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Suizidalem Mieter kann nicht gekündigt werden

Ein Berliner Gericht hat entschieden, dass ein 76-jähriger Mieter trotz Kündigung in seiner Wohnung bleiben darf, da ein Umzug für ihn eine Gefahr für Leib und Leben darstellen würde. Der schwer kranke Mann hatte nach dem Tod seiner Frau Suizidgedanken geäußert, die vom Gericht ernst genommen wurden. Der Vermieter muss nun die Wohnung weitervermieten, erhält aber eine höhere Miete.

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Landgericht Berlin
  • Datum: 30.04.2024
  • Aktenzeichen: 65 S 14/22
  • Verfahrensart: Berufungsverfahren
  • Rechtsbereiche: Mietrecht, Kündigungsschutzrecht

Beteiligte Parteien:

  • Der Kläger: Vermieter, der die Kündigung des Mietverhältnisses ausgesprochen hat. Er argumentiert, dass der Eigenbedarf besteht und die gesetzlichen Kündigungsfristen eingehalten wurden.
  • Der Beklagte: Mieter, der gegen die Kündigung widersprochen hat. Er führt gesundheitliche Gründe an, die einen Umzug unzumutbar machen würden.

Um was ging es?

  • Sachverhalt: Der Vermieter kündigte am 29. Januar 2020 das Mietverhältnis unter Berufung auf Eigenbedarf. Der Mieter widersprach der Kündigung schriftlich mit der Begründung, dass ein erzwungener Umzug seine psychische Gesundheit stark gefährden würde. Der Mieter bewohnt die Wohnung seit dem 1. September 2009 und leidet unter gesundheitlichen Einschränkungen, die einen Umzug unzumutbar machen würden.
  • Kern des Rechtsstreits: Der rechtliche Streitpunkt ist, ob das Mietverhältnis aufgrund besonderer Härte gemäß §§ 574 ff. BGB unbefristet fortgeführt werden kann, und ob der Mieter einen Anspruch auf Fortsetzung des Mietverhältnisses trotz der Kündigung durch den Vermieter hat.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Die Klage des Vermieters auf Räumung wurde abgewiesen. Das Mietverhältnis wird auf unbestimmte Zeit fortgesetzt, jedoch mit einer Anpassung der Miete.
  • Begründung: Der Gericht stellte fest, dass der erzwungene Auszug des Mieters aufgrund seiner gesundheitlichen Lage eine unzumutbare Härte darstellen würde. Zudem ist der Erhalt der bisherigen Wohnung für den Mieter von hoher emotionaler Bedeutung. Die therapeutischen Optionen zur Besserung des Gesundheitszustands des Mieters sind ausgeschöpft.
  • Folgen: Der Mieter kann in der Wohnung bleiben, wobei die Miete schrittweise auf das Niveau der ortsüblichen Vergleichsmiete angepasst wird. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, und die Entscheidung ist vorläufig vollstreckbar ohne Zulassung der Revision.

Kündigungsschutz für suizidale Mieter: Rechte und Pflichten im Mietrecht

Suizidale Mieter stehen häufig vor besonderen Herausforderungen, die nicht nur ihre psychische Gesundheit, sondern auch ihre Wohnsituation betreffen. Im deutschen Mietrecht gibt es spezifische Regelungen, die den Kündigungsschutz für Mieter mit psychischen Erkrankungen, wie etwa Depressionen, berücksichtigen. Bei einer drohenden Suizidgefahr muss die Verantwortung von Vermietern abgewogen werden, um sowohl die Rechte der Mieter als auch die potenziellen Gefahren für die Gemeinschaft zu schützen.

In diesem Kontext ist es entscheidend zu wissen, welche mietrechtlichen Schutzmechanismen in solchen Fällen greifen und welche Unterstützung für suizidale Mieter verfügbar ist. Ein aktuelles Gerichtsurteil beleuchtet diese Thematik eingehend und verdeutlicht, welche rechtlichen Rahmenbedingungen für Vermieter und Mieter bestehen, wenn psychische Probleme ins Spiel kommen.

