was auch immer die Beklagte an Brummen vernommen haben wolle, es könne spätestens seit dem 27.08.2021 nicht von den Trocknungsgeräten herrühren. Richtigzustellen sei, dass die Beklagte keine Entschädigung für den Strom der Trocknungsgeräte aus dem hier streitgegenständlichen Wasserschaden erhalten habe, sondern dass sich dieser Sachverhalt auf die eingangs der Replik dargelegten Umstände begrenze.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen M### und B### sowie des Herrn A###. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll der mündlichen Verhandlung vom 07.06.2023 (Bl. 273 f. GA).
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle der mündlichen Verhandlung vom 03.08.2022 (Bl. 145 f. GA) und 07.06.2023 (Bl. 273 f. GA).
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der im Tenor bezeichneten Mietsache gemäß § 546 BGB, aufgrund der jedenfalls wirksam ausgesprochenen Kündigung vom 08.11.2021.
Zwischen den Parteien bestand ein wirksames Mietverhältnis über die streitgegenständliche Mietsache.
Das Gericht ist insoweit auf Grundlage der vorgelegten Eintragungsbekanntmachung (Bl. 95 f. GA) davon überzeugt, dass die Klägerin am 30.11.2015 aufgrund Auflassung vom 27.02.2015 als Eigentümerin der streitgegenständlichen Mietwohnung im Grundbuch eingetragen worden und damit in das bestehende Mietverhältnis mit der Beklagten eingetreten ist. Die Echtheit der vorgelegten Unterlagen ist beklagtenseits nicht bestritten worden. Zudem hat sie außergerichtlich stets ohne Beanstandung der Eigentümerstellung der Klägerin mit dieser kommuniziert.
Die Klägerin hat dieses Mietverhältnis jedenfalls wirksam durch die hilfsweise ordentlich erklärte Kündigung vom 08.11.2021 beendet.
Der Klägerin stand insoweit ursprünglich ein außerordentliches fristloses Kündigungsrecht gegenüber der Beklagten gem. § 543 Abs. 2 Nr. 3 a) BGB zu. § 543 Abs. 2 Nr. 3 a) BGB normiert, dass ein wichtiger Grund zur Kündigung vorliegt, wenn der Mieter für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist. Der Rückstand muss aus zwei aufeinander folgenden Verzugsterminen stammen. Das Erheblichkeitskriterium bezieht sich auf den Gesamtrückstand. Es ist nicht erforderlich, dass der Rückstand bezogen auf jeden einzelnen Zahlungstermin erheblich ist. Ein sehr geringer Rückstand zu dem einen Zahlungstermin (Extremfall: 1 Cent) kann sich also mit einem hohen Rückstand in dem weiteren Zahlungstermin (Extremfall: eine volle Miete) zu einem nicht unerheblichen Rückstand addieren (Schmidt-Futterer/Streyl, 15. Aufl. 2021, BGB § 543 Rn. 171). Die Erheblichkeitsschwelle ist für die Wohnraummiete In § 569 Abs. 3 Nr. 1 BGB dahingehend definiert, dass der rückständige Teil der Miete nur dann als nicht unerheblich anzusehen ist, wenn er die Miete für einen Monat übersteigt. Das bedeutet, dass der Gesamtrückstand den Betrag von einer Monatsmiete plus 1 Cent innerhalb von zwei Terminen erreichen muss (Schmidt-Futterer/Streyl, 15. Aufl. 2021, BGB § 543 Rn. 171).
