LG Bochum – Az.: I-4 O 245/17 – Urteil vom 24.01.2018
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien streiten als Wohnungseigentümer über die Frage der Zuordnung eines im Dachgeschoss/Spitzboden ausgebauten Raumes zum Gemeinschaftseigentum oder zum Sondereigentum.
Die Parteien sind Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft C Straße ## in I.
Die Klägerin ist Eigentümerin der im Erdgeschoss gelegenen Wohnung Nr. 1 des Objekts (Wohnungsgrundbuch von I, Blatt ##). Die Beklagten sind Eigentümer der im Dachgeschoss gelegenen Wohnung Nr. 3 (Blatt ##). Die Beklagten haben den Grundbesitz nach dem Tod des Voreigentümers durch notariellen Kaufvertrag vom 17.06.2015 vom Testamentsvollstrecker erworben. Der von den Beklagten erworbene Grundbesitz wurde zunächst unter dem 07.10.1986 wie folgt in das Grundbuch des Amtsgerichts I – Wohnungsgrundbuch – Blatt ## eingetragen:
„1948/ 10.000 Miteigentumsanteil an dem Grundstück I, Flur 33, Flurstück 611 613, C Straße ## verbunden mit dem Sondereigentum an der im Dachgeschoss gelegenen Wohnung nebst einem Kellerraum. Sämtlich im Aufteilungsplan mit Nr. 3 bezeichnet.
Im Übrigen wird wegen des Gegenstandes und des Inhalts des Sondereigentums auf die Eintragungsbewilligungen vom 26. Mai 1986 / 19. August 1986 Bezug genommen.“
Der Verstorbene Voreigentümer hatte in der Folgezeit den über seiner Wohnung Nr. 3 gelegenen Dachraum (Spitzboden) zu Wohnzwecken ausgebaut und einen Hobbyraum errichtet, welchen er mit Heizkörpern, Fenstern und Dachgauben versehen hat.
Mit notarieller Verhandlung vor dem Notar Q in I vom 19.12.2000 (Urkunden-Rolle Nr. ##/2000) erfolgte eine Änderung der Teilungserklärung. Dort heißt es u.a.:
„Vorbemerkung:
Nachdem bei der Renovierung und dem Ausbau der auf dem Grundbesitz C Straße ## befindlichen Gebäude abgewichen worden ist von den Aufteilungsplänen und der Teilungserklärung des Notars I1 vom 26.05./19.08.1986 (Urkundenrolle Nr. ##/86 und ##/86) wird nunmehr unter Berücksichtigung des jetzigen Zustandes und unter Bezugnahme auf die Abgeschlossenheitsbescheinigung der Stadt I vom 15. Dezember 2000, Az. ##/III die bisherige Teilungserklärung neu gefaßt wie folgt:
Es werden gebildet
(…)
1948/10.000 MEA verbunden mit dem Sondereigentum an der im Dachgeschoss gelegenen Wohnung nebst Spitzboden und Keller, sämtlich im Auffangsplan mit Nr. 3 bezeichnet (Größe ca. 143 qm)“.
Ferner ist in der Urkunde zu „Lasten und Kosten“ folgende Änderung festgehalten:
„Die Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums an der Villa, soweit die Eigentümergemeinschaft diese zu tragen hat, und die Kosten der Bewirtschaftung des Objekts sind von den Sondereigentümern im Verhältnis der Größe ihrer Nutzfläche zu tragen. Hierbei ergibt sich für den jeweiligen Eigentümer der Wohnung Nr. 1 ein Anteil von 37,5 %, für die Wohnung Nr. 2 ein Anteil von 32,4 % und für die Wohnung im Dachgeschoss ein Anteil von 30,1 %.“
Am Ende des Abschnitts zu Ziff. I. heißt es in der Urkunde:
„Sodann
bewilligen und beantragen
die Eigentümer im Grundbuch einzutragen:
a) Die Teilung des bisher im Wohnungsgrundbuch von I Blatt ## verzeichneten Wohnungseigentums in nunmehr 4 Teileigentumsrechte.
b) Die Bestimmungen dieser Teilungserklärung als Inhalt des Sondereigentums.“
Die Klägerin macht geltend, an dem im Dachboden ausgebauten Hobbyraum sei kein Sondereigentum begründet worden, vielmehr handele es sich weiterhin um Gemeinschaftseigentum. Sie meint, bei der Errichtung des Hobbyraums handele es sich nicht lediglich um eine Ausgestaltung des Sondereigentums der Wohnung Nr. 3; vielmehr sei hierdurch eine höhere und intensivere Beanspruchung verbunden, so dass es sich um eine bauliche Veränderung handele, die für die übrigen Miteigentümer einen Nachteil im Sinne von § 14 Nr. 1 WEG darstelle.