Der Fall vor Gericht


Berliner Mieter darf nach Tod der Ehefrau in Wohnung bleiben – Gericht bestätigt Härtefall

Sparsamer Wohnraum in Berliner Wohnung mit Kündigungsschreiben auf Tisch und Blick auf ruhige Straße.
Mietrechtsschutz und Suizidalität bei Mietern | Symbolfoto: Ideogram gen.

Ein 76-jähriger Mieter einer Wohnung in Berlin muss seine langjährige Bleibe nicht räumen. Das Landgericht Berlin wies die Räumungsklage des Vermieters ab und entschied, dass das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit fortgesetzt werden muss – allerdings zu angepassten Mietkonditionen.

Psychische Gesundheit als entscheidender Faktor

Der Vermieter hatte das seit 2009 bestehende Mietverhältnis im Januar 2020 gekündigt. Ein medizinisches Gutachten ergab, dass der Mieter unter einem komplexen Krankheitsbild mit erheblichen körperlichen und psychischen Einschränkungen leidet. Nach dem Tod seiner Ehefrau verschlechterte sich sein Gesundheitszustand deutlich. Der gerichtlich bestellte Sachverständige Dr. I. diagnostizierte eine mittelgradige depressive Episode, verstärkt durch eine zwanghafte und passiv-aggressive Persönlichkeitsstruktur.

Hohes Suizidrisiko bei erzwungenem Auszug

Der Gutachter warnte eindringlich vor den Folgen eines erzwungenen Wohnungswechsels. Mit „an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ würde dies zu einem signifikanten Verlust des mühsam aufrechterhaltenen psychosozialen Funktionsniveaus führen. Die therapeutischen Möglichkeiten seien trotz fachpsychiatrischer Behandlung, Gesprächstherapie und Medikation bereits ausgeschöpft. Die vom Mieter geäußerten Suizidgedanken müssten aufgrund seiner psychischen Grunderkrankung und des verdeckten Aggressionspotenzials ernst genommen werden.

Gericht gewichtet Gesundheitsschutz höher als Vermieterinteressen

Das Landgericht Berlin folgte in seiner Abwägung der Experteneinschätzung und stellte den grundgesetzlich geschützten Anspruch des Mieters auf körperliche und psychische Unversehrtheit über die Interessen des Vermieters. Selbst ein möglicher Eigenbedarf des Vermieters an der Wohnung konnte das erhebliche Bestandsinteresse des Mieters nicht überwiegen.

Mietanpassung als Kompromiss

Das Gericht ordnete allerdings eine zweistufige Erhöhung der bisher deutlich unter dem Mietspiegel liegenden Miete an. Ab Juli 2024 steigt die monatliche Kaltmiete auf 500 Euro, ab Januar 2025 auf 797,72 Euro. Diese Anpassung orientiert sich am Berliner Mietspiegel 2023 für vergleichbare Wohnungen und berücksichtigt die Interessen beider Parteien. Die übrigen mietvertraglichen Bedingungen bleiben bestehen.


 

Wohnrecht trotz Kündigung?

Der Fall des 76-jährigen Berliners zeigt, dass besondere Lebensumstände im Mietrecht entscheidend sein können. Auch gesundheitliche Beeinträchtigungen und die Gefahr für Leib und Leben spielen eine wichtige Rolle. Betrifft Sie ein ähnlicher Fall? Gerne helfen wir Ihnen, Ihre individuelle Situation zu bewerten und die rechtlich bestmöglichen Schritte einzuleiten.
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Welche rechtlichen Schutzmaßnahmen gibt es für psychisch erkrankte Mieter bei Kündigungen?

Psychisch erkrankte Mieter genießen im deutschen Mietrecht einen besonderen Schutz, der sich aus verschiedenen gesetzlichen Regelungen und der Rechtsprechung ergibt. Dieser Schutz dient dazu, die besondere Vulnerabilität dieser Personengruppe zu berücksichtigen und eine Kündigung nur unter strengen Voraussetzungen zu ermöglichen.