Die Miethöhe ist ein Einsatzfaktor (Betragsfaktor) zur Bestimmung des kündigungsrelevanten Rückstands, weil dieser sich nach einem Multiplikationsfaktor der Miethöhe richtet. Im Ansatz ist die vereinbarte Miete maßgeblich. Problematisch sind die Fälle, in denen die tatsächlich geschuldete Miete von der vereinbarten Miete abweicht oder in denen sie sich während des Rückstandszeitraums verändert. Veränderungen der Miete nach oben wirken sich kündigungsfeindlich, Veränderungen nach unten kündigungsfreundlich aus. Es gelten folgende Grundsätze: (1) Beruht die Abweichung des tatsächlich Geschuldeten vom vertraglich Vereinbarten nicht auf einem rechtmäßigen Handeln des Vermieters, ist die vertraglich vereinbarte Miete Maßstab für die Miethöhe. (2) Gibt es während des Rückstandszeitraums rechtmäßige Änderungen der Miethöhe, so ist die höchste währenddessen geschuldete Miete maßgeblich. Hauptanwendungsfall von Grundsatz (1) ist die Minderung: Hier ist die vertraglich vereinbarte Miete maßgeblich, gleichgültig, ob es sich um einen vorübergehenden oder einen dauerhaften Mangel handelt. Wäre es anders, käme es also auf die geminderte Miete an, könnte der Vermieter bei einem geringeren Rückstand als bei mangelfreiem Mietobjekt kündigen; er darf aber aus seiner Schlechtleistung keinen Vorteil ziehen (Schmidt-Futterer/Streyl, 15. Aufl. 2021, BGB § 543 Rn. 173, 174).
Insoweit ist vorliegend zu berücksichtigen, dass die seitens der Beklagten geschuldete Miete aufgrund von Mängeln der Mietsache teilweise berechtigt einbehalten worden ist.
Ein Mangel im Sinne des § 536 BGB liegt vor, wenn der nach dem Vertrag vorausgesetzte Gebrauch beeinträchtigt ist (Schmidt-Futterer/Eisenschmid, 15. Aufl. 2021, BGB § 536 Rn. 19).
Unstreitig waren im Zeitraum August 2021 bis jedenfalls April 2022 weder der Fahrstuhl des streitgegenständlichen Mietobjekts noch der Keller, sowohl in Gestalt des Wäschekellers/Gemeinschaftskellers als auch in Gestalt des der Beklagten mietvertraglich zugewiesenen Kellerraums, nutzbar.
Zudem war die Warmwasserversorgung des Objekts unstreitig im Zeitraum 14./15.07.2021 bis zum 27.08.2021 nicht gegeben.
Ferner steht jedenfalls fest, dass im Zeitraum 09.08.2021 bis zum 27.08.2021 im Keller Trocknungsgeräte aufgestellt waren. Zudem ist das Gericht insoweit auf Grundlage der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass es hierdurch zu Lärmbelästigungen in der Wohnung der Beklagten gekommen ist. Dies wurde jedenfalls durch den Zeugen C### nachvollziehbar und insoweit glaubhaft bestätigt. Dieser sagte insoweit aus, dass Trocknungsgeräte Tag und Nacht gelaufen seien, was so störend gewesen sei, dass man oben nicht habe schlafen können. Tag und Nacht sei ein Summen vorhanden gewesen, ein Dauerton.
Durch diese Umstände wurde der nach dem Vertrag vorausgesetzte Gebrauch der Mietsache beeinträchtigt.
Für den Monat August 2021 hält das Gericht aufgrund der fehlenden Warmwasserversorgung bis zum 27.08.2021 (20%), dem Lärm durch die aufgestellten Trocknungsgeräte (10%), der fehlenden Nutzbarkeit des Fahrstuhls des streitgegenständlichen Mietobjekts (3%), des Kellers, sowohl in Gestalt des Wäschekellers/Gemeinschaftskellers (10%) als auch in Gestalt der der Beklagten mietvertraglich zugewiesenen Kellerraums (10%), eine Minderung von 53 % der Bruttomiete für angemessen, was einen Betrag in Höhe von 251,22 EUR ausmacht. Für die Monate September 2021 bis jedenfalls April 2021 hält das Gericht aufgrund der fehlenden Nutzbarkeit des Fahrstuhls des streitgegenständlichen Mietobjekts (3%), des Kellers, sowohl in Gestalt des Wäschekellers/Gemeinschaftskellers (10%) als auch in Gestalt der der Beklagten mietvertraglich zugewiesenen Kellerraums (10%), eine Minderung von 23 % der Bruttomiete für angemessen, was einen Betrag in Höhe von 109,02 EUR monatlich ausmacht.