Die Klägerin ist ferner der Auffassung, dass auch durch die nachträgliche Änderung der Teilungserklärung kein Sondereigentum begründet worden sei. Hintergrund der Änderung sei die Errichtung von drei Garagen gewesen, mit der Folge, dass die Eigentümer der Wohnungen 1-3 nunmehr eine Garage erhielten und daher die Regelung über die Sondernutzungsrechte an PKW-Einstellplätzen habe gestrichen werden können. Ferner habe sich durch den Ausbau des Hobbyraums die Wohn-/Nutzfläche der Wohnung Nr. 3 von 123 qm auf 143 qm vergrößert. Die bisherige Teilungserklärung habe eine Verteilung von Lasten und Kosten entsprechend der jeweiligen Miteigentumsanteile vorgesehen. Da sich das Verhältnis durch den Ausbau des Hobbyraums verschoben habe, habe man sich darauf verständigt, dass zukünftig für Lasten und Kosten nicht mehr die Miteigentumsanteile sondern das prozentuale Verhältnis der Nutzflächen maßgeblich sein solle. Man habe bewusst auf eine Umwandlung von Gemeinschaftseigentum an dem Hobbyraum in Sondereigentum verzichtet; die damaligen Eigentümer seien miteinander befreundet gewesen und hätten die Änderung unter Verzicht auf eine Übertragung von Grundeigentum so kostengünstig wie möglich gestalten wollen. Die zwingend erforderliche förmliche Auflassung sei daher nicht erklärt worden.
Die Klägerin meint zudem, die notarielle Änderung der Teilungserklärung sei schon deshalb unwirksam gewesen, weil die nach Beurkundungsgesetz erforderliche gleichzeitige Vorlage der Abgeschlossenheitsbescheinigung nicht gegeben gewesen sei.
Die Klägerin beantragt, festzustellen, dass der über der Wohnung Nr. 3 im Hause C Straße ## in I gelegene „Hobbyraum“ gemeinschaftliches Eigentum der Wohnungseigentümergemeinschaft C Straße ## ist.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Sie rügen bereits die fehlende Aktivlegitimation der Klägerin. Die begehrte Feststellung betreffe sämtliche Wohnungseigentümer gemeinsam, so dass der Anspruch nur durch die Wohnungseigentümergemeinschaft als teilrechtsfähiger Verband geltend gemacht werden könne.
Die Beklagten meinen, bereits nach dem ursprünglichen Teilungsplan habe Sondereigentum in Bezug auf die Wohneinheit Nr. 3 für die gesamte Dachgeschossfläche bis unter die Dachhaut bestanden. Der Ausbau des Dachgeschosses in seiner jetzigen Form unter Einschluss des streitgegenständlichen Raums im Spitzboden stelle daher nichts anderes dar, als eine bauliche Ausgestaltung des Sondereigentums der Wohneinheit Nr. 3.
Jedenfalls sei durch die Änderung der Teilungserklärung und deren Eintragung nach Bewilligung durch die Eigentümer wirksam Sondereigentum an dem Spitzboden zu Gunsten der Wohneinheit Nr. 3 geschaffen worden. Dies ergebe sich eindeutig aus der notariellen Urkunde vom 19.12.2000, wobei auch die formalen Voraussetzungen für eine Auflassung gemäß § 925 Abs. 1 S. 1 BGB erfüllt seien.
Die Beklagten meinen schließlich, dass selbst dann, wenn Sondereigentum nicht wirksam begründet worden wäre, ein Anspruch gestützt auf § 242 BGB auf Bewilligung der Eintragung des Sondereigentums bestehen würde, da die Klägerin und die übrigen Wohnungseigentümer einen Vertrauenstatbestand geschaffen hätten, auf den sich die Beklagten berufen könnten (sog. dolo-petit-Einwand).
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
I.
Die Klage ist zwar zulässig.