Grundlagen des Kündigungsschutzes

  1. Härtegründe gemäß § 574 BGB Psychisch erkrankte Mieter können einer Kündigung widersprechen, wenn diese für sie eine unzumutbare Härte darstellt. Eine solche Härte liegt vor, wenn der Verlust der Wohnung die psychische Gesundheit des Mieters erheblich gefährden würde, beispielsweise durch eine Verschlechterung des Gesundheitszustands oder das Risiko von Suizid. Gerichte prüfen in solchen Fällen sorgfältig die Interessen beider Parteien und wägen ab, ob die Fortsetzung des Mietverhältnisses zumutbar ist.
  2. Diskriminierungsverbot nach dem AGG (§ 19 AGG) Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) schützt psychisch erkrankte Menschen vor Benachteiligungen im Zivilrechtsverkehr, einschließlich Mietverhältnissen. Eine Kündigung darf nicht auf diskriminierenden Motiven basieren, etwa allein wegen der Erkrankung des Mieters.
  3. Fürsorgepflicht des Vermieters Vermieter haben eine erhöhte Toleranzpflicht gegenüber psychisch kranken Mietern. Krankheitsbedingte Verhaltensweisen, wie etwa gelegentliche Störungen des Hausfriedens, müssen in gewissem Umfang hingenommen werden. Die Grenze ist jedoch erreicht, wenn das Verhalten andere Mieter oder den Vermieter erheblich beeinträchtigt oder gefährdet.

Kündigungsarten und ihre Besonderheiten

  1. Ordentliche Kündigung (§ 573 BGB) Bei einer ordentlichen Kündigung muss der Vermieter ein berechtigtes Interesse nachweisen. Die psychische Erkrankung des Mieters wird dabei besonders berücksichtigt. Eine Kündigung kann unwirksam sein, wenn sie den Mieter unverhältnismäßig belastet oder seine Gesundheit gefährdet.
  2. Fristlose Kündigung (§ 543 BGB) Eine fristlose Kündigung ist möglich, wenn schwerwiegende Vertragsverletzungen vorliegen, etwa nachhaltige Störungen des Hausfriedens oder Gefährdungen anderer Mieter. Auch hier gilt jedoch: Wenn das Verhalten des Mieters auf seine Erkrankung zurückzuführen ist und keine andere Lösung (z. B. Betreuung oder Medikation) möglich ist, wird die Kündigung besonders streng geprüft.
  3. Eigenbedarfskündigung Eine Eigenbedarfskündigung kann scheitern, wenn der Verlust der Wohnung für den psychisch kranken Mieter eine erhebliche gesundheitliche Verschlechterung bedeuten würde. Gerichte ziehen in solchen Fällen oft medizinische Gutachten heran, um die Auswirkungen einer Kündigung auf den Gesundheitszustand zu bewerten.

Nachweis der Erkrankung

Um den besonderen Schutz in Anspruch nehmen zu können, muss der Mieter seine psychische Erkrankung nachweisen. Dies geschieht in der Regel durch ärztliche Atteste oder psychiatrische Gutachten. Diese Nachweise sind entscheidend für die gerichtliche Prüfung von Härtegründen oder unzumutbaren Belastungen.

Beispiele aus der Rechtsprechung

  • In einem Fall lehnte ein Gericht die Räumungsklage gegen eine psychisch erkrankte Mieterin ab, da der Verlust der Wohnung ihre Gesundheit massiv gefährdet hätte. Das Gericht betonte die besondere Schutzbedürftigkeit der Mieterin und wog ihre Grundrechte gegen die Interessen des Vermieters ab.
  • In einem anderen Fall wurde trotz psychischer Erkrankung eine fristlose Kündigung bestätigt, da das Verhalten des Mieters (z. B. Bedrohungen und massive Störungen) für andere Bewohner unzumutbar war.

Wichtige Hinweise für betroffene Mieter

  • Psychisch erkrankte Mieter sollten frühzeitig mit ihrem Vermieter kommunizieren und ihre Situation offenlegen, um Konflikte zu vermeiden.
  • Falls eine Kündigung droht, ist es ratsam, medizinische Nachweise vorzulegen und gegebenenfalls gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Die rechtlichen Schutzmaßnahmen zielen darauf ab, einen fairen Ausgleich zwischen den Interessen von Mietern und Vermietern zu schaffen und die besonderen Bedürfnisse psychisch kranker Menschen zu berücksichtigen.