Im Übrigen besteht nach Ansicht des erkennenden Gerichts keine Minderungsberechtigung. So ist das Gericht auf Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme gerade nicht davon überzeugt, dass es auch über den 27.08.2021 zu Lärmbelästigungen durch Trocknungsgeräte gekommen ist. Die Angaben des Zeugen C### hierzu waren derart unkonkret, dass unklar ist wann und wie lange weitere Trocknungsgeräte aufgestellt gewesen sein sollen. Die Beweisaufnahme war insoweit unergiebig.
Berücksichtigt man die vorstehenden Ausführungen war die Beklagte berechtigt die Miete für August um 53 % zu mindern. Für die Monate September bis Dezember bestand jedenfalls ein Minderungsrecht in Höhe von 23 %. Das heißt für August 2021 schuldete die Beklagte einen Mietzins in Höhe von 222,78 EUR.
Gezahlt hat sie 155,00 EUR. Für die Monate September bis Dezember 2021 schuldete die Beklagte jedenfalls monatlich einen Betrag in Höhe von 364,98 EUR. Gezahlt hat sie jeweils 155,00 EUR. Zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung vom 08.11.2021 befand sich die Beklagte daher mit einem Betrag in Höhe von 697,72 EUR im Verzug, also einem Betrag der eine Monatsmiete um 223,72 EUR überschreitet. Der Verzug mit mehr als einer Monatsmiete dauerte auch mehr als einen Monat an, denn im Oktober 2021 belief sich der Rückstand unter Berücksichtigung der vorstehenden Zahlen auf jedenfalls 487,74 EUR. Der Betrag von einer Monatsmiete war um 13,74 EUR überschritten.
Der Beklagten stand auch entgegen ihrer Auffassung kein Zurückbehaltungsrecht zu. Nach der Rechtsprechung des BGH (VIII ZR 19/14) kann ein Zurückbehaltungsrecht nur so lange ausgeübt werden kann, wie es seinen Zweck erfüllt, den Vermieter durch den dadurch ausgeübten Druck zur Mangelbeseitigung anzuhalten. Ein Zurückbehaltungsrecht kann daher nur dann ausgeübt werden, wenn der Vermieter sich pflichtwidrig weigert, seiner Verpflichtung zur Instandsetzung des Mietobjektes nachzukommen, nicht aber dann, wenn er alle Anstrengungen unternimmt, um die Schäden unverzüglich zu beseitigen, dies allerdings zu Verzögerungen auf Grund eines Handwerker- und Materialmangels sowie auf baubedingte Trocknungszeiten zurückzuführen ist. Insoweit ergibt sich aus dem Sachvortrag der Klägerin in Verbindung mit den glaubhaften Angaben der Zeugen S###, dass die Klägerin bzw. die von ihr eingesetzte Verwaltung alles Mögliche getan hat, um die bestehenden Mängel zeitnah zu beseitigen.
Die fristlose Kündigung vom 08.11.2021 ist durch die Zahlung in Höhe von 896,80 EUR vom 15.12.2021 nicht unwirksam geworden. Zum Zeitpunkt der Zahlung am 15.12.2021 belief sich der Rückstand der Beklagten, auch unter Berücksichtigung einer weiteren Zahlung in Höhe von 155,00 EUR für den Monat Dezember 2021 auf 907,70 EUR. Durch die Zahlung in Höhe von 896,80 EUR ist daher nicht der gesamte, zu diesem Zeitpunkt bestehende, Rückstand getilgt worden. Es verblieb eine Differenz in Höhe von 10,90 EUR. Allerdings war dies auch nicht der entscheidende Zeitpunkt. Gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB wird die Kündigung unwirksam, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete und der fälligen Entschädigung nach § 546a Abs. 1 befriedigt wird. Die Klage ist der Beklagten unter dem 15.01.2022 zugestellt worden.
Ein vollständiger Ausgleich aller Rückstände hätte daher bis zum 15.03.2022 erfolgen müssen. Die Beklagte hat in den Monaten Januar 2022 bis März 2022 jeweils 94,80 EUR einbehalten, was 20 % der geschuldeten Miete entspricht. Im Zeitraum Januar bis März 2022 hat sie daher insgesamt 1.137,60 EUR gezahlt. Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen hat sie einen Betrag in Höhe von 1.094,94 EUR geschuldet. Addiert man den Betrag in Höhe von 1.099,94 EUR mit den bis zum 15.12.2021 geschuldeten Beträgen ergibt sich ein insgesamt geschuldeter Betrag in Höhe von 2.002,64 EUR. Insgesamt gezahlt waren zu diesem Zeitpunkt 2.034,40 EUR, so dass keine Rückstände mehr bestanden.