Das Landgericht ist sachlich zuständig. Die vorliegende Streitigkeit ist nicht durch § 43 Abs. 1 WEG den Wohnungseigentumsgerichten zur Entscheidung im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zugewiesen. Bei der vorliegenden Auseinandersetzung geht es nicht um ein sich aus der Eigentümergemeinschaft ergebendes Recht, sondern darum, ob der streitige Teil des Dachbodens (Spitzboden) im Sondereigentum der Beklagten oder im Gemeinschaftseigentum steht. Solche Streitigkeiten um das Eigentum sind grundsätzlich im Zivilprozessverfahren auszutragen, weil sie die sachenrechtlichen Grundlagen der Wohnungseigentümergemeinschaft betreffen (BGH, NJW 1995, S. 2851).
Das erforderliche Feststellungsinteresse gemäß § 256 ZPO ist gegeben.
II.
Die Klage ist jedoch unbegründet.
1.
Allerdings ist die Klägerin als Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft auch allein aktivlegitimiert, um die Feststellung der sachenrechtlichen Zuordnung von Sondereigentum oder Gemeinschaftseigentum zu beanspruchen (vgl. BGH, NJW 1995, S. 2851). Entgegen der Auffassung der Beklagten betrifft der vom BGH entschiedene Fall nicht die Konstellation, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft lediglich aus den beiden Parteien des Rechtsstreits bestand; vielmehr handelt es sich bei den Parteien des dortigen Rechtsstreits ebenfalls nicht um die einzigen Mitglieder der dortigen WEG.
2.
Für die Bestimmung, welche Räumlichkeiten dem Sondereigentum zuzuordnen sind, ist die Grundbucheintragung maßgeblich. Dabei sind für die Auslegung der Eintragung über den Gegenstand des Sondereigentums grundsätzlich die Teilungserklärung und der Aufteilungsplan heranzuziehen, welche der Eintragungsbewilligung gemäß § 7 Abs. 4 Nr. 1 WEG beizufügen sind (vgl. BGH, NJW 1995, S. 2851).
Nach Auffassung der Kammer ergibt die Auslegung nach diesen Vorgaben, dass der streitgegenständliche Hobbyraum im Sondereigentum der Beklagten steht.
a)
Die Zuordnung des streitgegenständlichen Hobbyraums zum Sondereigentum der Wohneinheit Nr. 3 ergibt sich indes noch nicht aus der ursprünglichen Teilungserklärung und Grundbucheintragung vom 07.10.1986.
Soweit in der ursprünglichen Teilungserklärung Sondereigentum „an der im Dachgeschoss gelegenen Wohnung“ (vgl. Anl. B 1 zur Klageerwiderung) zugewiesen worden ist, so lässt sich hieraus nicht ableiten, dass damit auch eine weitere – wenn auch erst zu errichtende – Räumlichkeit im Spitzboden umfasst sein könnte. Von einem „Spitzboden“ ist in diesem Teilungsplan im Gegensatz zur geänderten Teilungserklärung noch nicht die Rede. Dass die Dachgeschosswohnung als Wohneinheit Nr. 3 zwei Etagen haben sollte, also oberhalb der eigentlichen Wohnung noch einen zu Wohnzwecken ausgebauten Spitzboden umfassen sollte, lässt sich der ursprünglichen Teilungserklärung nicht entnehmen (vgl. für eine ähnliche Fallkonstellation: OLG Celle, OLGR 2005, S. 706).
b)
Die Zuordnung des im Spitzboden errichteten Hobbyraums zum Sondereigentum der Wohneinheit Nr. 3 ergibt sich aber klar und unmissverständlich aus der geänderten Teilungserklärung vom 19.12.2000. Dort ist der Spitzboden bei der Bildung der Miteigentumsanteile sowie der Zuordnung des Sondereigentums zur Wohnung Nr. 3 ausdrücklich wie folgt bezeichnet: „(…) verbunden mit dem Sondereigentum an der im Dachgeschoss gelegenen Wohnung nebst Spitzboden und Keller“. Darüber hinaus ist die Größe mit „ca. 143 qm“ festgehalten, die sich aus der Addition der Größe der Nutzflächen des Hobbyraums und der ursprünglichen Wohnung errechnet. Im Zusammenhang mit den Vorbemerkungen sowie der Änderung des § 12 der Teilungserklärung dahin, dass die Sondereigentümer die Kosten der Instandhaltung und der Bewirtschaftung nunmehr nach dem Verhältnis der Größe ihrer Nutzfläche zu tragen haben, ergibt sich auch der Sinn und Zweck der diesbezüglichen Änderung der Teilungserklärung. Die Eigentümergemeinschaft wollte nämlich dem Umstand Rechnung tragen, dass (auch) im Dachgeschoss Umbaumaßnahmen erfolgt sind, die eine größere Nutzfläche der Wohneinheit Nr. 3 zur Folge hatten, wobei man die alleinige Nutzung durch den Eigentümer der Wohnung Nr. 3 aber nicht in Zweifel ziehen wollte. Offenbar wollte man indes nicht die Quote der Miteigentumsanteile ändern, hat aber, um eine gerechte Verteilung zu erreichen, die Bewirtschaftungskosten nunmehr an der Größe der jeweiligen Nutzfläche ausgerichtet. Diesen Hintergrund stellt auch die Klägerin nicht anders dar. Soweit sie allerdings geltend macht, man habe bewusst auf eine Umwandlung von Gemeinschaftseigentum an dem Hobbyraum in Sondereigentum und insbesondere auch aus Kostengründen auf eine Übertragung von Grundeigentum verzichtet, so gibt die Urkunde über die geänderte Teilungserklärung für ein solches Verständnis nichts her. Vielmehr ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Urkunde – wie oben ausgeführt – die klare Zuordnung des Spitzbodens zum Sondereigentum der Wohneinheit Nr. 3.