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Wie läuft die gerichtliche Überprüfung einer Kündigung bei nachgewiesener Suizidgefährdung ab?

Bei einer gerichtlichen Überprüfung der Kündigung mit Suizidgefährdung erfolgt ein mehrstufiges Verfahren. Das Gericht prüft zunächst die formelle Wirksamkeit der Kündigung und anschließend, ob ein Härtefall nach § 574 BGB vorliegt.

Einleitung des Verfahrens

Der Mieter muss der Kündigung unter Berufung auf die Härtefallregelung fristgerecht widersprechen. Die Suizidgefährdung muss dabei konkret dargelegt und durch ärztliche Atteste belegt werden.

Sachverständigengutachten

Das Gericht ordnet in der Regel ein psychiatrisches Sachverständigengutachten an. Der Gutachter untersucht dabei:

  • Die Ernsthaftigkeit der Suizidgefährdung
  • Den Zusammenhang zwischen Kündigung und Suizidgefahr
  • Die Möglichkeit therapeutischer Maßnahmen

Gerichtliche Bewertung

Bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt das Gericht mehrere Faktoren:

Die Ernsthaftigkeit der Suizidgefahr muss durch konkrete Tatsachen belegt sein. Eine bloße Behauptung reicht nicht aus. Die psychische Fixierung auf die Wohnung und die Unmöglichkeit eines Umzugs müssen nachgewiesen werden.

Das Gericht prüft auch mögliche Alternativen zur Kündigung. Wenn der Vermieter eine Ersatzwohnung anbietet, wird untersucht, ob diese eine realistische Option darstellt.

Besonderheiten der Beweisführung

Die Beweisführung erfordert umfassende medizinische Dokumentation. Dazu gehören:

  • Psychiatrische Gutachten
  • Behandlungsunterlagen
  • Nachweise über bisherige stationäre Aufenthalte
  • Dokumentation der Krankheitsgeschichte

Wenn die Suizidgefahr gerichtlich bestätigt wird, kann dies zur Unwirksamkeit der Kündigung führen. Das Gericht kann auch eine vorläufige Aussetzung der Räumung anordnen, bis eine abschließende Entscheidung getroffen ist.


 

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Welche Rolle spielen ärztliche Gutachten bei Härtefallregelungen im Mietrecht?

Ärztliche Gutachten spielen eine zentrale Rolle bei der Beurteilung von Härtefällen im Mietrecht, insbesondere wenn ein Mieter sich auf gesundheitliche Gründe beruft, um eine Kündigung zu verhindern. Hier sind die wesentlichen Aspekte:

Beweisführung und Härtegründe

Wenn ein Mieter behauptet, dass eine Kündigung des Mietverhältnisses für ihn eine unzumutbare Härte darstellt, muss er dies durch ärztliche Atteste belegen. Diese Atteste sollen die Art, den Umfang und die konkreten Auswirkungen der Erkrankung auf die Lebensführung des Mieters darlegen.

  • Beispiel: Ein Mieter, der seit 30 Jahren in seiner Wohnung lebt, könnte sich auf gesundheitliche Härtegründe berufen, wenn er aufgrund einer schweren Depression und Suizidversuchen nicht in der Lage ist, umzuziehen. Ärztliche Atteste würden hierbei seine psychische Verfassung und die damit verbundenen Einschränkungen dokumentieren.

Sachverständigengutachten

In vielen Fällen reicht die Vorlage von ärztlichen Attesten allein nicht aus. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass in solchen Situationen ein Sachverständigengutachten eingeholt werden muss, um die Härtegründe zu überprüfen. Dieses Gutachten soll:

  • Die Art und den Umfang der Erkrankung des Mieters feststellen.
  • Die konkreten Auswirkungen der Erkrankung auf die Lebensführung des Mieters im Allgemeinen und im Falle des Verlusts der vertrauten Umgebung beschreiben.
  • Die Schwere und Wahrscheinlichkeit der zu befürchtenden gesundheitlichen Einschränkungen klären.
  • Beispiel: Ein Gericht könnte ein Sachverständigengutachten anfordern, um zu prüfen, ob die Depression des Mieters tatsächlich so schwerwiegend ist, dass ein Umzug eine konkrete Suizidgefahr darstellt.