Die Kündigung vom 08.11.2021 ist aber jedenfalls als ordentliche Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB begründet.
Liegt ein verschuldeter Zahlungsrückstand i.S.v. § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB vor, so kann der Vermieter wahlweise nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB oder nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB kündigen. Ebenso kann der Vermieter eine fristlose Kündigung mit einer hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung verbinden. Beide Kündigungen bestehen dann nebeneinander. Das gilt auch, wenn die ordentliche Kündigung „hilfsweise“ erklärt wird. Ein Vermieter, der eine fristlose Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses wegen Zahlungsverzugs gem. § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB hilfsweise oder vorsorglich mit einer ordentlichen Kündigung gem. § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB verknüpft, bringt bei der gebotenen Auslegung seiner Erklärungen zum Ausdruck, dass die ordentliche Kündigung in allen Fällen Wirkung entfalten soll, in denen die zunächst angestrebte sofortige Beendigung des Mietverhältnisses fehlgeschlagen ist. Eine ordentliche Kündigung gem. § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist auch wegen geringerer Rückstände als sie für eine außerordentliche fristlose Kündigung gem. § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB erforderlich sind zulässig. Es genügt ein Rückstand von mehr als einer Monatsmiete und eine Verzugsdauer von mindestens einem Monat (Schmidt-Futterer/Blank/Börstinghaus, 15. Aufl. 2021, BGB § 573 Rn. 28, 29). Der Rückstand ist dann erheblich, wenn der Zahlungsverzug der Höhe nach einer Monatsmiete erreicht und die Forderung länger als einen Monat fällig ist (SchmidtFutterer/Blank/Börstinghaus, 15. Aufl. 2021, BGB § 573 Rn. 32). Dies ist vorliegend der Fall. Wie bereits ausgeführt bestand im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung vom 08.11.2021 jedenfalls ein Rückstand in Höhe von 697,72 EUR und damit mehr als einer Monatsmiete. Die Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB setzt nach dem Wortlaut der Vorschrift zwingend ein Verschulden des Mieters am Zahlungsrückstand voraus. Deshalb besteht das Kündigungsrecht nicht, wenn die Zahlung infolge eines Umstands unterbleibt, den der Mieter nicht zu vertreten hat. Hierzu zählen Zahlungsverzögerungen aufgrund unverschuldeter wirtschaftlicher Schwierigkeiten. Das Verschulden wird gem. § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet; deshalb muss der Mieter darlegen und beweisen, dass ihn an der Zahlungsunfähigkeit kein Verschulden trifft (Schmidt-Futterer/Blank/Börstinghaus, 15. Aufl. 2021, BGB § 573 Rn. 36). Die Beklagte hat die Miete bewusst eingehalten und den aufgelaufenen Rückstand damit zu vertreten. Sie hat auch nichts zu ihrer Entlastung dargelegt. Die ordentliche Kündigung vom 08.11.2021 ist auch nicht durch die Schonfristzahlung unwirksam geworden. Die ordentliche Kündigung gem. § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB wird durch eine Schonfristzahlung oder Abgabe einer Verpflichtungserklärung gem. § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB nicht unwirksam. Die Vorschrift ist nur auf die außerordentliche fristlose Kündigung gem. § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB anwendbar. Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Norm. Auch eine analoge Anwendung scheidet aus, da es an einer planwidrigen Lücke fehlt. Der Gesetzgeber hat in Kenntnis der maßgeblichen Rechtsentscheide die Vorschrift und ihre Vorgängervorschrift mehrfach novelliert und ihren Anwendungsbereich dabei nicht verändert. Ohne Gesetzesänderung ist eine Anwendung der Schonfristregelungen weiterhin ausgeschlossen. Aber auch nach der Rechtsprechung des BGH kann in Ausnahmefällen die nachträgliche Zahlung der Rückstände zu Gunsten des Mieters im Rahmen der Verschuldensabwägung berücksichtigt werden kann, weil sie „ein etwaiges Fehlverhalten in einem milderen Licht erscheinen lässt“. Offengelassen hat der Senat, ob dies bereits im Rahmen der Wirksamkeit der Kündigung oder im Rahmen von § 242 BGB zu prüfen ist, weil sich die Berufung auf eine wirksam ausgesprochene Kündigung aufgrund nachträglich eingetretener Umstände im Einzelfall als rechtsmissbräuchlich darstellen kann (Schmidt-Futterer/Blank/Börstinghaus, 15. Aufl. 2021, BGB § 573 Rn. 37 f.). Dies kann vorliegend dahingestellt bleiben, da die nachträglich erfolgte Zahlung vorliegend das Fehlverhalten der Beklagten gerade nicht in einem milderen Licht erscheinen lässt. Das maßgebliche Kriterium ist dabei vor allem, ob der Rückstand „binnen kurzer Zeit“ ausgeglichen wurde. Die starre Frist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB gilt hier nicht. Maßstab kann hier nur die Erheblichkeit gem. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB sein. Umso schneller der Ausgleich erfolgt umso unerheblicher ist die Pflichtwidrigkeit. Eine Zahlung erst nach Zustellung der Räumungsklage ist sicher zu spät. Zu berücksichtigen ist dabei auch das vorherige Zahlungsverhalten, also ob die Miete bisher pünktlich und vollständig gezahlt wurde und ob es in der Vergangenheit bereits ein solches Verhalten gegeben hat und ob nur ein geringes Verschulden am Zahlungsrückstand vorlag (Schmidt-Futterer/Blank/Börstinghaus, 15. Aufl. 2021, BGB § 573 Rn. 37 f.). Der vollständige Ausgleich des bestehenden Rückstands erfolgte er mit der Zahlung der Miete im Januar 2022 und damit fast 2 Monate nach Ausspruch der Kündigung vom 08.11.2021, so dass man an dieser Stelle nicht von einem Ausgleich binnen kürzester Zeit sprechen kann.
Mithin war die unter dem 08.11.2021 ausgesprochene Kündigung zumindest als ordentliche Kündigung wirksam. Das Mietverhältnis ist damit jedenfalls zum Ablauf des 31.12.2022 wirksam beendet worden, so dass die Beklagte die Herausgabe der streitgegenständlichen Mietsache nach § 546 Abs. 1 BGB schuldet.
Die mit Schriftsätzen vom 27.12.2021 (Bl. 2 f. GA), 29.07.2022 (Bl. 142 f. GA), 08.02.2023 (Bl. 192 f. GA), 23.05.2023 (Bl. 263 f. GA) seitens der Klägerin ausgesprochen Kündigung sind allesamt formunwirksam und damit unbeachtlich. Die Schriftsätze enthalten zwar eine entweder eingescannte oder digital aufgebrachte Unterschrift, wurden allerdings nicht qualifiziert signiert. Das Gebot der Schriftform (§ 568 Abs. 1 BGB) ist gewahrt, wenn dem Kündigungsadressaten – also dem Mieter – oder seinem Prozessbevollmächtigten eine vom Prozessbevollmächtigten des Vermieters selbst beglaubigte Abschrift des Schriftsatzes, der die Kündigung enthält, zugeht. Eine Unterschrift des Bevollmächtigten unter der Zweitausfertigung des Schriftsatzes ist neben oder statt der Unterschrift unter dem Beglaubigungsvermerk dann nicht erforderlich (OLG Hamm, Rechtsentscheid vom 23.11.1981 -4 REMiet 8/81, NJW 1982, 452).