Die Kammer verkennt nicht, dass gemäß § 4 Abs. 1 und Abs. 2 WEG die rechtsgeschäftliche Umwandlung von gemeinschaftlichem Eigentum an Räumen zu Sondereigentum der Einigung aller Wohnungseigentümer in der Form der Auflassung bedarf (BGH, NJW 1998, S. 3711; OLG Karlsruhe, ZMR 2014, S. 303; Palandt-Bassenge, § 3 WEG, Rz. 10). Nach Auffassung der Kammer ist den Anforderungen des § 925 BGB jedoch Genüge getan. In der notariellen Urkunde über die Änderung der Teilungserklärung vom 19.12.2000 haben sämtliche Wohnungseigentümer zu Ziff. I. am Ende ausdrücklich bewilligt und beantragt, „die Bestimmung dieser Teilungserklärung als Inhalt des Sondereigentums“ im Grundbuch einzutragen. Die Eintragung in das Grundbuch von I, Blatt ##, ist sodann tatsächlich unter dem 22.11.2002 erfolgt.
Entgegen der Auffassung der Klägerin bestehen keine Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit der notariellen Änderung der Teilungserklärung vom 19.12.2000 im Hinblick auf die geänderte Zuordnung von Sondereigentum. Der von Seiten der Klägerin erstmals in der mündlichen Verhandlung geäußerte pauschale und nicht weiter ausgeführte Einwand, dass die geänderte Teilungserklärung schon deshalb unwirksam sei, weil die nach Beurkundungsgesetz erforderliche gleichzeitige Vorlage der Abgeschlossenheitsbescheinigung nicht gegeben gewesen sei, greift nicht durch. Insbesondere vermag dies nichts an der wirksamen Zuordnung des Sondereigentums an dem streitgegenständlichen Raum durch die im Grundbuch eingetragene geänderte Teilungserklärung zu ändern. Es ist bereits nicht ersichtlich, inwieweit der gerügte Verstoß bei der Beurkundung zur Nichtigkeit oder Unwirksamkeit der geänderten Teilungserklärung als solche führen sollte. Selbst bei unvollständiger oder unrichtiger Beurkundung durch den Notar ist die Beurkundung deshalb noch nicht nicht unwirksam. Auch wenn etwa die Vorgaben des § 13 a BeurkG nicht beachtet werden, ist allenfalls die Verweisung als solche unwirksam, während die Urkunde, in welcher auf andere Schriftstücke verwiesen wurde, rechtswirksam bleibt (vgl. etwa Lerch, Beurkundungsgesetz, 5. Aufl., § 13 a Rz. 21). Aber selbst für den Fall einer nichtigen Beurkundung sei noch angemerkt, dass sogar bei Annahme einer Nichtigkeit gemäß § 7 BeurkG hiervon nicht die Auflassungserklärung erfasst wäre. Für die Auflassungserklärung nach § 4 Abs. 2 WEG i.V.m. § 925 BGB ist nämlich keine notarielle Beurkundung erforderlich, vielmehr genügt die gemeinsame Erklärung vor dem Notar (vgl. BGH, WM 1982, S. 313).
Nach allem war die Klage abzuweisen.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709ZPO.
Der Streitwert wird auf 25.000,00 EUR festgesetzt.