Rechtliche Grundlagen

Die rechtliche Grundlage für die Härtefallprüfung im Mietrecht ist § 574 BGB. Dieser Paragraf erlaubt es dem Mieter, die Fortsetzung des Mietverhältnisses zu verlangen, wenn die Beendigung für ihn, seine Familie oder seinen Haushalt eine unzumutbare Härte darstellt.

  • Beispiel: Wenn ein Mieter glaubhaft macht, dass er aufgrund seiner Krankheit nicht in der Lage ist, umzuziehen, und dies durch ärztliche Gutachten belegt, kann das Gericht die Kündigung für unwirksam erklären.

Konkrete Suizidgefahr

Besonders relevant ist die Rolle der ärztlichen Gutachten bei der Beurteilung einer konkreten Suizidgefahr. Wenn ein Mieter eine ernsthafte Suizidabsicht äußert und dies durch ärztliche Atteste und Gutachten belegt wird, kann dies die Kündigung wegen Eigenbedarfs ausschließen.

  • Beispiel: Eine 80-jährige Mieterin, die seit 40 Jahren in ihrer Wohnung lebt, erklärt glaubhaft, dass sie sich das Leben nehmen würde, falls sie zum Auszug gezwungen wird. Ein ärztliches Gutachten bestätigt die Ernsthaftigkeit der Suizidgefahr, was die Kündigung unwirksam macht.

Handlungsschritte

Wenn Sie als Mieter eine Kündigung wegen Härtegründen verhindern möchten:

  1. Ärztliche Atteste einholen: Lassen Sie sich von Ihrem Arzt ein Attest ausstellen, das Ihre gesundheitliche Situation und die damit verbundenen Einschränkungen detailliert beschreibt.
  2. Sachverständigengutachten: Wenn der Vermieter die Härtegründe bestreitet, kann das Gericht ein Sachverständigengutachten einholen. Bereiten Sie sich darauf vor, dass dies erforderlich sein könnte.
  3. Dokumentation: Sammeln Sie alle relevanten Dokumente, die Ihre gesundheitliche Situation und die damit verbundenen Härten belegen.

Ärztliche Gutachten sind somit unverzichtbar, um die Härtegründe im Mietrecht nachzuweisen und eine Kündigung zu verhindern. Sie bieten dem Gericht die notwendigen Informationen, um eine fundierte Entscheidung zu treffen.


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Welche Kompromisslösungen sind bei Härtefällen im Mietrecht möglich?

Bei Härtefällen im Mietrecht gibt es verschiedene Kompromisslösungen, die eine Alternative zur Kündigung darstellen können. Diese Lösungen zielen darauf ab, die Interessen beider Parteien zu berücksichtigen und eine für alle Beteiligten akzeptable Lösung zu finden.

Befristete Fortsetzung des Mietverhältnisses

Eine häufig angewandte Kompromisslösung ist die befristete Fortsetzung des Mietverhältnisses. Wenn Sie als Mieter einen Härtefall geltend machen, kann das Gericht eine zeitlich begrenzte Verlängerung des Mietverhältnisses anordnen. Dies gibt Ihnen die Möglichkeit, sich in einem angemessenen Zeitraum auf die neue Situation einzustellen und beispielsweise eine neue Wohnung zu finden.

Anpassung der Mietbedingungen

In manchen Fällen kann eine Anpassung der Mietbedingungen eine sinnvolle Lösung sein. Dies kann eine vorübergehende Mietminderung, eine Stundung der Mietzahlungen oder eine Verlängerung der Kündigungsfrist umfassen. Wenn Sie sich beispielsweise in einer vorübergehenden finanziellen Notlage befinden, könnte eine zeitlich begrenzte Mietreduzierung oder ein Zahlungsaufschub vereinbart werden.