Zwar kann eine Kündigung in der elektronischen Form des § 126a BGB erfolgen, allerdings muss dann, wenn die Schriftform durch die elektronische Form ersetzt werden soll, der Aussteller der Erklärung dieser seinen Namen hinzufügen und das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen. Darüber hinaus ist notwendig, dass das signierte elektronische Dokument mit der Signatur in den Empfangsbereich des Adressaten gelangt. Dies folgt aus den in § 130 Abs. 1 S. 1 BGB verankerten allgemeinen Grundsätzen zum Wirksamwerden von Willenserklärungen durch Zugang. Soll eine formbedürftige Willenserklärung durch Zugang wirksam werde, so muss sie dem Adressaten in der entsprechenden Form tatsächlich zugehen. Es ist allgemein anerkannt, dass bei einseitigen empfangsbedürftigen Willenserklärungen – wie einer Kündigung – die Schriftform des § 126 Abs. 1 BGB nur dann eingehalten ist, wenn die den Anforderungen dieser Formvorschrift entsprechende Erklärung im Original dem Adressaten tatsächlich zugeht. Der Zugang einer Kopie reicht auch dann nicht aus, wenn eine der Formvorschrift entsprechende Erklärung tatsächlich existiert. Keine anderen Grundsätze gelten für die Einhaltung der elektronischen Form nach § 126a Abs. 1 BGB, da diese eine gesetzlich vorgeschriebene schriftliche Form lediglich ersetzt, mithin an deren Stelle tritt, ohne die im Übrigen anwendbaren Grundsätze zu berühren, welche für schriftliche Erklärungen gelten. Substituiert wird bei einer elektronischen Erklärung lediglich die sonst erforderliche eigenhändige Namensunterschrift bzw. das notariell beglaubigte Handzeichen, weil diese mangels gegenständlicher Verkörperung einer elektronischen Erklärung faktisch nicht damit unterzeichnet werden können. Dementsprechend ist es zur Wahrung der elektronischen Form erforderlich, dass die mit gültiger Signatur versehene elektronische Erklärung mit dieser Signatur an den Adressaten abgesandt wird und diesem zugeht (AG Hamburg, Urteil vom 25. Februar 2022 – 48 C 304/21).
Notwendig sind dann eine Signaturkarte sowie ein qualifiziertes Zertifikat eines Dienstanbieters und schließlich die Nutzung einer sicheren Signaturerstellungseinheit. Diesen Anforderungen genügt das besondere elektronische Anwaltspostfach beA – nicht.
Eine Räumungsfrist nach § 721 Abs. 1 Satz 1 ZPO war der Beklagten nicht einzuräumen, da ein schutzwürdiges Interesse auf Seiten der Beklagten bereits nicht dargelegt wurde. Ein solches ist auch nicht ersichtlich.
Die Klägerin hat ferner gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Erstattung von außergerichtlich angefallenen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 627,13 EUR gemäß §§ 280, 286 BGB.
Da die Kündigung vom 08,11.2021 seitens der Klägerin zu Recht und wirksam ausgesprochen worden ist und sich die Beklagte zu diesem Zeitpunkt im Verzug befand und Veranlassung zum Ausspruch der Kündigung gegeben hat, kann die Klägerin die hierfür außergerichtlich angefallenen Rechtsanwaltsgebühren ersetzt verlangen. Der Gegenstandswert mit 5.100,20 EUR ist jedenfalls nicht zu beanstanden. Dieser setzt sich zusammen aus der Jahreskaltmiete in Höhe von 4.428,00 EUR sowie dem Klägerseits geltend gemachten Mietrückstand zum 08.11.2021 in Höhe von 627,13 EUR. Das nach Auffassung des Gerichts zu diesem Zeitpunkt ein Rückstand in Höhe von 697,72 EUR vorlag ist insoweit unschädlich. Die Klägerin hat einen geringeren Betrag angesetzt als ihr zugestanden hätte. Ausgehend von 1,3 Gebühren, 20,00 EUR Auslagenpauschale zuzüglich 19 % MwSt. ergibt sich der geltend gemachte Betrag in Höhe von 627,13 EUR.
Die Klägerin hat ferner einen Anspruch auf Zahlung der für die Zustellung der Kündigung vom 08.11.2021 angefallenen Gerichtsvollzieherkosten in Höhe von 14,12 EUR gemäß §§ 280, 286 BGB.
Die Zinsentscheidung folgt aus §§ 280, 286, 288 BGB. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit resultiert aus §§ 708 Nr. 6 und Nr. 11, 709, 711 ZPO.
Streitwert: 4.440,41 EUR