Bereitstellung von Ersatzwohnraum

Eine weitere Möglichkeit ist das Angebot einer Ersatzwohnung durch den Vermieter. Wenn der Vermieter Eigenbedarf anmeldet, aber eine vergleichbare Wohnung im selben Haus oder in der Nähe zur Verfügung stellen kann, könnte dies eine akzeptable Lösung für beide Seiten sein. Beachten Sie jedoch, dass die Annahme einer Ersatzwohnung nicht in jedem Fall zumutbar ist, insbesondere wenn gesundheitliche Gründe oder eine besondere Verwurzelung im Wohnumfeld dagegen sprechen.

Unterstützung bei der Wohnungssuche

In manchen Fällen kann der Vermieter Unterstützung bei der Suche nach einer neuen Wohnung anbieten. Dies kann besonders hilfreich sein, wenn Sie als Mieter aufgrund von Alter, Krankheit oder anderen Umständen Schwierigkeiten haben, selbst eine neue Wohnung zu finden.

Abfindungszahlungen

Eine weitere Option sind Abfindungszahlungen. Hierbei einigen sich Mieter und Vermieter auf eine finanzielle Entschädigung für den vorzeitigen Auszug. Dies kann Ihnen als Mieter helfen, die Kosten für einen Umzug zu decken oder eine möglicherweise höhere Miete in einer neuen Wohnung auszugleichen.

Mediation oder außergerichtliche Einigung

In komplexen Fällen kann eine Mediation oder außergerichtliche Einigung hilfreich sein. Hier versuchen beide Parteien, mit Hilfe eines neutralen Vermittlers eine einvernehmliche Lösung zu finden. Dies kann zu kreativen Kompromissen führen, die auf die spezifische Situation zugeschnitten sind.

Beachten Sie, dass bei besonders schwerwiegenden Härtefällen, wie etwa bei einer ernsthaften Suizidgefahr des Mieters, die Kündigung möglicherweise gänzlich ausgeschlossen ist. In solchen Fällen müssen die Interessen des Mieters besonders sorgfältig gegen die des Vermieters abgewogen werden.


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Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Härtefall

Ein besonderer Umstand im Mietrecht, bei dem die soziale Situation oder gesundheitliche Verfassung des Mieters eine Kündigung unzumutbar macht. Gemäß § 574 BGB kann der Mieter der Kündigung widersprechen, wenn diese eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Härtefallregelung schützt besonders vulnerable Mieter vor existenzbedrohenden Folgen einer Kündigung. Beispiel: Eine schwere Krankheit oder hohes Alter in Kombination mit langjähriger Wohndauer können einen Härtefall begründen.


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Räumungsklage

Die rechtliche Forderung des Vermieters, dass der Mieter die Wohnung verlässt und übergibt. Sie wird beim zuständigen Gericht eingereicht, wenn der Mieter trotz wirksamer Kündigung nicht auszieht. Geregelt in §§ 546, 985 BGB. Das Gericht prüft dabei die Rechtmäßigkeit der Kündigung und mögliche Härtegründe des Mieters. Beispiel: Ein Vermieter klagt auf Räumung nach einer Eigenbedarfskündigung, der Mieter weigert sich aber auszuziehen.


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Eigenbedarf

Ein gesetzlich anerkannter Kündigungsgrund nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB, wenn der Vermieter die Wohnung für sich selbst oder nahe Familienangehörige benötigt. Der Bedarf muss vernünftig und nachvollziehbar sein sowie ernsthaft verfolgt werden. Die Gerichte prüfen dabei streng, ob der Eigenbedarf tatsächlich besteht und nicht nur vorgeschoben ist. Beispiel: Der Vermieter kündigt, weil sein erwachsener Sohn in die Wohnung einziehen möchte.


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Bestandsinteresse

Das rechtlich geschützte Interesse des Mieters am Erhalt seines Mietverhältnisses. Es umfasst besonders den Schutz der gewachsenen Bindung an die Wohnung und das soziale Umfeld. Das Bestandsinteresse wird im Mietrecht, insbesondere bei § 574 BGB (Sozialklausel), gegen die Interessen des Vermieters abgewogen. Beispiel: Ein 30-jähriges Mietverhältnis begründet ein besonders starkes Bestandsinteresse, vor allem bei älteren Mietern.


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Mietspiegel

Ein Instrument zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete gemäß § 558c BGB. Er wird von Gemeinden oder Interessenverbänden erstellt und zeigt durchschnittliche Mietpreise für vergleichbare Wohnungen in einer bestimmten Region. Gerichte und Parteien nutzen den Mietspiegel als Orientierung bei Mieterhöhungen und zur Beurteilung der Angemessenheit von Mieten. Beispiel: Der Berliner Mietspiegel 2023 zeigt für eine 70qm-Altbauwohnung eine Durchschnittsmiete von 8,50€ pro Quadratmeter.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 574 Abs. 1 BGB (Härteklausel):
    Diese Vorschrift erlaubt es Mietern, einer Kündigung zu widersprechen und die Fortsetzung des Mietverhältnisses zu verlangen, wenn der Verlust der Wohnung für sie eine unzumutbare Härte darstellt. Solche Härten können wirtschaftliche, gesundheitliche oder soziale Gründe umfassen, die weit über die normalen Unannehmlichkeiten eines Wohnungswechsels hinausgehen.

    Im vorliegenden Fall leidet der Beklagte unter einer schweren psychischen Erkrankung, insbesondere einer depressiven Episode, die durch die erzwungene Räumung der Wohnung stark verschlimmert würde. Dies stellt eine unzumutbare Härte dar, die die berechtigten Interessen des Vermieters überwiegt.

  • § 574b Abs. 1 und Abs. 2 BGB (Widerspruchsrecht des Mieters):
    Der Mieter muss seinen Widerspruch gegen die Kündigung schriftlich erklären und dies spätestens zwei Monate vor der Beendigung des Mietverhältnisses tun. Wird diese Frist eingehalten, kann der Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses nur unter bestimmten Bedingungen ablehnen.

    Der Beklagte hat am 4. September 2020 wirksam und fristgerecht Widerspruch gegen die Kündigung eingelegt, da die Kündigungsfrist nach dem Mietvertrag verlängert war. Dies hat zur unbefristeten Fortsetzung des Mietverhältnisses geführt.

  • § 573a Abs. 1 Satz 1 BGB (Kündigung ohne berechtigtes Interesse):
    Ein Vermieter kann unter erleichterten Bedingungen kündigen, wenn er selbst in einem Gebäude mit nicht mehr als zwei Wohnungen lebt. In diesem Fall muss er kein berechtigtes Interesse wie Eigenbedarf nachweisen, jedoch verlängert sich die Kündigungsfrist um drei Monate.

    Obwohl der Kläger die Kündigung nach dieser Vorschrift ausgesprochen hat, hat das Gericht aufgrund des Härtefalls gemäß § 574 BGB entschieden, dass das Mietverhältnis fortgesetzt wird.

  • Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (Recht auf körperliche und psychische Unversehrtheit):
    Dieses Grundrecht schützt die körperliche und psychische Gesundheit jedes Einzelnen. Eingriffe in dieses Recht dürfen nur erfolgen, wenn sie verhältnismäßig sind und die Interessen des Betroffenen ausreichend berücksichtigt wurden.

    Aufgrund der ärztlich bestätigten gesundheitlichen Situation des Beklagten, bei dem ein Wohnungswechsel zu einer erheblichen Verschlechterung seiner psychischen Verfassung bis hin zur Suizidgefahr führen würde, überwiegt sein Recht auf Unversehrtheit das Interesse des Klägers an der Räumung.

  • § 573c Abs. 1 BGB (Kündigungsfristen):
    Nach dieser Vorschrift verlängern sich die Kündigungsfristen für Vermieter bei langjährigen Mietverhältnissen: Nach 5, 8 und 10 Jahren jeweils um drei Monate. Diese Regelung bietet Mietern zusätzlichen Schutz vor kurzfristigen Kündigungen.

    Das Mietverhältnis begann am 1. September 2009, wodurch sich die Kündigungsfrist bis auf neun Monate verlängerte. Damit war der Widerspruch des Beklagten rechtzeitig erklärt, wodurch die Fortsetzung des Mietverhältnisses rechtlich abgesichert wurde.


Das vorliegende Urteil


LG Berlin II – Az.: 65 S 14/22 – Urteil vom 30.04.2024


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